German Angst (2015)

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Originaltitel: German Angst
Regie: Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski, Andreas Marshall
Drehbuch: Jörg Buttgereit, Andreas Marshall, Goran Mimica
Kamera: Sven Jakob
Musik: Fabio Amuri und Paolo Marzocchi (Musica Pesante)
Laufzeit: 111 Minuten
Darsteller: Milton Welsh, Annika Strauss, David Masterson,Matthan Harris, David Brückner, Denis Lyons,Daniel Faust
Genre: Horror
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 18 Jahren (uncut)

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Drei Geschichten über Liebe, Sex und Tod.
Final Girl: Ein junges Mädchen lebt mit ihrem Meerschweinchen scheinbar alleine in einer Wohnung in einem verlassenen Plattenbau in Berlin. Doch sie hält etwas im Schlafzimmer versteckt …
Make A Wish: Als ein gehörloses Liebespaar von Neonazies bedroht wird, verteidigt es sich mit Hilfe eines mysteriösen Talismans, der die Identitäten der Beteiligten vertauschen kann.
Alraune: Auf der Suche nach dem vollkommenen Sexerlebnis findet Starfotograf Eden schließlich die Erfüllung in einem Sexclub, dessen Mitglieder durch den Saft einer Alraune ekstatische Orgasmen erleben. Doch alles hat seinen Preis …

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 Eines vorweg: „German Angst“ ist einfach nur der Hammer! 😉

Die Kombination von drei Regisseuren (die ich übrigens einzeln jeden auf seine Weise schätze) könnte besser nicht sein. Obwohl jeder Film eigenständig ist, zieht sich ein roter Faden im Gehirn (und vor allem im Magen) des Zusehers durch das gesamte Projekt. Psychologischer Horror, der an die Nieren geht, der schockiert, unterhält und nachdenklich macht. „German Angst“ ist ein Ausnahmefilm, der für mich aus der Landschaft deutscher (und auch internationaler) Horrorfilme nicht mehr wegzudenken ist.
Die Geschichten sind typisch Buttgereit, Kosalowski und Marshall. Und dennoch haben sich die drei so manches Mal in ihren Geschichten selbst übertrumpft. Wo fange ich nur an? 🙂

Buttgereits „The Final Girl“ ist schon gleich zu Anfang ein atemberaubendes HD-Erlebnis, wenn die Kamera hautnah über Tier- und Menschenkörper gleitet und beeindruckende Bilder zeigt. Doch auch die Handlung hat es wahrlich in sich. Der wahre Schrecken dieser Episode liegt nicht in den blutigen Bildern und schockierenden Handlungsweisen der Protagonistin, sondern in der erschreckenden Erkenntnis, die sich dem Zuschauer offenbart, dass solch eine Geschichte wohl näher an der Wahrheit ist, wie manch einer glaubt. Das ist Horror pur, der elektrisiert. Buttgereit schlägt dem Zuschauer schon gleich zu Beginn des Horror-Tryptikons eine cineastische Faust in die Magengrube.

Michal Kosakowskis Beitrag findet ebenfalls eher in der Realität statt, wenngleich hier schon fantastische Elemente vorzufinden sind. Brisant aktuell widmet sich Kosakowski dem Thema „Ausländerfeindlichkeit“ und „Neonazismus“ und bringt einen, ebenfalls wie Buttgereit, zum Nachdenken. Der Plot geht auf und zeigt, dass nicht in jedem das steckt, was wir meinen, in ihm zu sehen. „Make A Wish“ schockiert gleichermaßen wie die Einstiegsepisode und hält Menschen, die nicht international denken, einen Spiegel vor. Verstörend wirkt das Ganze, wenn der Täter zum Opfer und umgekehrt wird. Schonungslos zeigt Kosakowski, wie „Ausländerfeindlichkeit“ wirklich funktioniert, wenn Rollen getauscht werden und aus Übermacht Ohnmacht wird.

Der letzte Beitrag mit dem Titel „Alraune“ stammt von Andreas Marshall und drängt etwas mehr ins Reich der Fantasie als die beiden vorangegangenen Episoden. „Alraune“ zeigt, welche Macht sexuelle Gelüste (und Erfüllungen) über einen Menschen haben können. Fast schon auf Lovecraft’schen Pfaden wandelt diese Geschichte und entführt den Zuschauer durch hypnotische Farbspielereien in eine Traumwelt, der man sich schwer entziehen kann. Ähnlich wie der Protagonist verfällt man den Verführungskünsten von Kira (beeindruckend dargestellt von Kristina Kostiv) und wartet gespannt, wie diese erotisch sinnliche und unheimlich schaurige Obszession endet.

