Der Pass (2018)

Originaltitel: Der Pass
Regie: Cyrill Boss, Phillip Stennert
Drehbuch: Phillip Stennert, Cyrill Boss, Mike Majzen
Kamera: Philip Peschlow
Musik: Jacob Shea
Laufzeit: 480 Minuten (8 Episoden á zwischen 42 und 60 Minuten)
Darsteller: Julia Jentsch, Nicolas Ofczarek, Franz Hartwig, Hanno Koffler, Lucas Gregorowicz, Lukas Miko, Natasha Petrovic, Martin Feivel, Theresa Martini, Victoria Trauttmannsdorff
Genre: Krimi, Thriller
Produktionsland: Deutschland, Österreich
FSK: ab 16 Jahre

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In den Bergen, auf der deutsch-österreichischen Grenze, wird eine Leiche gefunden. Beide Länder senden Ermittler: Die Kommissarin Ellie Stocker aus Berchtesgaden soll mit dem erfahrenen Wiener Kriminalbeamten Gedeon Winter zusammenarbeiten. Während der Ermittlungen bekommt das Ermittler-Duo immer mehr den Eindruck, dass der Mörder einen größeren Plan verfolgt.

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Schon der Anfang erschafft innerhalb weniger Minuten eine unglaubliche Atmosphäre und entwickelt einen Sog, dem sich der Zuschauer die ganzen weiteren Folgen nicht mehr entziehen kann. Die alpine Kulisse, die düstere Stimmung, die mehr als genial dazu passende Musik und das Aufeinandertreffen deutscher und österreichischer Ermittler an der Grenze ihrer Länder machen „Der Pass“ zu einer der grandiosesten Krimiserien, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Das Zurschaustellen der Leichen erinnert zwar an filmische und literarische Vorbilder, wirkt aber niemals kopiert oder plump nachgestellt, sondern vermittelt eher eine eigene Version dieser bekannten Bilder, die man dabei in den Kopf bekommt. „Der Pass“ macht bereits nach der ersten Episode süchtig und man ertappt sich dabei, dass man überlegt, die ganze Staffel an einem Abend „durchzusuchten“. 😉
Die Landschaftsaufnahmen sind beeindruckend und harmonieren mit der ganzen Atmosphäre, die diese Serie ausstrahlt. Die düstere Grundeinstellung zieht sich durch die ganze Staffel, was nicht nur an den grandiosen, aber auch bedrückenden Aufnahmen liegt, sondern auch an den durchwegs talentierten Schauspielern, die der Geschichte eine glaubhafte und in sich stimmige Richtung verleihen.

Kommen wir nun zu einem Punkt, der die Serie, neben der meisterhaften Inszenierung und den wunderschönen Landschaftsaufnahmen, von anderen Genrebeiträgen um einige Punkte abhebt: die Schauspieler. Zuerst einmal spielt Julia Jentsch ihren Charakter so natürlich, dass es eine wahre Freude ist, ihr dabei zuzusehen. Sie stellt die Figur der Ellie Stocker so menschlich und warm dar, dass man zeitweise vergisst, einer Schauspielerin zuzusehen und denkt, Jentsch spiele sich einfach nur selbst. Dieses hohe Niveau fällt in keiner einzigen Episode auch nur annähernd ab. Und neben ihr kommt dann Nicolas Ofczarek als Gedeon Winter ins Spiel, der in dieser Rolle aufgeht und eine unvergleichliche Leistung bringt, die eines Oscars würdig wäre. Sein grantlerisches, aber dennoch sympathisches Wesen kollidiert mit der trockenen Art einer grenznahen Deutschen, die aber ebenfalls einen unvergleichlichen Charme versprüht. Dieses Aufeinandertreffen bekommt man nicht mehr so schnell aus dem Kopf, denn da gibt ein Wort das andere, da harmonieren bestimmte Verhaltensweisen, obwohl sie eigentlich gar nicht harmonieren können, und, obwohl die beiden nicht wirklich zusammenpassen, passen sie hervorragend zusammen und agieren miteinander, als hätten sie nie etwas anderes getan. Es ist eine tiefe, innige Freundschaft, die diese beiden Menschen verbindet, und das wird in den einzelnen Folgen immer intensiver dargestellt – wie das Leben in Wirklichkeit auch spielt. Man wartet irgendwann tatsächlich immer darauf, ob sich die beiden nun doch noch näher kommen. Man hätte den beiden gut und gerne noch einige Stunden länger zusehen können.

Ein äußerst wichtiger Punkt, der die ganze Staffel neben den hervorragenden Schauspielern und der tollen Inszenierung auf geniale Weise unterstützt, ist der Score von Jacob Shea. Von niemand geringerem als Hans Zimmer produziert, untermalt der Komponist die düsteren Bilder mit einem epischen Klangteppich und verwandelt die ruhigen, melancholischen Szenen mit einem zauberhaften Klavierspiel zu fast schon märchenhaften Passagen. Ich habe dieses Zusammenspiel zwischen gezeigten Bildern und gehörten Emotionen genossen.
Immer wieder wird der originale österreichische Dialekt von Nicolas Ofczarek kritisiert. Die einen verstehen sein „Genuschel“ nicht, die anderen beschweren sich über die eingeblendeten Untertitel, weil sie nervig seien. Beide Kritikpunkte kann ich nicht nachvollziehen: Ich als geborener Bayer verstehe Ofczarek sowieso, aber 80Prozent seiner Worte sind auch so zu verstehen, man hätte also die Untertitel in den meisten Fällen tatsächlich nicht gebraucht. Andererseits stören sie absolut nicht, wenn sie hin und wieder eingeblendet werden und man die Worte „auf die Schnelle“ nochmal nachlesen kann.
Ganz im Gegenteil, denn genau dieses sprachliche Aufeinandertreffen macht das Ganze authentisch und stimmungsvoll. Das war einer der Punkte, der mir an „Der Pass“ ohnehin am besten gefallen hat.
Nochmals: „Der Pass“ ist eine Serie, die süchtig macht und die man sich immer wieder einmal ansehen kann. Bleibt nur zu hoffen, dass die zweite Staffel noch fertig gedreht wird, da die Dreharbeiten wegen der Corona-Pandemie zum Stillstand kamen. 😦

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Fazit: Eine Serie zum Niederknien. Düster, spannend, authentisch, einfach nur grandios.

©2021 Wolfgang Brunner

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