Everest (2015)

Everest

Originaltitel: Everest
Regie: Baltasar Kormákur
Drehbuch: William Nicholson, Simon Beaufoy
Kamera: Salvatore Totino
Musik: Dario Marianelli
Laufzeit: 120 Minuten
Darsteller: Jason Clarke, Josh Brolin, John Hawkres, Robin Wright, Sam Worthington, Keira Knightley, Emily Watson, Jake Gylenenhaal, Michael Kelly
Genre: Abenteuer
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 12 Jahre

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Zwei Expeditionen machen sich auf den Weg, den Gipfel des Mount Everest zu bezwingen. Durch einen plötzlichen, starken Wetterwechsel entwickelt sich der Aufstieg zu einem lebensgefährlichen Kampf, bei dem die beiden Teams zur Zusammenarbeit gezwungen sind.

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„Everest“ erzählt die tragischen Ereignisse einer wahren Begebenheit nach, kann aber durch die begrenzte Dauer eines Spielfilms nicht alle Einzelheiten behandeln. Dem ein oder anderen, der sich mit dem wirklichen Drama aus dem Jahr 1996 auseinandergesetzt hat, mag das vielleicht sauer aufstoßen, ich für meinen Teil fand die Umsetzung mehr als gelungen.
Die atemberaubenden Landschaftsaufnahmen haben mich vom ersten Augenblick an in  ihren Bann gezogen ( vor allem in 3D!). Das ist unglaublich authentisch in Szene gesetzt, so dass man sich sofort mittendrin fühlt und die Schönheit der Natur ebenso spürt wie ihre brutale, unbarmherzige Härte. Regisseur Baltasar Kormákur baut die Handlung geschickt auf und fängt das Ganze eher harmlos an, wie es die Teilnehmer wohl auch empfunden haben. Man nimmt als Zuschauer teil an der Vorfreude, den höchsten Berg des Himalaja zu besteigen, und fühlt förmlich den Nervenkitzel der Teilnehmer. Doch schon bald gerät das Abenteuer außer Kontrolle und die Menschen kämpfen um ihr Leben.

Beeindruckend in seiner Darstellung als Leiter einer der beiden Expeditionen ist Jason Clarke, der seine Rolle dermaßen überzeugend und emotional spielt, dass er aus meiner Sicht eine Oscarnominierung verdient hätte. Mit anhaltender Begeisterung verfolgte ich vor allem sein Schauspiel während des ganzen Films. Clarke hat es dadurch auch geschafft, die ganzen anderen Stars wie zum Beispiel Josh Brolin, Robin Wright, Sam Worthington, Keira Knightley, Emily Watson oder Jake Gylenenhaal an die Seite zu spielen. Sicherlich sind alle anderen beteiligten Schauspieler absolut Spitze in diesem Film, aber keiner kann Clarke das Wasser reichen. 😉

Kormákur inszenierte die tragische Bergbesteigung überzeugend und erschreckend realistisch. Manchmal ist es für den Zuschauer fast schon unerträglich, den Strapazen und Gefahren der Protagonisten beizuwohnen. Hinzu kommt, dass bestimmte Szenen wirklich sehr emotional sind, obwohl durch die Dauer des Films nicht allzuviel persönliche Bindung zu den Akteuren aufgebaut werden kann. Diese Bindung funktionierte, zumindest bei mir, eben nur zu dem von Clarke dargestellten Bergführer Rob Hall. Mit ihm fieberte ich mit, litt und hoffte. Das ging, wie gesagt, bei manchen Szenen an die Substanz. 😉
Erfreulicherweise wurde aus meiner Sicht niemals etwas übertrieben dargestellt, aber dennoch eine unglaubliche Spannung aufgebaut. Selbst Menschen, die nichts mit Bergsteigen anfangen können, werden sich diesem faszinierenden Trip nicht entziehen können. Ich könnte mir den Film schon wieder ansehen, so begeistert hat er mich. Hinzu kommt die fantastische Musik von Dario Marianelli, die sowohl die ruhigen wie auch die dramatischen Momente hervorragend untermalt. Die gezeigten, teils bombastischen Naturaufnahmen wirken dadurch unglaublich intensiv.

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Fazit: Bildgewaltiges und durch die Darstellung von Jason Clarke sehr emotionales Bergsteigerdrama, das man nicht so schnell vergisst.

© 2016 Wolfgang Brunner

Interview mit dem Komponisten Klaus Pfreundner

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© Jürgen Wunderlich

Klaus Pfreundner kam als Sohn eines Musikers zur Welt und bekam natürlich die Musikbegeisterung bereits „in die Wiege“ gelegt. Mit sechs Jahren erlernte er schon Akkordeon, Gitarre und Trompete.
Im Alter von 12 Jahren entdeckte er dann das Klavier und gründete zeitgleich seine erste Band namens Radspitz, mit der er noch heute aktiv tätig ist.
Nach einer Ausbildung an der Berufsfachschule für Musik in Kronach besuchte Pfreundner anschließend das Konservatorium für Musik der Stadt Nürnberg.
Nach professionellen Erfahrungen im Bereich Tonstudio folgte das Komponieren von eigenen Stücken. Durch das Projekt „.Amadeus rockt.“ mit den Hofer Symphonikern erwachte im Jahr 2006 Pfreundners neue Leidenschaft, nämlich die Filmmusik.

Ich freue mich sehr, dass der Komponisten für Film-Besprechungen einige Fragen beantwortet.

1. Deine Klänge zum aktuellen Remake „Blood Feast“ von Marcel Walz sind oftmals sehr ruhig und pianolastig. Orientierst Du Dich dabei an klassischer Musik oder wo finden sich Deine Vorbilder?

Als Pianist tendiere ich natürlich immer zuerst zum Piano.
Mit diesem Instrument kann ich Emotionen einfach am besten ausdrücken und auch transportieren.
Lustige Geschichte am Rande: Dem ersten Schnitt von „Blood Feast“ fehlte die Eröffnungsszene, was ich aber zu diesem Zeitpunkt nicht wusste. Ich begann also mit der für mich ersten Szene des Films und komponierte dafür ein leichtes Pianothema mit Variationen.
Ca. drei Wochen später bekam ich dann von Kai Bogatzki einen neuen Filmschnitt. Du kannst dir denken, wie überrascht ich war. Die Eröffnungsszene von „Blood Feast“ ist ja absolut extrem!
Im ersten Moment war ich natürlich irritiert und nicht mehr sicher, ob mein Pianothema nach dieser Eingangsszene funktionieren kann. Ich nahm die Musik erstmal heraus, doch Marcel Walz hatte sich schon so sehr in das Pianothema verliebt, dass er es drin lassen wollte. Und die Entscheidung war goldrichtig!
Na ja, und so blieb es dann im weiteren Verlauf des Film bei dieser Kombination. Piano für die Emotionen und der Rest ist extreme Eskalation.
Um nochmal kurz auf deine Frage zu kommen:
Natürlich ist die klassische Literatur ein großer Topf, aus dem ich auch gerne schöpfe. Es verbietet sich für mich aber, nur platt zu kopieren. Ich denke, es geht mir wie allen Komponisten dieser Welt beim täglichen Prozess des Schaffens: Ich bin immer auf der Suche nach dem Eigenständigen im großen Universum des schon Vorhandenen.
Vorbilder habe ich nicht explizit, es faszinieren und inspirieren mich viele Künstler quer Beet.