Durchgehend künstlerisch, vorwiegend nachdenklich und extremst schockierend stellt „German Angst“ ein Meisterwerk des deutschen Genrefilms dar. Was hier auf die Beine gestellt wurde, verdient Respekt. Denn mit relativ geringem finanziellen Aufwand entstand ein Film, der professionell und keineswegs amateurhaft wirkt, wie man vielleicht durch die „Crowdfunding“-Enstehungsgeschichte vermuten könnte.
Anders als die internationalen „Mitbewerber“ „V/H/S“ oder „The ABC’s Of Death“ kümmern sich die drei deutschen Horrormeister nicht um gängige Mainstream-Klischees, sondern gehen konsequent ihren eigenen Weg. Und das tun sie so hervorragend, dass einem noch Tage danach beim Gedanken an die verstörenden Bilder der Atem stockt.
Ein wichtiger Punkt darf nicht vergessen werden: Die ruhige, fast schon melancholische Musikuntermalung von Fabio Amuri und Paolo Marzocchi (Musica Pesante) macht die gezeigten Gräuel weitaus schockierender, als hätte man sich für einen genretypischeren Soundtrack mit schrillen Geigendissonanzen entschieden.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich das Trio für eine Fortsetzung wieder zusammenfindet, denn besser kann Horror fast nicht sein. Man sollte sich vielleicht überlegen, ob man sich nicht den in gleichen Bahnen denkenden deutschen Regisseur Robert Sigl noch mit an Bord holt.

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Fazit: Verstörend, schockierend und psychologisch brutaler als in den gezeigten Bildern entführen uns drei Regisseure in einen Strudel aus realer und Lovecraft’scher Gewalt, der es in sich hat. „German Angst“ ist ein Muss für den Genrefreund und eine Empfehlung für all jene Kinogänger, die innovative Horrorfilme aus Deutschland bereits abgeschrieben haben. „German Angst“ zeigt nämlich beeindruckend das Gegenteil.

© 2015 Wolfgang Brunner

Eddie – The Sleepwalking Cannibal (2012)

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Originaltitel: Eddie
Regie: Boris Rodriguez
Drehbuch: Boris Rodriguez
Kamera: Philippe Kress
Musik: David Burns
Laufzeit: 90 Minuten
Darsteller: Thure Lindhardt, Georgina Reilly, Dylan Smith, Alain Goulem, Paul Braunstein, Stephen McHattie, Peter Michael Dillon, Alexis Maitland
Genre: Horror, Komödie
Produktionsland: Kanada, Dänemark
FSK: ab 16 Jahren

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Dem Maler Lars Olafsen fehlt schon seit Jahren die Inspiration, daher hat er schon lange kein gutes Bild mehr auf die Leinwand gebracht. Um wieder kreativ zu werden, nimmt er sich eine Auszeit und beginnt, an der Kunstakademie von Koda Lake als Lehrer zu unterrichten. Dabei begegnet er dem traumatisierten und stummen Eddie, der in der Nacht schlafwandelt und dabei Tiere niedermetzelt, um sie zu verspeisen. Lars wird von den blutigen Zwischenfällen plötzlich inspiriert und die beiden ungleichen Männer gehen eine skurrile Symbiose ein.

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„Eddie“ ist ein erfrischender Ausnahmefilm in Sachen Horrorkomödie. Schon alleine die Ausgangssituation verspricht einen interessanten Beitrag in Sachen Genrevermischung. Und man wird nicht enttäuscht. Zielsicher beschreitet Rodriguez in seinem Debütfilm den Grat zwischen sarkastischer Ironie und blutigem Gemetzel und fällt dabei niemals auf eine bestimmte Seite. Das gekonnt inszenierte Drama bietet harten Horror, sozialkritische Momente, witzige und skurrile Ideen und sogar einen Touch einfühlsames Drama. Rodriguez gelingt dieser Mix  wirklich gut und man vergisst teilweise tatsächlich, welches Genre man gerade sieht. Aber genau das ist es, was den Film so kurzweilig macht.

Die beiden Hauptdarsteller machen ihre Sache gut und im Laufe des Films steigt der Sympathiewert konstant höher. Diese außergewöhnliche Männerfreundschaft funktioniert.
Alain Goulem als Harry erinnert verblüffend an Richard Dreyfuss in seiner besten Zeit. Goulems Mimik (und irgendwie auch sein Aussehen 😉 ) ist dem von Dreyfuss wirklich erschreckend täuschend ähnlich.

Die Idee, wie die blutigen Morde des schlafwandelnden Eddie zu einer Inspiration des Malers werden, finde ich innovativ und glaubhaft umgesetzt. Das nenne ich mal eine andere Art von Muse für einen Künstler.
„Eddie“ ist ein netter Zeitvertreib, der nicht nur mit einer gelungenen Handlung unterhält, sondern auch sympathische Darsteller und tolle (Landschafts-) Aufnahmen vorzuweisen hat. Der Anteil von Komödie und Splatterhorror hält sich die Waage. Dadurch fühlt man sich bestens unterhalten. Man kann gespannt sein, was Regisseur Boris Rodriguez uns in der Zukunft noch präsentieren wird. Einen Pluspunkt hat er für mich jetzt schon: Es scheint, als kümmere er sich nicht besonders um konventionelle Mainstream-Plots.

