Marschall, Andreas (Regisseur)

DSC_2020

© Andreas Marschall

Andreas Marschall ist 1961 in Karlsruhe geboren und begann seine künstlerische Karriere als Comiczeichner. Filmplakate, Illustrationen für Bücher und über 120 Cover für Metalbands gehen auf sein Konto.

2004 wurde dann sein Debütfilm „Tears Of Kali“ abgedreht, der in Deutschland leider nicht die Beachtung fand, die er verdient hätte, sondern eher im Ausland auf Interesse stieß. 2012 folgte dann mit „Masks“ sein zweiter Horrorfilm und seit kurzem der Episodenfilm „German Angst“ mit den Regiekollegen Jörg Buttgereit und Michael Kosakwoski.

Ich freue mich, Andreas Marschall heute ein paar Fragen zu seiner Arbeit und Person stellen zu dürfen.

1. Du hast vor Deiner Karriere als Regisseur Plattencover für Metalbands wie z.B. Blind Guardian, Hammerfall oder Sodom angefertigt. Machst Du das immer noch oder widmest Du Dich nur noch dem Medium Film?

Ich zeichne noch regelmäßig für Bands. Seit der Ausstellung meiner Werke im Pop-und Rock-Museum Gronau kommen sehr viele Anfragen. Beispielsweise habe ich das letzte Cover von ORDEN OGAN „Ravenhead“ gemacht. Besonders gut kam auch das wirklich harte und blutige artwork für das neue Obituary-Album „Inked in Blood“ in der internationalen Metalszene an. Ein blutiger Torso, in den der Bandname geritzt ist. Würde ein prima T-shirt ergeben.

2. Mit „Tears Of Kali“, Deinem Debütspielfilm, ist Dir ein außergewöhnliches, atmosphärisches Werk gelungen. Kannst Du das Gefühl beschreiben, als Du mit diesem Film nicht unbedeutende Erfolge im Ausland verzeichnen konntest?

Damals hatte ich als Lehrer an einer Schauspielschule -der Reduta Berlin – gearbeitet und den ersten Teil von Tears of Kali, „Shakti“ , eigentlich als Übung für meine Schüler gedreht. Das Filmfragment wurde in einem Kino in Oberammergau einem Testpuplikum gezeigt wo es so gut ankam, daß plötzlich Investoren für einen abendfüllenden Film ins Spiel kamen. Das Thema von TOK, die Schattenseiten von New Age und Psychotherapie, war etwas Neues im Horrorgenre und das hat die Leute interessiert.

Es war produktionstechnisch aufgrund des knappen Budgets aber trotzdem eine schwere Geburt. Der enorme Festivalerfolg und die Verbreitung in viele Länder der Welt war die Belohnung für die Strapazen. Ich habe viele internationale Preise mit „Tears of Kali“ gewonnen und konnte damals selbst nicht fassen, was aus dieser Schauspielübung geworden war.

3. Mit welcher Schauspielerin und mit welchem Schauspieler würdest Du gerne einen Film drehen und warum?

Da fallen mir viele ein. Beim Landshuter Kurzfilmfestival war ich vor ein paar Jahren in der Jury zusammen mit Katriona McColl, der Hauptdarstellerin vieler Filme Lucio Fulcis. Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden und ausgemacht, daß wir miteinander arbeiten wollen, sobald ein passender Stoff für sie da ist. Katriona hat eine großartige Ausstrahlung und ich hoffe, es klappt in naher Zukunft mal. Mir fallen aber auch viele deutsche Schauspieler ein, die ich für klasse halte: Tobias Moretti finde ich wunderbar wandelbar, er hat mich im grandiosen Alpen-Western „ Das finstere Tal“ von Andreas Prochaska sehr überzeugt.

4. Könntest Du den finanziellen Aspekt völlig außer Acht lassen: Was wäre Dein Traumprojekt?

Ich habe schon lange einen historischen Thriller im Kopf, der Mitte des 18.Jahrhunderts spielt und eine überraschende andere Sicht auf die spanische Inquisition und die kollektive Hexenhysterie der frühen Neuzeit eröffnet. Aber wie das so ist mit unrealisierten Projekten: Man sollte nicht zu viel über sie reden, sonst werden sie nicht wahr.

5. Als Regisseur hat man es in Deutschland nicht leicht, wenn man sich dem Horrorgenre verschreibt. Du machst es trotzdem 🙂
Siehst Du in der Zukunft eine Chance für den deutschen Horrorfilm? Oder tendierst Du in Zukunft mit Deinen Arbeiten eher dazu, wie viele Deiner Kollegen, ausländischer Produzenten für Deine Projekte zu gewinnen?

Ein guter Bekannter von mir, Huan Vu, der Regisseur des schönen Horrorfilms „Die Farbe“ hat tatsächlich gerade für sein HP Lovecraft-Projekt „Traumpfade“ Filmförderung der MFG erhalten. Es geschehen manchmal Wunder.

Ansonsten nutze ich alle Möglichkeiten, Produzenten und Investoren zu finden, ob in Deutschland oder international. Durch die Download-Praxis im Internet wird die Luft für Filmschaffende immer dünner. Man kann heute nicht mehr wählerisch sein. Ich werde in Zukunft sicher nicht nur Horrorfilme drehen. Daß ich mich sehr gerne im Horror-Genre aufhalte ist kein Dogma, sondern Leidenschaft. Ich liebe dieses Genre, in dem man erzählerisch die Fesseln des Realismus sprengen und sich auf Traumpfade begeben kann. Und ich liebe es für die extremen Emotionen und Affekte, mit denen man jongliert. Schon beim Drehen. Bei mir herrscht am Set manchmal die befreiende Intensität einer Urschreitherapie.