2. Wie muss ich mir Deine Arbeit vorstellen? Komponierst Du schon, bevor Du etwas von dem Film gesehen hast oder gehst Du erst am Ende ans Werk?

Meine kompositorische Arbeit beginnt meist dann, wenn ich den ersten Schnitt des Films in meinen Händen halte.
Vorab bekomme ich ab und an auch schon mal das Drehbuch und kann mich – ähnlich wie ein Schauspieler – in den Film einlesen.
Bei „Blood Feast“ habe ich schon weit vor Beginn der Dreharbeiten auf Wunsch von Marcel Walz das „Main Theme“ geschrieben, welches am Schluss des Filmes erklingt.
Dabei bestand die Aufgabe darin, möglichst viel von der originalen Filmmusik aus dem Jahr 1963 in den neuen Score einzubinden.
Das war auch ein sehr interessanter Prozess, da die Originalmusik von „Blood Feast“ sehr minimalistisch ist.

3. Welche sind die Deiner Meinung nach besten Filmmusiken aller Zeiten?

Ich bin ein großer Bewunderer von John Williams’ Arbeit. Daher auch leider befangen. Für mich hat er einige der bedeutsamsten Filmmusiken geschrieben.

4. Was macht Klaus Pfreundner in seiner Freizeit? Welchen Hobbys gehst Du nach?

Wenn ich freie Zeit habe, gehe ich gerne Biken. Viel zu selten besuche ich dann auch mal Freunde. Und dann versuche ich mich auch ab und zu mal in der Kunst, NICHTS zu tun (was gar nicht so einfach ist).

5. Fünf spontane Antworten auf Namen:

– Michael Jackson

Schade. Ich wünschte, er wäre noch da.

– Jerry Goldsmith

Star Trek. Ich liebe es!

– John Carpenter

The Fog – mein erster Horrorfilm.

– Philip Glass

The Truman Show. Klasse Film, klasse Score.

– Marcel Walz 😉

Ein toller Typ.

6. Was wäre Dein größter Traum als Filmmusik-Komponist?

And the Oscar goes to… Und bis es soweit ist, wäre ein weiterer Traum von mir, einmal Musik für einen Tatort zu schreiben.

7. Welche Musikrichtung bevorzugst Du privat?

Quer Beet. Privat höre ich gerne coole Musik z.B. Ed Sherran oder James Bay. Ich mag Künstler, die authentisch sind und auch ein oder mehrere Instrument spielen. Das kann dann aber auch z.B. Stefan Dettl und seine LaBrassBanda sein. Aktuell habe ich auch eine Rammstein-Phase. Ich finde es für mich gut, dass ich da wenig Berührungsängste habe. Alles ist interessant, wenn ich mich dafür interessiere.

8. Was sind aus kompositorischer Sicht Deine größten Herausforderungen?

Die richtige Stimmung für den Film als Ganzes zu finden. Und mich dann aus Zeitgründen musikalisch nicht zu wiederholen, das ist die größte Herausforderung für mich.

9. Welche Persönlichkeit aus der Vergangenheit hättest Du gerne einmal kennengelernt?

Jesus von Nazareth – das wäre sicher interessant geworden. 🙂

10. Gibt es schon neue Musikprojekte? Darfst und willst Du uns schon etwas darüber verraten?

Na klar. In meinem Studio geht selten das Licht aus. 🙂 
Vor kurzem habe ich mit meiner Band RADSPITZ (http://www.radspitz.de) einen neuen Song produziert. Der Song heißt „Der Isländer“. Gerade arbeiten wir an der englischen Version. Auch eine Dance Version ist in Arbeit.
Dann entsteht gerade das erste Album der NEWCOMER Band ANGIZ (http://www.angiz.de) für die ich einige Keyboardsachen einspielen werde. Die Jungs stehen im Newcomer Contest 2016 von Bayern 3 und machen tolle Mukke!
Das nächste Filmmusikprojekt steht Anfang des kommenden Jahres auf dem Plan. Und wie es eben so üblich ist, darf ich im Vorfeld noch nichts darüber sagen. Es wird mir nicht langweilig. 🙂

11. Was sind die fünf wichtigsten Dinge in Deinem Leben.

Gesundheit

Familie und Freunde

Vertrauen

Freiheit

Emphatie

Ich bedanke mich ganz herzlich für die tollen Antworten und wünsche Dir alles Gute für die Zukunft.

Ich bedanke mich auch bei dir für die interessanten Fragen und wünsche Dir ebenfalls alles Gute für die Zukunft.

© 2016 Wolfgang Brunner / Klaus Pfreundner

Blood Feast (2016)

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Originaltitel: Blood Feast
Regie: Marcel Walz
Drehbuch: Philip Lilienschwarz
Kamera: Roland Freitag
Musik: Klaus Pfreundner
Laufzeit: 95 Minuten
Darsteller: Robert Rusler, Caroline Williams, Sophie Monk, Sadie Katz, Roland Freitag, Wilfried Capet, Max Evans, Annika Strauss, Liliana Nova, Methisa Schaefer, Gioele Viola, Herschell Gordon Lewis
Genre: Horror
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 18 Jahre

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Fuad Ramses betreibt in Paris ein amerikanisches Restaurant, hat aber in einem Museum für ägyptische Kultur einen zweiten Job. Während einer seiner Nachtschichten fühlt er sich zu der Statue der Göttin Ishtar hingezogen, die in Visionen mit ihm zu sprechen beginnt. Fuad verfällt der Gottheit und möchte ihr seine Verehrung durch ein Festmahl beweisen, bei dem er ihr  Menschen als Opfergabe bereiten will. Fuad verfällt immer mehr dem Wahnsinn und einem Blutrausch. Er mordet, um das blutige Festmahl für Ishtar so schnell wie möglich abhalten zu können …

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Herschell Gordon Lewis Originalfilm „Blood Feast“ aus dem Jahr 1963 gilt als erster Splatterfilm überhaupt und ist mittlerweile, trotz vieler (teils ungewollter) Schwächen ein Kultfilm. Nun hat sich der deutsche Regisseur Marcel Walz (unter anderem Raw“, „La Petit Morte 1 & 2“, „Seed 2“ und „#funnyFACE“, um nur ein paar seiner Filme zu nennen) und Drehbuchautor Philip Lilienschwarz („Absolutio – Erlösung im Blut“) einer Neuinterpretation angenommen.
Und, ich muss schon sagen, das Projekt ist vollends gelungen. Walz entwickelt sich mit jedem Film sichtlich weiter und hat mit dem Remake von „Blood Feast“ seinen bis dato eindeutig besten und handwerklich perfektesten Film abgeliefert. Da stimmt so ziemlich alles.