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Fazit: Herrlich schräg, lustig und blutig. Rodriguez‘ Genremix klappt hervorragend. Freunde außergewöhnlicher Filme sollten auf jeden Fall zugreifen.

© 2015 Wolfgang Brunner

Cold In July (2014)

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Originaltitel: Cold In July
Regie: Jim Mickle
Drehbuch: Jim Mickle, Nick Damici
nach dem Roman von Joe R. Lansdale
Kamera: Ryan Samul
Musik: Jeff Grace
Laufzeit: 110 Minuten
Darsteller: Michael C. Hall, Sam Shepard, Don Johnson, Vinessam Shaw, Nick Damici, Wyatt Russell, Lanny Flaherty, Rachel Zeiger-Haag, Brogan Hall
Genre: Thriller, Drama, Literatur
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahren

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Richard Dane wacht in der Nacht auf und überrascht einen Einbrecher. In Notwehr erschießt Dane den Mann und wird von den Bewohnern als Held gefeiert. Doch es dauert nicht lange und der Vater des Erschossenen taucht auf und sinnt auf Rache. Dane muss um sein eigenen Leben und das seiner Familie fürchten. Doch schon bald stellt sich heraus, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Dane findet Hilfe bei Bob Luke, einem sehr eigenwilligen Gesetzeshüter.

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Regisseur Mickle hat mich schon mit „Vampire Nation“ und „We Are What We Are“ total fasziniert. Was er mit „Cold In July“ abgeliefert hat, fügt sich nahtlos in meine Begeisterungsliste ein. Ein abgefahrener Rache-Thriller, der in den Südstaaten spielt, und neben tollen Schauspielern viele unerwartete Wendungen bereithält.

Eines von Mickles Vorbildern muss wohl John Carpenter sein, denn durch die wahnsinnig stimmungsvolle Musik von Jeff Grace fühlt man sich desöfteren an Carpenters Kultfilme wie zum Beispiel „Die Klapperschlange“ oder „Assault – Anschlag bei Nacht (Das Ende)“ erinnert. Da kommt so manches Mal eine unglaublich gute Stimmung auf, die den Film zu einem beeindruckenden Erlebnis macht. Die wirklich überraschenden Wendungen haben mir außerordentlich gut gefallen, genauso wie das Wiedersehen mit „Miami Vice“ Don Johnson und „Six Feet Under“ Michael C. Hall. Die beiden spielen wunderbar. Daneben glänzt Sam Shepard in einer wie auf ihn zugeschnittenen Rolle.
Der Plot funktioniert so richtig gut und läßt niemals Langeweile aufkommen.
Inszenierung, Musik, ein gutes Drehbuch und das Zusammenspiel der drei Hauptprotagonisten macht „Cold in July“ zu einem echten Überraschungshit. Hinzu kommen die gekonnt und alles andere als aufdringlich verstreuten Anspielungen auf Kultfilme wie Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ oder Tarantinos „Kill Bill“. Das macht gute Laune und erweckt desöfteren den Eindruck, man sähe einen Kultfilm. Das Potential dazu hat Mickles satirischer Actionfilm auf alle Fälle.

Was als hochspannender, fast schon gruseliger Thriller beginnt, endet in einem witzigen und dennoch brutalen Actionreißer. Diese Mischung hat es wirklich in sich …

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Fazit: „Cold in July“ erinnert sehr stark an die besten Fime von John Carpenter und wandelt sich von einem dramatischen, beängstigenden Thriller in einen brutalen, mit Witzen gespickten, Actionfilm. Absolut sehenswert!

© 2015 Wolfgang Brunner

Gone Girl – Das perfekte Opfer (2014)

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Originaltitel: Gone Girl
Regie: David Fincher
Drehbuch: Gillian Flynn (nach ihrer eigenen Romanvorlage)
Kamera: Jeff Cronenweth
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Laufzeit: 149 Minuten
Darsteller: Ben Affleck, Rosamund Pike, Neil Patrick Harris, Tyler Perry, Lisa Banes
Genre: Drama, Krimi, Thriller, Literatur
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahren

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Es geschah am fünften Hochzeitstag! Amy und Nick wollten eigentlich dieses Jubiläum feiern. Als Nick heimkommt, ist Amy verschwunden und alles deutet auf ein Verbrechen hin. Eine Medienkampagne startet, um die vermisste Amy zu finden und während der polizeilichen Ermittlungen verstrickt sich Nick immer mehr in ein Netz aus Lügen, bis er schließlich selbst zum Haupttatverdächtigen wird.

