Interview mit dem Schauspieler Patrick Dewayne

Foto: Isabelle Martens

© Foto: Isabelle Martens

Patrick Dewayne wuchs bei Adoptiveltern auf und begann sich mit seiner afroamerikanischen Herkunft auseinanderzusetzen, als er seine richtigen Eltern (Vater in den USA, Mutter in Deutschland) gefunden hatte. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann arbeitete er bis 2003 an der Börse und bei der Deutschen Bank in Frankfurt am Main, New York City und London.

2004 spielte er dann in über 100 Folgen bei der deutschen Vorabendserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ die Rolle des Schauspielschülers Kike Valdez. Dewayne spielt aber nicht nur in Filmen und Serien, sondern auch in Musicals („Martin Luther King – The King Of Love“ oder „Ein Käfig voller Narren“).

Vor kurzem stand er für das Remake von „Point Break – Gefährliche Brandung“ unter der Regie von Ericson Core vor der Kamera.

Patrick Dewayne ist Mitglied der Gruppe „Schwarze Filmschaffende in Deutschland“ und ich freue mich sehr über das Interview, das ich mit ihm führen durfte.

1. Du bist sehr vielseitig, drehst Filme, machst Musik und hast sogar gemodelt. Könntest Du Dir denn vorstellen, einen anderen Beruf als den des Schauspielers auszuüben? Welcher wäre es?

Ja logisch, das wäre, oder ist besser gesagt, der Beruf des Moderators und Präsentators. Als Journalist in Sachen Finanzjournalismus bin ich am Frankfurter Börsenparkett für die DATV AG bzw. „N24 – Der Nachrichtensender“ on air.

2. Gibt es Rollen, die Du auf keinen Fall annehmen würdest?

Nein, es gibt nämlich ,denke ich, keine „blöden“, oder „dummen“ Rollen, sondern lediglich Ungereimtheiten in der Interpretation einer Rolle. Die ist viel wichtiger und da muss zwischen einem Schauspieler und einem Regisseur eine vertrauensvolle Basis bestehen, dann kann man alles erzählen, denke ich.

3. Welchen Schauspieler, Musiker oder wen auch immer würdest Du gerne einmal persönlich treffen? Und warum?

Getroffen habe ich ja schon einige bei Filmtreffen, Festivals, u.ä. Mir läge mehr an einer Zusammenarbeit: In Deutschland wäre ich zum Beispiel gerne einmal der Gegenspieler von Ulrich Tukur in einem „Finanz Tatort“ im EZB Milieu. International würde ich gerne in Projekten wie „The Equalizer II“ mitspielen, um meinem Kollegen Denzel Washington bei der Arbeit auf die Finger zu schauen.

4. Wie hast Du die Zeit bei GZSZ empfunden? Was hinterließ die meisten Eindrücke während dieser langen Zeit?

Ich habe mich das auch schon öfter gefragt. Gar nicht so leicht, denn es ging trotz 6 Monaten, dann Musik und allem drum herum so verdammt schnell. Wie in einem Aufzug, der mit 10m/sek. nach oben donnert. Da ich etwas Höhenangst habe, war es nicht so leicht mit dem „Nach unten“-Schauen. Na und dann war die Fahrt ganz schnell wieder vorbei und ich dachte so für mich: „Oh wow, jetzt will ich aber nochmal fahren.“ Kennst Du das?

Die Atmosphäre war sehr familiär und ich habe mich sehr wohlgefühlt mit meinen Kollegen, aber vor allem mit den vielen fleißigen Bienchen aus Maske, Garderobe und am Set. Da war kein Konkurrenzkampf, sondern Wärme am Set.

5. Was wäre Deine absolute Traumrolle?

Ich denke, dass es da im Laufe einer Karriere auch unterschiedliche Vorstellungen gibt. Momentan wäre es mir eine absolute Ehre, wenn ich in der „Hessischen Tatort Welt“ pro Jahr einen „eigenen Platz“ bekäme und als Ermittler in Sachen Banken- und Finanzkriminalität unterwegs sein dürfte. Ein Charakter mit Ecken und Kanten, mit all seinen Identitätsstörungen und Sehnsüchten, heiterem und überzogenem Selbstwertgefühl.

6. Du bist Mitglied in der Gruppe „Schwarze Filmschaffende in Deutschland“. Wie wichtig ist dieser Austausch für Dich? Wie siehst Du die Zukunft von dunkelhäutigen, deutschen Schauspielern?

Solche Organisationen sind wichtig, zur Identitätsfindung einer Gruppe und einem selbst als Schauspieler. Der Austausch ist dabei vordergründig. Dabei ist etwas sehr Spannendes zu beobachten gewesen. Anfänglich denkt man, bzw. dachte ich, „Oh ja, WIR Schwarze Filmschaffende.“ Doch dann habe ich gemerkt, wie sehr das ganze von „Aussen“ auf uns und besonders auf mich projiziert wurde und wird. Diese Reduktion auf Hautfarbe. Das Krasse ist, dass ich gemerkt habe, wie unterschiedlich wir Filmschaffenden alle sind und tatsächlich nur zwei Merkmale gemeinsam haben, Hautfarbe und Berufswahl, im weitesten Sinne.
Die Folge für mich war dann, nicht tiefer in Grundsatzdiskussion und Idealfindungsprozessen dabei zu sein, weil ich das Gefühl hatte, dass das am Problem vorbei geht.
Es fehlen mir in Deutschland 3 ganz wichtige Faktoren in Sachen Filmschaffende mit Migrationsvordergrund  😉