Was mir persönlich außerordentlich gut gefällt, ist die Tatsache, dass hier nicht nur eine blutige Gewalt- und Torture-Orgie im Vordergrund steht, sondern eine Geschichte erzählt wird, die im Gegensatz zum Original, bedeutend mehr Tiefe besitzt. Vor allem die immer wieder eingesetzten ruhigen Szenen, die übrigens absolut genial musikalisch von Klaus Pfreundner untermalt wurden, lassen eine sehr schöne Stimmung aufkommen, die mich so richtig in den Bann gezogen hat. Pfreundners Soundtrack trägt einen großen Teil zu dieser Atmosphäre bei.
„Blood Feast“ ist teilweise richtig atmosphärischer Horror geworden, der sämtliche Fehler des Originals mühelos kompensiert und eine faszinierende Neuinterpretation des Stoffes abgibt. Drehbuchautor Lilienschwarz hat die Grundstory des Originals zwar übernommen, ist aber zusätzlich einen konsequent eigenen Weg gegangen, der den Plot um Längen verbessert.
Nicht übertrieben, sondern nur immer dann, wenn es passt, werden blutige Goreszenen in die ansonsten relativ ruhige Inszenierung eingefügt, so dass im Endeffekt ein wirklich ansprechender Film dabei herausgekommen ist. Splatterfans werden dennoch ihre Freude an den Effekten von Megan und Ryan Nicholson (u.a. „Riddick – Chroniken eines Kriegers“, „Extraterrestrial“ , oder „Warcraft: The Beginning“) haben.
Kai E. Bogatzki, der bereits schon für den Schnitt vieler Filme von Marcel Walz und auch Timo Rose verantwortlich war und momentan an seinem ersten Langfilm „Scars Of Xavier“ arbeitet, hat wieder wunderbare Arbeit geleistet und einen hypnotischen Vorspann abgeliefert.

Bei der Auswahl der Schauspieler hat Walz ein gutes Händchen bewiesen. An erster Stelle steht eindeutig Robert Rusler, den vielleicht einige noch aus „L.I.S.A. – Der helle Wahnisnn, „Nightmare 2“, „Vamp“ und Stephen Kings „Manchmal kommen sie wieder“ kennen. Mittlerweile ist er älter geworden und in manchen Einstellungen sieht er sogar aus wie George Clooney ;), das aber nur am Rande.
Rusler hat sichtlich Spaß an seiner Darstellung des Psychopathen Ramses. Von Anfang an geht er in seiner Rolle auf und kann durch sein Charisma beeindrucken. Durch ihn wird „Blood Feast“ zu einem echten Erlebnis und ich habe ihm seine Schauspielerei in jeder Sekunde abgenommen. Top!
Aber auch Caroline Williams als seine Frau konnte mich absolut überzeugen, genauso wie Sophie Monk als Tochter. Kameramann Roland Freitag gibt einen überzeugenden Polizisten ab und Sadie Katz, wenngleich nicht oft zu sehen, spielt die Rolle der Göttin Ishtar mysteriös und sexy.
Das Wiedersehen mit Max Evans in der Rolle des Mathis hat mich total gefreut, denn auch hier kann er zeigen, was er kann, auch wenn es leider keine echte Hauptrolle war. Annika Strauss, die bereits in vielen Filmen von Marcel Walz, mitgespielt hat, verkörperte die Lilou souverän und überzeugend.
Auch die Nebendarsteller gefielen mir durchweg. Als besonderes „Schmankerl“ bekommt der Zuschauer sogar Herschell Gordon Lewis, den Regisseur des Originals, in einer kurzen Szene zu sehen.

Mit „Blood Feast“ hat Marcel Walz nicht nur eine enorm positive Entwicklung seines Handwerks bewiesen, sondern dem kultigen Originalfilm eine würdige Hommage bereitet. Walz‘ Film geht einen realistischeren und härteren Weg als das Original, macht die Handlungsweisen des Protagonisten auf gewisse Art und Weise nachvollziehbar und dadurch erschreckend authentisch.
Bleibt abzuwarten, ob und vor allem in welcher Schnittfassung „Blood Feast“ auch Deutschland erreicht. Wünschenswert wäre es.

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Fazit: Marcel Walz‘ bisher bester Film. So lasse ich mir eine Neuinterpretation eines eher mäßig inszenierten Originals gefallen. Robert Rusler glänzt in der Hauptrolle und Klaus Pfreundner liefert dazu einen würdigen Klangteppich.

© 2016 Wolfgang Brunner

The Walk (2015)

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Originaltitel: The Walk
Regie: Robert Zemeckis
Drehbuch: Christopher Browne, Robert Zemeckis
Kamera: Dariusz Wolski
Musik: Alan Silvestri
Laufzeit: 230 Minuten
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Ben Kingsley, Charlotte Le Bon, Clément Sibony, James Badge Dale, César Domboy, Ben Schwartz, Benedict Samuel, Steve Valentine
Genre: Filmbiografie
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 6 Jahre

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Der französische Künstler, Akrobat und Seiltänzer Philippe Petit sucht Herausforderungen. Er zeigt sein Können, als er ein Drahtsteil über zwei Türme von Notre Dame spannt und darauf geht. Doch dann erfährt er vom Bau des World Trade Centers und der Traum, von einem Turm zum anderen zu spazieren, lässt ihn nicht mehr los. Noch während sich die Twin Towers im Bau befinden, schmiedet Petit Pläne für sein waghalsiges Vorhaben.

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Es gibt Regisseure, bei denen ich weiß, dass sie nur Gutes abliefern. Darunter fällt für mich auch Robert Zemeckis, der mit seinem neuen Film „The Walk“ meine Erwartungen wieder einmal erfüllt hat. Mit einer akribischen Genauigkeit inszenierte er die atemberaubende Filmbiografie des Seiltänzers Philippe Petit, der mit seinem Drahtseilakt zwischen den Twin Towers seinerzeit für weltweites Aufsehen gesorgt hatte.
Optisch ansprechend nimmt uns Zemeckis mit auf eine Reise durch das Leben eines Mannes, der sich ein eigenwilliges Ziel gesetzt hat und dieses mit aller Macht erreichen will. Kurzweilig begleiten wir Petit bei seinen Vorbereitungen für den größten Drahtseilakt, den die Welt je sehen wird.