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Gillian Flynns Drama hat  mich schon in Buchform absolut begeistert (nachzulesen hier). Als ich hörte, dass David Fincher die Verfilmung übernahm, wusste ich bereits im Vorfeld, dass mich eine kongeniale Umsetzung des Beziehungsdramas erwarten würde. Und selbstverständlich habe ich Recht behalten. 😉
Die Stimmung und die Charaktere der Romanvorlage wurden absolut gelungen in Bildern eingefangen. Besser hätte man es nicht machen können. „Gone Girl“ ist für mich ein Vorzeigebeispiel, bei dem ganz klar ersichtlich ist, dass Buch und Film verschiedene Medien sind. Da ist weder das Buch noch der Film besser oder schlechter, sondern beides ist für sich gesehen ein eigenes Meisterwerk.

Fincher bleibt seinem Stil treu und erzählt geradlinig und dennoch auf gewisse Weise liebevoll verschnörkelt eine Geschichte, die fasziniert. Das liegt zum einen an den wirklich hervorragenden Darstellern, zum anderen aber auch an der ruhigen Erzählweise, die von einer Sekunden auf die andere in einen brutalen, blutigen, düsteren und schockierenden Thriller umschwenkt. „Gone Girl“ enthält Szenen, die schon jetzt für mich Kult sind.

Die zweieinhalb Stunden vergehen wie im Flug, wenn man verfolgt, wie die Beziehung zwischen Amy und Nick im Verlauf der Handlung immer mehr bröckelt und zerfällt. Dass Flynn ihre Romanvorlage selbst als Drehbuch umgesetzt hat, wirkt sich defintiv aus, denn die Verfilmung hält sich sehr eng ans Buch und stellt den Leser eindeutig zufrieden. Wer das Buch nicht kennt, bekommt den „Geist“ des Dramas trotzdem in vollem Umfang mit, was ich persönlich sehr gut finde.

Wie schon das Buch wird Finchers Film zu einer psychologischen Fallstudie über einen verzweifelten Mann und seine Ehe, die nur noch zum Schein nach außen hin aufrecht gehalten wurde, bis es zum Eklat kam. Die überraschenden Wendungen kamen filmisch genauso rüber wie in der Romanvorlage. Eine handwerklich und darstellerisch perfekte Umsetzung eines literarischen Stoffes.

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Fazit: Perfekte Umsetzung der literarischen Vorlage. Meisterhafte Regie und glaubwürdige Darsteller machen „Gone Girl“ zu einem unglaublich beeindruckenden Erlebnis, das die Romanvorlage mit unvergesslichen Bildern umsetzt.

© 2015  Wolfgang Brunner

Alleingang (2012)

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Originaltitel: Alleingang
Regie: Hartmut Schoen
Drehbuch: Hartmut Schoen
Kamera: Eeva Fleig
Musik: Matthias Frey
Laufzeit: 89 Minuten
Darsteller: Alexander Held,  Armin Rohde, Maria Schrader, Matthias Koeberlin, Oliver Wnuk, Christina Große, Peter Kremer
Genre: Krimi, Thriller, Drama
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 12 Jahren

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Dem Sträfling Mattock gelingt die Flucht. Durch eine Geiselnahme kann er die Bereitstellung eines Zuges verlangen, mit dem er seine Flucht fortsetzen will. Außerdem verlangt er das Erscheinen des Polizisten-Duos Zuckmaier und Schübel. Ersterer hatte Mattock hinter Gitter gebracht. Zuckmaier muss sich nun nicht nur dem gefährlichen Verbrecher Mattock stellen, sondern auch seinem ehemaligen Kollegen Schübel, wegen dem ihn seine Exfrau Sonja vor zwei Jahren verlassen hat. Mattock entlässt seine Geiseln nur aus seiner Gewalt, wenn Zuckmaier und Schübel sich im Austausch zu ihm in den Zug begeben.

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„Alleingang“ ist eine spannende und gelungene Mischung aus Krimi, Thriller und Drama. Hartmut Schoen kann Geschichten erzählen und, in diesem Fall mit Hilfe der Schweizer Kamerafrau Eeva Fleg, in tolle Bilder einfangen. Ich kann gar nicht verstehen, dass viele Zuseher den Film zwar gut, aber streckenweise langatmig fanden. Denn gerade die leisen Zwischentöne waren es, die mich während der vielen Actionsequenzen so richtig begeistert haben. Da wurde nicht nur wild um sich geschossen, sondern es wurde auch geredet.

Ich wüsste nicht, wen der beiden Hauptdarsteller ich mehr loben sollte. Armin Rohde konnte mich vollends in seiner aggressiven Verbrecherrolle überzeugen. Das hat ungemein Spaß gemacht, seinem Spiel zuzusehen. Hier konnte Rohde auch zeigen, wie wandelbar er ist.
Aber Alexander Held war für mich dann doch irgendwie der wahre Hauptakteur. Mit seiner ruhigen und sehr natürlichen, sympathischen Art hat mich der Münchner vollkommen in seinen Bann gezogen. Sein Agieren wurde noch durch seinen wunderbaren Münchner Dialekt in der angenehmen Stimme unterstützt.