6. Welche Regisseure und Filme inspirieren Dich?

Zuviele, um sie alle aufzuzählen. Ich kann immer nur die gerade Letzten nennen: Pier Paolo Pasolinis „120 Tage von Sodom“ hat mich neulich ziemlich umgehauen. Immer wieder auch die faszinierenden italienischen „Blumen des Bösen“ aus den 70ern, Bava, Argento, Sergio Martino. Die absolut großartigen Bergfilme von Arnold Fanck, wie „Die weiße Hölle von Piz Palü“ oder „Das blaue Licht“. Ich muß unbedingt mal einen mystischen Berg-Horrorfilm machen. Mit Adrian Topol, einem bekannten Schauspieler und Filmproduzenten, arbeite ich gerade an der Frühphase eines solchen Projekts.

Und gerade ist – endlich – „Black Out“ von Nicolas Roeg auf DVD erschienen. Das psychoanalytische Mystery-Puzzle eines Regisseurs, dessen erwachsener Horror mich schon bei „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ sehr beeindruckt und geprägt hat.

7. Wie empfindest Du die Zusammenarbeit mit Underground-Filmer Jörg Buttgereit und Regiekollegen Michael Kosakowski bei „German Angst“?

Wir haben völlig unabhängig voneinander gearbeitet und uns überhaupt nicht reingeredet, das war die Grundprämisse unserer Zusammenarbeit. Dennoch haben wir uns gegenseitig unterstützt. Ich habe bei Jörg´s FINAL GIRL die Behind-the -scenes -Aufnahmen mit einer analogen Super-8-Kamera gemacht und Jörg taucht in der Club-Szene von ALRAUNE auf. Michal spielt darin einen Türsteher und die brutalste Stimme eines SS-Mannes in MAKE A WISH ist die meine. Michal hat zudem alle drei Folgen produziert und die kreative Atmosphäre geschaffen, in der Jörg und ich phantastisch arbeiten konnten.

8. Wie wichtig ist Filmmusik für Dich? Hörst Du sie auch in Deiner Freizeit? Oder was hört Andreas Marschall außer Heavy Metal noch privat?

Da meine Filme immer durch den Bauch ins Gehirn gehen, ist für mich Musik enorm wichtig.

Meine e-mail-Korrespondenz mit den italienischen Soundtrack-Komponisten Paolo Marzocchi und Fabio Amurri für ALRAUNE würde ein verdammt dickes Buch ergeben. Ich feile mit den Musikern geradezu besessen am Score meiner Filme. Schon wenn ich drehe, höre ich für viele Szenen die Musik im Kopf, aber die wirkliche Magie entsteht wenn die Musiker mit ihren eigenen Interpretationen kommen. Auch mit der Band SCHLAFES BRUDER die den harten Elektro-Rock der Episode geschaffen hat, habe ich intensiv zusammengearbeitet. Sänger Fritz Graner spielt auch eine kleine Rolle im Film… übrigens an der Seite der legendären und sehr geschätzten Katja Bienert! Privat höre ich mich gerade durch die Vinyl- Welten des Retro-Soundtrack-Labels Cineploit in Wien: Die neueste Platte der experimentellen Band THELEMA „Growing“ ist überirdisch schön.

9. Welche Dinge müssten Deiner Meinung nach in der Filmbranche geändert werden?

Ich glaube, wir brauchen in den Fördergremien mehr Leute, die mit Genrefilmen aufgewachsen sind, statt nur mit dem konventionellen deutschen Arthouse- und TV-Film. Es gibt sie überall, auch in den Sendern, Menschen, die gerne was Anderes machen würden, aber sie stoßen an die Grenzen des Systems. Man sagt, das Puplikum wolle keine deutschen Genrefilme, akzeptiere diese nur aus den USA. Und ich glaube auch, daß die Leute im Laufe der Jahre -seit ungefähr dem Verlöschen der Edgar Wallace-Filmreihe in den späten 60ern- das Vertrauen in deutsches Genre verloren haben. Das muß aber nicht so bleiben. Man sollte gar nicht auf den ersehnten alles verändernden Überfilm warten. Wenn nur regelmäßig Genrefilme gedreht werden– zunächst wohl noch vorwiegend „independent“ -, sind irgendwann auch Perlen darunter, die ihr Puplikum finden. So erst entsteht ein Biotop, in dem der Genrefilm wachsen kann. Der Kritiker Thomas Groh formulierte neulich in einer Radio-Diskussion sehr schön: „Genre-Filme sind , bildhaft gesprochen, Söldner-Filme, keine Jesus-Filme. Filme, die im Rudel kommen, aus dem fünf mies, zwei gut und drei hervorragend sind.“

10. Welchen Film dürfen wir als nächstes von Dir erwarten, jetzt nachdem „German Angst“ abgedreht ist? Oder ist das noch ein Geheimnis?

Ich schreibe gerade an einer Geschichte, die düsteren gothic horror in einer düsteren Zeit verankert: in der Sowjetunion Josef Stalins.

Wir danken Dir ganz herzlich für die Beantwortung unserer Fragen und wünschen Dir alles erdenklich Gute für Deinen weiteren Weg als Regisseur.

Wer mehr über Andreas Marschall und seine Arbeit erfahren möchte, sollte sich auf seiner Homepage umsehen.

© 2015 Andreas Marschall / Wolfgang Brunner

Hinterlasse einen Kommentar