Schauspielerisch ist nichts zu bemängeln, alle Akteure sind voll bei der Sache und spielen, was das Zeug hält. Herausgekommen ist ein enorm packendes Abenteuer, das nicht unbedingt das Mainstream-Publikum bedienen wird. Sicherlich wird die Lebensgeschichte des Künstlers mit optischen Spielereien verziert, aber Zemeckis richtet sein Hauptaugenmerk eindeutig auf den Menschen, der nicht aufgibt, um sein Ziel zu erreichen. Für mich war der Film in keiner Minute langweilig, da er auch konstant auf das große, spektakuläre Ende hinarbeitete und die Spannung dabei geschickt aufbaute.

Die letzte Dreiviertelstunde ist eines der atemberaubenden Inszenierungen, die ich jemals gesehen habe. Zemeckis und sein Darsteller spielten den Gang zwischen den Türmen in einer unglaublich genauen Detailgenauigkeit nach, dass man vergisst, einen Spielfilm zu sehen. Man hält unweigerlich die Luft an, wenn Joseph Gordon-Levitt in seiner Rolle als Philippe Petit in einer schreckenerregenden Höhe über das Seil geht, als befände er sich auf festem Boden. Das diese Aufnahmen alle mittels Spezialeffekten entstanden sind, vergisst man wie gesagt. Diese Szenen sind an manchen Stellen geradezu unerträglich voller Spannung, so dass man sich einerseit wünscht, sie wären schnell vorbei, andererseits ist man derart fasziniert, dass man sich nicht sattsehen kann. Gerade das Ende des Filmes ist eines der größten Abenteuer, das man sich in 3D ansehen kann. Wer also die Gelegenheit hat, dieses kleine Meisterwerk in 3D zu sehen, sollte dies auf alle Fälle machen. Es lohnt sich wirklich!

Robert Zemeckis hat wieder einmal ganz großes Kino abgeliefert, dass emotional mitreißt und im Gedächtnis haften bleibt. Und auch wenn hier jede Menge Spezialeffekte eingesetzt wurden, wirkt der Film niemals überfrachtet oder nervig. Im Gegenteil – dadurch darf der Zuschauer mit auf eine einmalige Zeitreise, die nicht nur das World Trade Center, sondern auch eine schöne Zeit, wieder lebendig macht. Ein Muss für den anspruchsvollen Filmfan!

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Fazit: Muss man gesehen haben. Vor allem, wenn möglich, in 3D. Robert Zemeckis ist eine eindrucksvolle Filmbiografie gelungen, an die man noch lange denkt. Unbedingt ansehen!

© 2016 Wolfgang Brunner

Stranger Things – Season 1 (2016)

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Originaltitel: Stranger Things
Regie: The Duffer Brothers, Shawn Levy
Drehbuch: The Duffer Brothers, Jessica Mecklenburg, Justin Doble, Alison Tatlock, Jessie Nickson-Lopez
Kamera: Tim Ives, Tod Campbell
Musik: Kyle Dixon, Michael Stein
Laufzeit: 8 Folgen á 41-54 Minuten
Darsteller: Winona Ryder, David Harbour, Finn Wolfhard, Millie Bobby Brown, Gaten Matarazzo, Caleb McLaughlin, Natalia Dyer, Charlie Heaton, Cara Buono, Matthew Modine
Genre: Horror, Science Fiction, Mystery, Drama, Serie
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahre

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In der Kleinstadt Hawkins verschwindet der Junge Will spurlos. Seine verzweifelte, alleinerziehende Mutter wendet sich an die örtliche Polizei, während sich  Wills drei besten Freunde auf die Suche nach ihm machen und im Wald auf ein verstörtes Mädchen mit kahlgeschorenen Haaren stoßen. Wie sich wenig später herausstellt, hat sie paranormale Fähigkeiten und  behauptet, sie hätte Informationen über den Aufenthaltsort des vermissten Jungen. Plötzlich verschwindet ein weiterer Jugendlicher und die Sache nimmt immer mysteriösere Ausmaße an.

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Schon nach der ersten Folge wusste ich, dass sich „Stranger Things“ zu einer meiner Lieblingsserien der Neuzeit entwickeln würde. Die Stimmung, die alleine schon durch die grandiose Musik vermittelt wurde, hat mich vollkommen in ihren Bann gezogen. Aber es ist nicht nur die synthesizerlastige Musik, die den Charme dieser Netflix-Serie ausmacht: da wäre noch der Plot, die unglaublich gut gelaunten und fähigen Schauspieler, die diversen Anspielungen auf Filme der 80er Jahre und und und …
„Stranger Things“ ist fast schon eine Offenbarung für Menschen wie mich, die mit Filmen von Steven Spielberg, John Carpenter, Joe Dante und Ridley Scott aufgewachsen sind. Da purzeln die Hinweise auf besagte Regisseure und deren Filme nur so durch die acht Folgen des Mystery-Horror-Science Fiction-Dramas, dass es eine wahre Freude ist. Da hängen Plakate von „Tanz der Teufel“ und Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ an den Wänden der Jugendlichen, da werden Szenen aus „Alien“ oder „E.T“ liebevoll in eine eigenständige Handlung verpackt, so dass man schon der nächsten Einstellung entgegenfiebert, welcher Kultfilm aus den 80er Jahren sich darin eventuell verstecken könnte. Unter anderem hat es J.J. Abrams mit „Super 8“ vorgemacht, „Stranger Things“ perfektioniert diese Hommage an die 80er.

Aber nicht nur die geniale Musik von  Kyle Dixon und Michael Stein schafft die wunderbare Atmosphäre dieser Serien-Perle, man bekommt auch noch Hits von unter anderem The Clash, Foreigner, Echo & The Bunnymen, Tangerine Dream(!), Peter Gabriel,  Jefferson Airplane, Corey Heart und Vangelis(!) zu hören. Als Vangelis‘ wunderbarer Song „Fields Of Corals“ in der siebten Episode erklang, hatte ich buchstäblich Gänsehaut. Perfekt eingesetzte Musik …
Man fühlt sich in Zeiten von Joe Dantes „Explorers“, Spielbergs „E.T.“ und teilweise sogar an David Lynchs Kultserie „Twin Peaks“ zurückversetzt. Von den Kritikern wurde behauptet, dass „Stranger Things“ zwar als Hommage an die „alten“ Filme hervorragend funktionieren würde, sich aber nicht als eigenständige Serie behaupten könne. Diesen „Vorwurf“ kann ich absolut nicht nachvollziehen, denn die Drehbuchautoren haben sehr wohl eine eigenständige Handlung entworfen, die eben in vielen Dingen an die genannten Vorbilder erinnert. Aber eigenständig und gut durchdacht ist der Plot sehr wohl. Oft könnte man dem Irrglauben verfallen, Stephen King hätte seine Finger mit ihm Spiel gehabt (wahrscheinlich auch von den Autoren beabsichtigt, denn nicht umsonst erinnert der Schriftzug der Serie irgendwie an Stephen King).