Schoenes Thriller-Drama ist insgesamt fabelhaft besetzt, wenn man einmal von der wirklich nervigen Rolle für Oliver Wnuk absieht, die den Charme des Films leider, wenn auch nur minimal, leicht kaputtgemacht hat. Aber Rohde und Held haben letztendlich zusammen mit Maria Schrader das Niveau des Films aufrecht gehalten, sodass man über diesen kleinen Negativpunkt getrost hinwegsehen kann. „Alleingang“ ist einer jener Ausnahmefilme aus Deutschland, die sich sogar vom angeblich von den Zuschauern geforderten Mainstream fortbewegen und einen eigenen Weg gehen. Hinzu kommt das brillante und beeindruckende Schauspiel von Armin Rohde und Alexander Held, die in ihren Rollen aufgehen und fast schon ein Kammerspiel für zwei Personen aufführen. Man wünscht sich, es gäbe mehr solcher Thriller-Dramen, die einen von der ersten Sekunde bis zum unkonventionellen Ende mitreissen.

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Fazit: Armin Rohde und Alexander Held legen eine schauspielerische Glanzleistung ab. Vom gewöhnlichen Krimi abweichend, inszenierte Hartmut Schoen einen mal spannenden, mal ernsten Thriller, der letztendlich dann doch den Gesamteindruck hinterlässt, man habe ein Drama gesehen.

© 2015 Wolfgang Brunner

Interview mit dem Komponisten Frank Nimsgern

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Schon als Kind hatte Frank Nimsgern durch seinen Vater, Opernsänger und Grammy-Preisträger Siegmund Nimsgern, Kontakt zur Musik. Fast zehn Jahre absolvierte er klassischen Klavierunterricht, bevor er Komposition und Arrangement am Salzburger Mozarteum studierte.
Nimsgern ist in unterschiedlichen Musikrichtungen unterwegs und feiert derzeit am Staatstheater Saarbrücken ein  Wiedersehen mit der Neuinszenierung seines schrillen Musicals „Paradise Of Pain“. Aber auch die Filmmusik ist eine Sparte, die der Komponist gerne bedient. Aus diesem Grund freue ich mich sehr, dass mir Frank Nimsgern die Möglichkeit gab, ein Interview mit ihm zu führen.

  1. Du bist in vielen Musikrichtungen aktiv. Ich gehe davon aus, dass Du auch sehr unterschiedliche Vorbilder hast. Verrätst Du mir, welche Musiker Dich beeinflussten und vielleicht sogar noch immer beeinflussen?Richard Wagner , Beethoven , Peter Gabriel , Steve Lukather , Hans Zimmer und seine Gang , John Williams , Bach , Mozart , Vivaldi, meine Tochter u .v .m

    2. Deine Filmmusiken z.B. zu diversen Tatort-Folgen oder Robert Sigls „Hepzibah“ sind sehr atmosphärisch. Hast Du vorab zu dem Thema schon Melodien und Soundeffekte im Kopf oder komponierst Du ausschließlich zur Rohfassung des Films?Beides, denn ich muss das komponieren, was der Regisseur von mir erwartet oder eben genau das, was er nicht erwartet. Zusätzlich aber auch, wo ich überraschen soll und muss, sonst wäre ich nur Dienstleister und schnell austauschbar.

    3. Aus Deinen Soundtracks hört man, dass Du selbst Filmfan bist. Welche Filme bevorzugt der private Frank Nimsgern?Ja ich bin Bekennender Cineast von „Clockwork Orange“ über „24“ , Breaking Bad“ bis hin zu „Interstellar“.

    4. Welches Projekt wäre Deine größte Herausforderung?

    Zur Zeit eines mit Chris Nolan

    5. Klassische Musik, Pop, Rock, Filmmusik oder Musical? Hand aufs Herz: Was komponierst Du am liebsten?

    Filmmusik und Musical, denn beide lassen mir alle Freiheiten und sind frei vom formatierten Radioformat.

    6. Du bist ein sehr erfolgreicher Musical-Komponist. Welches Deiner Musicals würdest Du am liebsten als aufwendigen Kinofilm auf der Leinwand sehen?

    Ich bin in der glücklichen Lage, dass zwei meiner Werke für die ARD aufgenommen worden sind- „SnoWhite“ und „Paradise of Pain“. Ansonsten wäre eine Kinofassung von unserem Thriller-Musical „POE „ ein Traum von mir.