  1. Der Mut in Filmen, Hautfarbe nicht immer als Tatbestand thematisieren zu müssen, sie zu erklären, zu rechtfertigen oder gar sie zu werten.
  2. Die Entschlossenheit der Redaktionen und Macher, gerade im öffentlich rechtlichen „fiktionalen TV“ ihrem „Bildungsauftrag“ nicht nachzukommen und mehr Schauspieler und deren Aussehen beim Zuschauer als „normal“ zu implementieren. (Stichwort: schwarzer Schwiegersohn, Anwalt oder Arzt.“
  3. Durchmischung von unterschiedlichsten Kulturen und Migrationsgeschichten von Mitarbietern in Redaktionen, Ausschüssen, Verleihern, Produktionsfirmen und Festivalausschüssen. So lange beim ARD/Ki.Ka Abteilungsleiter in den unterschiedlichen Bereichen rund um das Thema Film und Bildung sitzen, zu 99% ohne Migrationsgeschichte oder unmittelbaren Bezug, werden sich auch Stoffe, Themen und Besetzung nicht positiv für schwarze Schauspieler verändern.

Es gibt immer wieder „mutige“ Redakteure, aber die müssen sich so viel Mist und Gegenwind gefallen lassen, dass ihnen bald der Mut ausgeht und der Kampf gegen die Windmühlen/Vorurteile, manchmal deren eigene Karriere beschädigt. Aber das nur mal so „off the record“

7. Kannst Du uns drei Lieblingsfilme und evtl. auch Lieblingsbücher nennen und erklären, warum sie das für Dich sind?

1. Der Kleine Prinz – Ich finde so vieles von dem kleinen Prinzen und seiner Weltsich in meiner eigenen wieder.

2. Die drei Musketiere – Ich habe dieses Buch geliebt, verschlungen. Ich konnte mich so sehr mit D’Artagnan identifizieren und habe auch immer nach Wahrheiten gesucht und einer gewissen Ritterlichkeit in Männern und Männerbildern

3. In 80 Tagen um die Welt – Ich liebe so viele Bücher von Jules Verne. Mir fehlt das heute so ein wenig, dass Menschen unsere Zukunft so gekonnt in Fiktion umsetzen und dabei brillant unterhalten.

FILME:

  1. Artificial Intelligence von Steven Spielberg. Der Junge, der ein richtiger Mensch sein möchte und eine Mama haben will trifft bei mir einen ganz tief in meiner Persönlichkeit verankerten Punkt. Im Grunde der Wunsch nach bedingungsloser, müttergleicher Liebe, die eine der reinsten Facetten der Liebe ist.
  2. American Beauty von Sam Mendes. Diese Gesellschaftskritik an den USA und seinen typischen Vorortfamilien ist so schön überzeichnet und mit Kevin Spacey so treffend besetzt, dass die Reise zwischen Witz und Tragik so schön zynisch das heile Bild des Sexsymbold No.1 in den USA, die Cheerleaderin zerstört, dass ich gerne bei so einem Kaliber Film dabei wäre. Wer weiß, was man da auch hier in Deutschland einmal dreht.
  3. Des Königs Admiral“ mein Lieblingsfilm als Kind. Ich war ein großer Gregory Peck Fan. Historisches mit Action und Edelmut gespickt, dass fand ich faszinierend.

8. Welcher Schauspieler (oder Mensch) war schuld daran, dass Du selbst einer werden wolltest?

Eigentlich meine Mutter und der Umstand, dass ich ein „Adoptivkind“ bin. Der Mix aus eigenem Minderwertigkeitsgefühl, gepaart mit dem Verlangen, seiner Mutter alles auf der Welt so schön wie nur irgend möglich erscheinen zu lassen, ließ mich zum „Geschichtenerzähler“ werden, damit es wenigstens ein paar schöne Momente in Mamas Leben gab. Geld hatte ich keines, meine Währung war eine gute Geschichte.

9. Könntest Du Dir vorstellen, auch einmal auf dem Regiestuhl Platz zu nehmen? Welche Projekte würden uns erwarten?

Ja unbedingt .Eigene Filmideen umzusetzen, das wäre toll. Es würde um Identität gehen, denn das zieht sich durch mein Leben durch, wie ein großer Klecks Nutella. Ich würde gerne folgende Idee umsetzen:

Mini Pitch: „Ein Lehrer, an einem Gymnasium wird zu unrecht der Vergewaltigung einer Referendarin beschuldigt und erhofft sich durch sein intimes „Coming out“ als Homosexueller, der Strafe zu entgehen. Er bekommt aber gesellschaftlich eine viel härtere Strafe aufgebürdet. Es geht um Normen, Werte und Doppelmoral dabei.

10. Darfst Du uns denn schon etwas über zukünftige Projekte verraten? In welchen Filmen werden Dich die Zuschauer zu sehen bekommen?

Momentan ist mal wieder Casting Season angesagt und wenn es klappt, dann sage ich Dir natürlich Bescheid. Bis dahin bitte Daumen drücken.

11. Was sind die fünf wichtigsten Dinge in Deinem Leben?

Meine Frau, meine Kinder, die Gesundheit aller, innere Zufriedenheit und Respekt im Umgang mit anderen und mir selber.

Ich bedanke mich für das nette Gespräch und wünsche Dir alles Gute für die Zukunft. Und natürlich drücke ich ganz fst die Daumen.

Ich darf mich bedanken und muss schon sagen, so viel nachgedacht, ausgelotet und mich reflektiert habe ich schon seit Jahren nicht mehr – tolle Fragen, die mir ganz viel von meinem „Warum mache ich das alles eigentlich“ wieder vor Augen geführt haben. Dickes Danke dafür, Patrick

© 2016 Patrick Dewayne / Wolfgang Brunner