Es gibt zudem ein Wiedersehen mit Winona Ryder, das unglaublich Spaß macht. Sie zeigt in ihrer Rolle, was sie (noch immer) drauf hat und kann vollends als sorgende Mutter überzeugen. Die Kinder in den Hauptrollen sind der Knaller. Sie spielen so professionell, dass man einfach nur begeistert sein kann. Wie sie miteinander umgehen, ihre Witze und die Mimik – da passt einfach alles. Ich bin absolut begeistert. Auch David Harbour (zurzeit in „Suicide Squad“ zu sehen) hat mich in seiner Rolle als Sheriff Jim Hopper uneingeschränkt überzeugt.  „Stranger Things“ kann also auch schauspielerisch vollkommen punkten.
Einige Handlungsstränge bleiben offen,  aber das wäre eigentlich nicht weiter tragisch, denn so ein mystisch, verrätseltes und offenes Ende hat schon auch eine gewisse Wirkung. Aber mittlerweile sind die Weichen für eine zweite Staffel wohl gestellt und die Macher können offene Fragen beantworten. 😉

Atmosphärisch, unheimlich, witzig, spannend, mysteriös … Alles ist vorhanden!

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Fazit: Cooler Plot, wahnsinnig gute Schauspieler, spitzenmäßige Musik … Die Hommage an die 80er-Jahre ist vollauf geglückt. Unbedingt ansehen!

© 2016 Wolfgang Brunner

American Horror Story – Freakshow – Season 4 – (2015)

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Originaltitel: American Horror Story – Freakshow
Regie: Bradley Buecker,  Michael Uppendahl, Ryan Murphy, Loni Peristere,  Craig Zisk
Drehbuch: Brad Falchuk, Ryan Murphy, James Wong, Tim Minear, John J. Gray, Jennifer Salt, Jessica Sharzer, Crystal Liu, Todd Kubrak, Ned Martel
Kamera: Michael Goi, Chris Manley
Musik: Mac Quayle
Laufzeit: 13 Episoden á 38 – 54  Minuten
Darsteller: Jessica Lange, Frances Conroy, Sarah Paulson, Finn Wittrock, Evan Peters, Lily Rabe, Emma Roberts, Kathy Bates, Angela Bassett, Dennis O’Hare, Skyler Samuels, Patti LaBelle, Michael Chiklis, Naomi Grossman
Genre: Horror, Mystery, Serie
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 18 Jahre

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Elsa Mars ist die Leiterin eines Wanderzirkus mit einer Gruppe menschlicher „Kuriositäten“. Im Jahre 1952 versucht sie verzweifelt in der verschlafenen Kleinstadt Jupiter mithilfe ihrer Freaks zu überleben. Ein zweiköpfiger Zwilling, eine bärtige Frau, ein im Kern lieber Muskelprotz und dessen Frau mit drei Brüsten sind nur einge der Mutanten. Doch dann bedroht eine dunkle Macht das Leben der Stadtbewohner und der Freaks …

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Ich war sehr gespannt, wie sich die Horrorserie nach der für mich eher schwächeren Staffel „Coven“ in der vierten Runde entwickeln würde. War ich schon von Season 1 und 2 absolut begeistert, so kann ich meine Begeisterung für die vierte Show schwer in Zaum halten. Was für eine emotionale, schauspielerische Wahnsinnsleistung von Jessica Lange. Aber auch alle anderen Beteiligten zeigen hier ihr geniales Können. Da gab es keinen Charakter, der störend oder unausgegoren wirkte, da passte einfach alles.
Sarah Paulson als zweiköpfiger Zwilling war einfach nur beeindruckend. Sie schaffte es wirklich, die beiden teils unterschiedlichen Charaktere hervorragend darzustellen. Auch Evan Peters in der Rolle des Jimmy Darling hat mich dieses Mal so richtig überzeugt. Michael Chiklis als im Grunde genommen herzensguter Muskelprotz hat es mir ebenso angetan wie Frances Conroy als Witwe Gloria Mott. Kathy Bates als bärtige Frau hat eine unglaublich gute Darstellung abgeliefert, die ihr absolut authentisch gelang.
Unbedingt erwähnt werden muss auch Naomi Grossman, die eine geistig behinderte Frau mit Mikrozephalie darstellt, hat mich besonders in einer Folge (Episode 10: „Waisen“) förmlich umgehauen und zu Tränen gerührt. Sie hat dermaßen emotional gespielt, das es schon fast weh tat.

Aber nun zum Star dieser Staffel: Jessica Lange. Sie erinnerte in ihrer Rolla als Elsa Mars an die Diven fast schon vergessener (Film-)Tage wie Marlene Dietrich oder Greta Garbo. Es ist ein Abenteuer, der Oscarpreisträgerin bei ihrer Charakterisierung zuzusehen. Alleine schon der Gedanke, wenn sie die Bowies Song „Life On Mars“ oder Lana Del Reys „In The Land Of God And Monsters“ in ihrer eigenen Art und Weise interpretiert, verursacht mir Gänsehaut. Diese musikalischen Einlagen könnte ich mir einmal täglich ansehen bzw. -hören. Das ist Kult vom Allerfeinsten.

Schockmomente oder überaus brutale Szenen bekommt man in dieser Staffel allerdings nicht zu sehen, dafür aber eine unglaublich tolle Atmosphäre und sehr emotional ausgearbeitete Charaktere. Da hätte man sich als Fan durchaus gewünscht, die Staffel hätte doppelt so viele Folgen gehabt. Die Horror-Elemente treten hier allerdings etwas in den Hintergrund (von dem Mörder mit der Clownsmaske und einigen anderen Dingen einmal abgesehen) und machen Platz für ein eher gefühlvolles Drama. Jeder der Protagonisten hat ein Schicksal zu ertragen und das macht diese Staffel so überaus menschlich und glaubwürdig. Und trotz aller Probleme möchte man am liebsten zusammen mit diesen ganzen Freaks in jener Zeit leben, wo es noch echten Zusammenhalt gab. Ich habe mich auf jeden Fall in jeder Episode wohl gefühlt.
Eine überaus einfallsreiche Idee ist, dass in der vierten Staffel für den aufmerksamen Zuschauer plötzlich Bezüge zur zweiten Staffel hergestellt werden. Laut den Machern der Serie sollen sich sämtliche Staffeln irgendwie miteinander verbinden. Da bin ich ja mal gespannt. 😉

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Fazit: Unglaublich emotional und atmosphärisch stellt „Freakshow“ für mich die bisher beste Staffel von „American Horror Storys“ dar. Jessica Langes Schauspielerleistung und die Gesangseinlagen sind die einer echten Diva. 🙂

© 2016 Wolfgang Brunner

American Horror Story – Coven – Season 3 – (2014)