    7. Wie kam es eigentlich dazu, dass Du für TUI Cruises das fabelhafte, genreübergreifende Werk „Aqua“ komponiertest?

    Ich wurde damals im Hinterhof vom Berliner Friedrichstadtpalast nach den Proben von unserer tollen „Qi“ Produktion von zwei skurrilen Typen angesprochen, dass ich die Headliner-Shows für eine neue Schiffsflotte schreiben soll . Ich war anfangs sehr skeptisch, stieg aber darauf ein und war quasi Mitgründer von TUI Cruises Entertainment, welche heute, 7 Jahre später, fast über 300 Mitarbeiter beschäftigt . „Aqua“ war jahrelang die Headliner-Show auf „Mein Schiff 1 und 2„.
    Ich komme gerade aus Finnland, wo wir in Turku die „Mein Schiff 4 Delivery Party“ mit einem neuen Opening von mir eröffnet haben. Auf der Bühne stand ich dort gerade in Finnland mit diesen damals skurrilen Typen aus dem Berliner Hinterhof und zwei prächtigen Musiker: Dr.Thomas Schmidt Ott und Stargeiger Wolfram Korr.

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    8. Kannst / Willst / Darfst Du verraten, für welchen Film Deine nächste Filmmusik sein wird?

    Ein TATORT ist in Vorbereitung und der neue Thriller von Robert Sigl. Aber man weiss ja nie, ob die Filme auch gedreht werden. Somit freue ich mich über jede Anfrage.

    9. Welchen Hobbys gehst Du in Deiner Freizeit, sofern vorhanden, nach?

    Cardio, Kraftsport 5 Mal pro Woche, Familie und Tochter.

    10. Welchen noch lebenden oder auch bereits verstorbenen Filmmusikkomponisten würdest Du gerne treffen?

    Die Liste ist lang. Aber Mozart und Wagner wäre eine Zeitreise wert.

    11. Was sind die fünf wichtigsten Dinge in Deinem Leben?

    Gesundheit – Lieben und geliebt werden – Mein(e) Kinder & Familie – Frieden – Leidenschaft

    Vielen Dank, dass Du Dir Zeit für die Beantwortung meiner Fragen genommen hast. Film-Besprechungen wünscht Dir für die private und musikalische Zukunft alles Gute.

    Wer mehr über Frank Nimsgern wissen möchte, sollte sich auf seiner Homepage unter http://www.nimsgern.de umsehen.

    Besser Facebook 🙂

    © 2015 Frank Nimsgern / Wolfgang Brunner

 

Rec 4 – Apocalypse (2014)

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Originaltitel: Rec 4 – Apocalypse
Regie: Jaume Balagueró
Drehbuch: Jaume Balagueró, Manu Diez
Kamera: Pablo Rosso
Musik: Arnau Bataller
Laufzeit: ca. 95 Minuten
Darsteller: Manuela Velasco, Paco Manzanedo, Hector Colome, Mariano Venancio, Ismael Fritschi, Críspulo Cabezas, Paco Obregón
Genre: Horror
Produktionsland: Spanien
FSK: ab 16 Jahren

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Die TV-Reporterin Angela Vidal wird aus dem abgeschotteten Gebäude der ersten beiden Teile befreit. Sie wird auf einen Öltanker gebracht, der völlig isoliert ist, um einen erneuten Ausbruch der Krankheit zu verhindern. Dort soll Angela untersucht werden. Doch mit ihr ist leider der Schrecken an Bord gekommen …

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Nachdem ich vom dritten Teil der REC-Reihe wirklich sehr enttäuscht war (nachzulesen hier), stimmte mich der vierte Nachschlag dann doch wieder ein wenig milder. „Rec 4“ ist auch nicht das Gelbe vom Ei, wenn man ihn mit den ersten beiden Teilen vergleicht, aber dennoch ist es eine Entwicklung, die mir wieder bedeutend besser gefällt, als Paco Plazas Alleingang. Bei „Rec 4“ übernahm Jaume Balagueró wieder die Regie (dieses Mal alleine), was dem Film sichtlich gut tat.

Der Einstieg versetzt einen sofort wieder zurück in die ersten beiden Teile, denn man befindet sich wieder in jenem Haus, in dem der ganze Horror begann. Das lässt den Zuseher sofort wieder in die gute und spannende Stimmung fallen. Was mir außerdem besonders gut gefallen hat, war, wie die ersten beiden Teile und der dritte Teil stimmig in die Handlung des vierten Teils integriert wurden. Das war äußerst gelungen und glaubwürdig gemacht. Erfrischend ist, dass die Handlung auf ein abgeschottetes Schiff verlegt wurde und somit nicht langweilig oder abgekupfert von den ersten beiden Teilen wirkte.

Die erste Hälfte des Films wirkt etwas langweilig und es dauert eine Weile, bis das Ganze dann so richtig Fahrt aufnimmt. Aber gerade die ruhigen Stellen am Anfang haben mir gefallen. Was nicht heißen soll, dass mir die Attacken der Infizierten nicht gefallen hätten, aber aus meiner Sicht wurde dann gegen Ende hin einfach zu viel aufgedreht. Das hätte ruhiger und atmosphärischer wahrscheinlich eine weitaus größere Wirkung gehabt. Balagueró inszenierte teilweise Szenen, die mich an Peter Jacksons „Braindead“ oder „Armee der Finsternis“ erinnerten. Da war zu viel Blut und Splattergemetzel, wie ich finde.