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Originaltitel: American Horror Story – Coven
Regie: Bradley Buecker, Alfonso Gomez-Rejon, Michael Uppendahl, Ryan Murphy, Loni Peristere,  Craig Zisk, Anthony Hemmingway
Drehbuch: Brad Falchuk, Ryan Murphy, James Wong, Tim Minear, John J. Gray, Jennifer Salt, Jessica Sharzer, Crystal Liu, Todd Kubrak, Douglas Petry
Kamera: Michael Goi,  James Chressanthis, Tom Houghton
Musik: James S. Levine
Laufzeit: 13 Episoden á 38 – 54  Minuten
Darsteller: Taissa Farmiga, Evan Peters, Jessica Lange, Frances Conroy, Sarah Paulson, Lily Rabe, Emma Roberts, Kathy Bates, Angela Bassett, Gabourey Sidibe, Stevie Nicks
Genre: Horror, Mystery, Serie
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 18 Jahre

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Die jungen Hexen in Miss Robichaux’s „Akademie für außergewöhnliche junge Damen“ suchen nach einer Nachfolgerin, die den Hexenzirkel in Zukunft leiten soll. Neuankömmling Zoe gerät mitten in einen fürchterlichen Machtkampf. Fiona, eine leitende Oberhexe,  will die Hexen schützen, aber während sie nach Unsterblichkeit strebt, um die Leitung nicht abgeben zu müssen, trifft sie auf eine Voodoo-Königin,  die sich in die Geschehnisse einmischt.

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Durch die konstante Steigerung bei Staffel 1 und 2 war ich nun mehr als gespannt, was sich die Macher für die dritte Season haben einfallen lassen. Leider hat „Coven“ die überaus hohe Erwartung meinerseits nicht erreicht. Sicherlich steckt hinter der Geschichte wieder einmal eine grandiose Idee und die Schauspieler sind durch die Bank spitze, aber im Gesamtbild schwächelt hier der „American Horror Story“-Charakter. Das liegt vielleicht daran, dass es hier mehr um Teenager-Probleme geht, was ich persönlich gar nicht so schlimm gefunden hätte. Deshalb kann ich wohl auch gar nicht richtig erklären, woran es letztendlich scheiterte, mich vollends zu überzeugen. Vielleicht war es der manchmal aufkommende Klamauk-Charakter, der sich durch die komplette Season zog. Man wollte wohl versuchen, sich in dieser Staffel selbst nicht ganz ernst zu nehmen. Vor allem die zauberhafte Kathy Bates musste dran glauben und teilweise in lächerlich skurril wirkenden Szenen ihr bestes geben.

Insgesamt hat mir diese Staffel schon gefallen, was vor allem an Jessica Lange lag, die hier erneut bewies, dass sie für diese Serie wie geschaffen ist. Sie alleine war in dieser Staffel neben Lily Rabe die charismatische Hauptträgerin der dreizehn Folgen. Die Rolle von Frances Conroy mochte ich überhaupt nicht, sie hätte definitiv einen besseren Charakter verdient. Dennoch ist „Coven“ wieder auf hohem Niveau, was Serien betrifft und auch die teils splatterartigen Effekte (die allerdings viel zu selten vorkamen) konnten  sich durchaus sehen lassen. Kleines I-Tüpfelchen dieser Staffel war der Gastauftritt von Fleetwood Mac-Sängerin Stevie Nicks, die sogar ein paar Songs beisteuern durfte. Das war natürlich für Zuseher meines Jahrgangs eine nette Überraschung, die der Staffel dadurch ein paar Nostalgie- und dadurch Pluspunkte verlieh.

Ansonsten hat „Coven“ für mich das große Manko, nicht wie seine Vorgänger einen verstrickten, undurchsichtigen Plot  vorzuweisen, sondern eher eine geradlinige Geschichte erzählt. Das mag für den ein oder anderen Zuschauer durchaus ansprechend sein, mir fehlte einfach die Genialität der ersten beiden Staffeln. Doch selbst auf einen superkomplizierten Handlungsverlauf hätte ich gut und gerne verzichten können, wäre eine entsprechende Atmosphäre aufgekommen. Dies geschah jedoch meistens nicht, von ein paar Ausnahmen einmal abgesehen. Letztendlich ist meine Meinung aber genaugenommen nur ein Jammern auf hohem Niveau, denn auch die dritte Staffel hat unvergessliche Momente und Bilder, die unbedingt sehenswert sind. Im zweiten Drittel sind ein paar Momente, die sind ziemlich genial inszeniert (wenn z.B. Fiona Godde (Jessica Lange) gegen Myrtle Snow (Francis Conroy) und Hexenjägern vorgeht – das ist spitze und da lässt ja fast schon Tarantino grüßen 🙂 ). Gut gefallen haben mir vor allem die teils melancholisch anmutenden Szenen mit Jessica Lange. Gegen Ende hin kam mir das Ganze wie eine Art weiblicher Harry Potter für Erwachsene vor. Solch eine Entwicklung hätten die Macher nicht nötig gehabt, aber Geschmäcker sind nun mal verschieden. Ich hätte mir zu diesem Thema (Hexen) eine düstere Vorgehensweise der ersten beiden Staffeln gewünscht, dann wäre mit Sicherheit mehr draus geworden.

Aber … „American Horror Story: Coven“ ist dennoch unbedingt empfehlenswert für Freunde origineller und anspruchsvoller Horrorfilme. Und über den Cast brauche ich eigentlich gar kein Wort verlieren, denn die Schauspielerinnen und Schauspieler sind wie gewohnt allererste Sahne. Im Grunde genommen auch ein Plädoyer für starke Frauen, die sich gegen Rassismus und Männer erfolgreich zur Wehr setzen können.

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Fazit: Schlechteste (wenn man hier überhaupt von schlecht reden kann) und geradlinigste Staffel der Serie, was aber schlichtweg nur „Jammern auf hohem Niveau“ bedeutet.