Schauspielerisch und auch inszenatorisch kann man aber bei „Rec 4“ nicht meckern. Und auch die teilweise Rückbesinnung auf die Wurzeln der Serie verleiten mich zu einen weiteren Pluspunkt. „Rec 4“ ist sehenswert, übertrumpft Teil 3 bei Weitem, kann aber die Qualität der ersten beiden Filme leider nicht erreichen, obgleich eine stimmige Weiterführung der Handlung gelungen ist.

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Fazit: Besser als Teil 3 erreicht „Rec 4“ aber nicht die gruselige und beklemmende Atmosphäre der ersten beiden Teile. Dennoch sehenswert und überzeugend, wenngleich das Ende zu übertrieben blutig und splatterig auf mich wirkte.

© 2015 Wolfgang Brunner

Der Frosch mit der Maske (1959)

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Originaltitel: Frøen med masken / Der Frosch mit der Maske
Regie: Harald Reinl
Drehbuch: Trygve Larsen, J. Joachim Bartsch
Kamera: Ernst W. Kalinke
Musik: Willy Mattes
Laufzeit: 90 Minuten
Darsteller: Joachim Fuchsberger, Eva Anthes, Siegfried Lowitz, Jochen Brockmann, Karl Lange, Dieter Eppler, Eva Pflug, Eddi Arend
Genre: Krimi, Literatur
Produktionsland: Dänemark, Deutschland
FSK: ab 12 Jahren

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Seit vielen Jahren haben die Einwohner Londons Angst vor dem „Frosch mit der Maske“, dem Anführer einer Verbrecherbande. Einbrüche und sogar Morde gehen auf das Konto der Gangster. Inspektor Elk und der Neffe des Scotland Yard-Chefs wollen auf getrennten Wegen dem mysteriösen „Frosch“ das Handwerk legen.

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Oftmals wurde dieser ersten deutschen Edgar Wallace-Verfilmung der Nachkriegszeit das Prädikat „Kultfilm“ verliehen, mich konnte „Der Frosch mit der Maske“ allerdings nicht so ganz überzeugen. Das lag aber nicht einmal an der Inszenierung, die fast schon hitchcockmäßig mit viel Licht und Schatten aufwarten kann, sondern eher an den vielen Hauptpersonen, die sich durch den Film schlugen. Als Zuschauer konnte man sich weder auf Joachim „Blacky“ Fuchsberger noch auf Siegfried Lowitz richtig konzentrieren. Das fand ich irgendwie schade.

Handlungstechnisch ist der Krimi relativ einfach gestrickt und kann im Grunde genommen nur durch seine oftmals hervorragenden und stimmungsvollen Schwarzweiß-Bilder punkten. Die Drehorte sind absolut gut gewählt und besitzen einen unheimlichen, oft aber auch geradezu heimeligen Aspekt, der dem Film absolute Pluspunkte beschert.

Unabstreitbar ist, dass mit dieser Produktion der deutsche (Kriminal)Film einen unerwarteten Aufschwung bekam und den Grundstock für unzählige Edgar Wallace-Verfilmungen legte. Die düstere und gruselige Atmosphäre hat Regisseur Reinl fantastisch eingefangen und es wird auch nicht mit atmosphärischen Einlagen wie Stürmen, einsam gelegenen Häusern oder anderen nebelverhangenen Schauplätzen gespart. Diese Szenen sind es auch, die „Der Frosch mit der Maske“ zumindest zu einer „Art Kultfilm“ machen. Personenbezogen hat man sich aus meiner Sicht allerdings bei diesem Krimi leider verzettelt.

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Fazit: Der Beginn eines deutschen Filmwunders. Stimmungsvolle Adaption eines der bekanntesten Romane aus der Feder von Edgar Wallace, verliert die Handlung durch die Vielzahl der „Hauptpersonen“ seinen Reiz. Dennoch eindeutig schon auf dem Weg zum „Kult“.

© 2015 Wolfgang Brunner

Party Invaders (2013)

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Originaltitel: +1
Alternativtitel: Plus One
Regie: Dennis Iliadis
Drehbuch: Bill Gullo
Kamera: Mihai Mălaimare, Jr.
Musik: Nathan Larson
Laufzeit: 96 Minuten
Darsteller: Rhys Wakefield, Ashley Hinshaw, Natalie Hall, Rhoda Griffis, Logan Miller, Marla Malcolm, Megan Hayes, Colleen Dangel, Suzanne Dangel
Genre: Science Fiction, Thriller
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahren

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Die größte College-Party der Stadt steigt und David und Teddy wollen natürlich dabei sein. David will aber in erster Linie seine Freundin Jill für sich zurückgewinnen, während Teddy darauf aus ist, endlich eine richtige Frau kennenzulernen. Während die Party von einem Höhepunkt zum nächsten kommt, schlägt in der Nähe des Geländes ein Meteorit ein. Und plötzlich hat jeder Gast im Haus einen Doppelgänger …

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Was als „normaler“ Teenie-College-Party-Film beginnt, entwickelt sich zu einem außergewöhnlichen Zeitschleife-Science Fiction-Horror-Trip. „Party Invaders“, der im Original den weitaus besseren Titel „+ 1“ trägt, ist ganz klar ein Ausnahmefilm in Sachen Zeitschleife. Sehr originell und, wenngleich oftmals unlogisch, wird hier eine Idee entwickelt, die durchgehend Spaß macht.