© 2016 Wolfgang Brunner

American Horror Story – Asylum – Season 2 – (2012)

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Originaltitel: American Horror Story – Asylum
Regie: Bradley Buecker, Alfonso Gomez-Rejon, Michael Uppendahl, Ryan Murphy, Michael Lehmann, David Semel, Miguel Arteta, Tim Hunter, John Scott, Jeremy Podeswa, Michael Rymer
Drehbuch: Brad Falchuk, Ryan Murphy, James Wong, Tim Minear, Jennifer Salt, Jessica Sharzer,
Kamera: Michael Goi, John B. Aronson, Christopher Baffa
Musik: James S. Levine
Laufzeit: 13 Episoden á 38 – 54  Minuten
Darsteller: Joseph Fiennes, Dylan McDermott, Evan Peters, Jessica Lange, Frances Conroy, Sarah Paulson, Lily Rabe, Lizzie Brocheré, James Cromwell, Zachary Quinto, Franka Potente, Adam Levine
Genre: Horror, Mystery, Serie
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 18 Jahre

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Die Ärzte der Briarcliff-Nervenklinik reiben ihre Insassen in den Wahnsinn. Unter dem Regiment der übertrieben strengen Nonne Schwester Jude rücken die angeblichen Spezialisten den Geisteskrankheiten auf unkonventionelle Weisen zu Leibe. Dämonische Besessenheit, Entführungen durch Außerirdische oder die vermeintliche Ankunft des psychopathischen Frauenmörders „Bloody Face“ – die Nervenärzte des Irrenhauses müssen bald schon erkennen, dass ihre Wissenschaften gegen manche Phänomene nichts ausrichten können …

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Nach der grandiosen ersten Staffel war meine Erwartungshaltung, was „Asylum“ bieten würde, natürlich entsprechend hoch. Mit der ersten Season „Murder House“ hatten sich die Macher von „American Horror Story“ die eigene Meßlatte ziemlich hoch gesetzt. Erstaunlicher-, und natürlich erfreulicherweise haben sie die erste Season aus meiner Sicht sogar hier noch getoppt.
Altbekannte Gesichter erscheinen auf der Besetzungsliste, werden aber in völlig andere Rollen als in der ersten Season verteilt. Das macht Laune, zumal man sieht, wie sich die SchauspielerInnen auf andere Charaktere einstellen können (und das tun sie auch).

In der zweiten Staffel geht es bedeutend härter zu als in der ersten. Da bewegen sich manche Szenen schon sehr dicht an der Schmerzgrenze, was aber die unglaublich intensive Atmosphäre nur noch mehr unterstreicht. Da wird man schon desöfteren schockiert, wenn einer der Ärzte (toll, endlich mal wieder James Cromwell aus „Six Feet Under“ zu sehen) seiner sadistischen Neigung nachgibt. Es wird mit der katholischen Kirche und dem Thema des Machtmißbrauchs abgerechnet, außerdem spielt eine Nazivergangenheit und eine Entführung von Außerirdischen eine Rolle in dieser verrückten, manchmal völlig abgedrehten Staffel eine Rolle.
„Asylum“ wartet neben einer hervorragenden, düsteren Stimmung auch mit überraschenden Wendungen auf, die man wirklich nicht erwartet. Jessica Lange rückt erfreulicherweise mehr in den Vordergrund als in der ersten Staffel und vermag bereits hier so richtig zu begeistern.
Frances Conroy als Todesengel ist der Hammer! Jedes Mal, wenn sie in einer Folge auftaucht, stiehlt sie allen anderen die Show, grandios.

Wie schon in der ersten Staffel, kann auch „Asylum“ mit hervorragenden Schauspielern und teils beeindruckenden Kamerafahrten punkten. Die Story ist verwirrend und teils befremdlich, aber dennoch wieder geradezu hypnotisch und fast schon kafkaesk. Es sind Alpträume a la Clive Barker, die sich hier offenbaren und die zweite Season der innovativen Horror-Serie zu etwas besonderem machen. Vielen mag dieser besondere Mix aus verschiedenen Genre und die teils absurde Handlung zu heftig sein, mir persönlich hat genau diese Mischung gefallen, weil sie sich wieder einmal von den gängigen, klischeehaften Serien absolut abhebt und ihren eigenen Weg geht.

Die Musikeinlage von Jessica Lange mit „The Name Game“ ist eine wunderbarer, grandioser Einfall, der die Absurdität der ganzen Stafel noch einmal in aller Deutlichkeit zeigt. Als diese Sing- und Tanzeinlage begann, war für mich klar, dass „Asylum“ wirklich sehr, sehr außergewöhnlich ist und „American Horror Story“ definitiv das Zeug zu einer Kultserie hat.

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Fazit: Härter, düsterer und noch unkonventioneller als die erste Staffel.

© 2016 Wolfgang Brunner

American Horror Story – Murder House – Season 1 (2012)

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Originaltitel: American Horror Story – Murder House
Regie: Bradley Buecker, Alfonso Gomez-Rejon, Michael Uppendahl, Ryan Murphy, Michael Lehmann, David Semel, Miguel Arteta, Tim Hunter, John Scott
Drehbuch: Brad Falchuk, Ryan Murphy, James Wong, Tim Minear, Jennifer Salt, Jessica Sharzer,
Kamera: Michael Goi, John B. Aronson, Christopher Baffa
Musik: James S. Levine
Laufzeit: 12 Episoden á 38 – 54  Minuten
Darsteller: Connie Britton, Dylan McDermott, Evan Peters, Taissa Farmiga, Denis O’Hare, Jessica Lange, Frances Conroy, Alex Breckenridge, Jamie Brewer, Sarah Paulson, Lily Rabe
Genre: Horror, Mystery, Serie
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahre

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Die Familie Harmon zieht nach Kalifornien, um ihren Problemen zu entgehen und ein neues Leben zu beginnen: Ehemann Ben hatte eine Affäre mit einer seiner Studentinnen. Seine Frau Vivien hat eine Totgeburt hinter sich und Tochter Violet ist besessen von Selbstmordgedanken. Ihr neues Zuhause wird auch das Mörder-Haus genannt und mit der Zeit erfahren die Harmons immer mehr von den Vorfällen, die sich in dem Haus über all die Jahrzehnte hinweg zugetragen haben. Anscheinend bleibt die Seele eines jeden, der in diesem Haus stirbt, für immer in den Räumlichkeiten gefangen. Schleichend beginnen die Geister des Hauses Besitz von den Harmons zu ergreifen …

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Es gibt ja schon diverse Horrorserien, so dass man bei einer neuen mit nicht allzu großen Erwartungen herangeht, zumal sich die erste Staffel von „American Horror Story“ einem altbekannten Thema annimmt: Haunted House. Und gerade zu dieser Thematik gibt es unzählige Abhandlungen, die sich damit befassten und in der Regel nur selten einen neuen Weg einschlugen. Doch schon nach der ersten Episode von „Murder House“ wird man eines besseren belehrt: „American Horror Story“ geht definitiv neue Wege und leitet im Serien-Horror-Genre eine neue Dimension ein. Schon die Art der Inszenierung weist darauf hin, dass man es hier nicht mit einer Standard-Serie zu tun bekommt, die sich auf einen mainstreamtauglichen Plot einlässt. Freizügig wird da mit Sex und Gewalt umgegangen, aber auch mit psychologischen Ideen.
Vollkommen undurchsichtig wird man in eine Handlung geworfen, die nach Sichtung der ersten Folge eine Mischung aus völliger Ratlosigkeit und kompletter Begeisterung durch ihre innovative Art und Weise zurücklässt. Da werden Fäden in alle möglichen Richtungen ausgeworfen, denen man im Laufe der Serie verzweifelt nachzugehen versucht, um sie zu enträtseln. Nicht alle offenen Enden werden gelöst (oder doch?), aber man wird am Ende mit einer zufriedenen Begeisterung entlassen (fast schon in der Art eines David Lynch, der den Zuschauer ebenfalls ratlos, aber eben zufrieden begeistert stehen lässt).

Die Atmosphäre der Serie, die Kameraeinstellungen, die oft wirren Handlungsstränge, die sich erst im Laufe der zeit zu einem logischen Gesamtbild zusammenfügen – dies alles macht „American Horror Story“ zu einer der außergewöhnlichsten Horror-Serien, die ich kenne. Das Niveau ist absolut hochwertig, was aber nicht nur an den genannten Zutaten liegt, sondern auch an den hervorragenden Schauspielern.
Manches Mal musste ich an (die alte Verfilmung) von „Amityville Horror“ denken, manchmal aber auch an die schräge Welt eines David Lynch. „Murder House“ zieht einen von der ersten Folge an in seinen Bann und lässt einen einfach nicht mehr los. Das Suchtpotential dieser Serie ist äußerst hoch.

Man muss sich an die Machart gewöhnen, keine Frage. Aber hat man sich erst einmal darauf eingelassen, erwartet einen ein herrlich unkonventionelles Gruselspiel. Durch die ungewöhnlichen Schnitte und der unlinearen Inszenierung schafft es die erste Staffel von „American Horror Story“ auch handwerklich uneingeschränkt zu überzeugen.
Das Wiedersehen mit Jessica Lange hat ungeheuer Spaß gemacht, obwohl sie in der ersten Staffel noch nicht die große Rolle spielt, wie in den darauffolgenden drei Staffeln. Dafür können Connie Britton, Dylan McDermott und die vielen anderen Mitwirkenden zeigen, was in ihnen steckt. Frances Conroy in der Rolle als alternde Bedienstete ist einfach nur sehenswert.

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Fazit: Innovativer Einstieg der Horror-Serie. Ein bis zum Schluss undurchsichtiger Plot vermag über die ganze Staffel gleichbleibend zu begeistern.

© 2016 Wolfgang Brunner

Der Babadook (2014)

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Originaltitel: The Babadook
Regie: Jennifer Kent
Drehbuch: Jennifer Kent
Kamera: Radoslaw Ladczuk
Musik: Jed Kurzel
Laufzeit: 94 Minuten
Darsteller: Essie Davis, Noah Wiseman, Daniel Henshall, Hayley McElhinney, Barbara West, Benjamin Winspear
Genre: Horror, Drama
Produktionsland: Australien
FSK: ab 16 Jahre

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Samuels Mutter hat ihren Mann verloren und muss sich nun alleine um den Jungen kümmern. Als sie ihm eines Tages ein Kinderbuch mit dem Titel „Der Babadook“ vorliest, glaubt Samuel darin das Monster aus seinen Träumen zu erkennen. Seine Angst wird von Tag zu Tag schlimmer und ergreift schließlich auch seine Mutter. Alpträume und Realität verschmelzen miteinander zu einem erschreckenden Gesamtbild.

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Irgendwie habe ich den Eindruck, dass bei diesem Film die Meinungen sehr weit auseinandergehen. Die einen sind hellauf begeistert und bezeichnen „Der Babadook“ als besten Horrorfilm des Jahres, die anderen können dem Genremix wohl wenig bis gar nichts abgewinnen.
Ich wusste nicht, was mich erwartete, folglich ging ich also völlig unvoreingenommen an diesen Film heran. Und das war auch genauso gut, wie die Tatsache, dass ich mich von den schlechten Meinungen, die ich im Vorfeld gelesen hatte, nicht habe abschrecken lassen. Denn was Jennifer Kent hier abgeliefert hat, hat mich tief beeindruckt. Die Mischung aus Horror und Familiendrama hat mich voll erwischt und gänzlich in Atem gehalten. Man merkt kaum die Grenze, bei der die „normale“ Horrorstory in ein tiefgründiges, äußerst deprimierendes Psychodrama abdriftet. Mit einer unglaublichen Intensität inszenierte Kent eine Geschichte, in der das Gehirn eines Menschen immer krankhafter wird und schließlich die Grenze zwischen Realität und Einbildung vollkommen miteinander verschmelzen lässt.

Essie Davis stellt die kranke Mutter hervorragend und absolut überzeugend dar, während Noah Wiseman seine Rolle zwar ebenfalls gut spielt, aber leider mit einem teilweise sehr nervigen Charakter „gestraft“ ist. Es gibt manche Stellen, da wünschte ich mir, ein anderer Junge hätte diese Hauptrolle übernommen. Zu übertrieben wird die Angst dargestellt, dass sie oftmals leider nicht wirklich glaubhaft wirkt, sondern  gestellt. Das schadet dem Film aus meiner Sicht sehr, denn die wirklich hervorragende Stimmung wird dadurch an einigen Stellen leider zunichte gemacht.

Jennifer Kents Horrordrama arbeitet weniger mit klassischen Horrorelementen, obwohl der ein oder andere Schockmoment mit dabei ist, sondern zeigt, wie sich die Geborgenheit eines Kindes unter der Obhut seiner Mutter immer mehr zerbricht. Das ist schockierend und sehr dramatisch aufgezeigt und nimmt den Zuschauer, der sich auf solch ein Psychospiel einlassen kann, absolut mit.

„Der Babadook“ ist ein Hochglanzfilm mit einer erschütternden Thematik geworden, den ich im Grunde genommen gar nicht in die Kategorie „Horrorfilm“ stecken würde. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum viele Zuschauer absolut enttäuscht von diesem unterschätzten Film sind. Da gibt es keine spektakulären Spezialeffekte, keine übermäßigen Schockeffekte und kein Blut spritzt. Das Fehlen dieser Dinge bei einem Film, lässt diesen in der heutigen Zeit leider sehr schnell in die Kategorie „Langweiliger Müll“ fallen. Wer jedoch ein bisschen Hirn besitzt und sich nicht nur von Effekten blenden lassen kann, sondern auch einen mit Fingerspitzengefühl inszenierten Horror des wirklichen Lebens versteht, wird diesen Film so schnell nicht vergessen.
Für mich eindeutig eine Perle unter den heutigen „Horrorfilmen“, gerade weil er einen Horror zeigt, der passieren könnte. Und welcher Horror wäre schlimmer für ein Kind, als seine Familiengeborgenheit auf die hier gezeigte Art und Weise zu verlieren?

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Fazit: Kein Horrorfilm, sondern ein erschreckendes Psychogramm einer Mutter, die durch den Tod ihres Mannes den Bezug zur Realität verliert und ihrem Sohn das einzige nimmt, das ein Kind in  diesem Alter braucht: Geborgenheit! Horror aus dem wirklichen Leben.

© 2016 Wolfgang Brunner