Die Zeit, bis die Protagonisten ihren Doppelgängern begegnen, ist durchaus unterhaltsam inszeniert und niemals langweilig. Die Liebesgeschichte, die sich eher im Hintergrund hält und nur als Lückenfüller dient, kann nicht so ganz überzeugen. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn die Versuche des Hauptdarstellers, seine große Liebe, die er durch einen Fehltritt verloren hat, wieder zurückzugewinnen, ist dennoch in den meisten Momenten nachvollziehbar und auch glaubwürdig. Hauptdarsteller sind allerdings die Doppelgänger beziehunsgweise ihr regelmäßiges Auftauchen mittels einer Zeitschleife. Diese Umsetzung ist reizvoll und witzig, so dass, obwohl „Party Invaders“ zwar nicht der große Wurf ist, er aber dennoch unglaublich Spaß macht.

Die Darsteller sind durchwegs talentiert und machen ihre Sache wirklich gut. Aufgefallen sind mir die Zwillinge Colleen und Suzanne Dangel in ihren Rollen als Allison und deren Doppelgängerin. Den beiden zuzusehen hat so richtig Spaß gemacht. Colleen Dangel erinnnerte mich oftmals an die allzeit deprimierte Claire Fisher (von Lauren Ambrose dargestellt) aus der hochgelobten Serie „Six Feet Under“.

Wie gesagt, „Party Invaders“ ist sicherlich kein Genre-Meisterwerk, aber einen Blick ist er allemal wert, denn die Umsetzung des Zeitschleifen-Paradoxons ist auf alle Fälle gelungen und besitzt guten Unterhaltungswert. Hinzu kommt der Genremix aus Liebes-, Science Fiction- und Horrorfilm, der uneingeschränkt funktioniert.

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Fazit: Erfrischender Zeitschleifen-Party-Science Fiction-Horror-Mix mit guten Jungschauspielern, der mit Spannung und Amüsement gekonnt die Waage hält. Kein Genre-Meisterwerk, aber defintiv einen Blick wert.

© 2015 Wolfgang Brunner

Schramm (1993)

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Originaltitel: Schramm
Regie: Jörg Buttgereit
Drehbuch: Jörg Buttgereit, Franz Rodenkirchen
Kamera: Manfred O. Jelinski
Musik: Max Müller, Gundula Schmitz
Laufzeit: 65 Minuten
Darsteller: Florian Koerner von Gustorf, Monika M, Micha Brendel, Carolina Harnisch, Xaver Schwarzenberger, Gerd Horvath, Michael Brynntrup
Genre: Drama, Horror
Produktionsland: Deutschland
FSK: ungeprüft

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Lothar Schramm ist ein schüchterner, einsamer Mann, der nur soziale Kontakte zu seiner Nachbarin pflegt. Unfähig, eine Beziehung mit einer Frau zu führen, gibt Schramm seiner dunklen Seite nach und tötet Menschen, um sie nackt zu fotografieren, damit er sich anschließend zumindest mit diesen Bildern sexuell stimulieren kann.

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Für die einen uninspirierter, sinnloser Müll, für die anderen ein künstlerisches und schockierendes Porträt eines Serienkillers. Ich gehöre zu den anderen ;), denn ich finde Buttgereits Low-Budget-Produktion absolut interessant und gelungen. „Schramm“ gehört für mich auch zu den wenigen Ausnahmen, die zeigen, was man mit wenig Geld auf die Beine stellen kann.
Keine Frage: Man sieht Buttgereits Film desöfteren an, dass er mit geringem Aufwand gedreht wurde. Aber vielleicht ist es genau diese Tatsache, die diesen Trip in die menschlichen Abgründe so realitätsnah macht. Der Zuschauer rückt dem Protagonisten buchstäblich auf den Leib, nimmt an seinem abgedrehten , unbefriedigenden und intimen Leben teil, als wäre er ein Voyeur. Das erinnerte mich stark an „Cannibal“.

Schonungslos wird gezeigt, wie ein Mann mit seiner Sexualität umgeht, die er ohne Partner ausleben muss. Man bekommt einen Einblick in den tristen Alltag eines Mannes, der mit aller Gewalt sexuelle Befriedigung und körperliche Liebe erlangen will. Völlig unpornografisch bekommt der Zuschauer nicht nur den Penis des Protagonisten in Großaufnahme zu sehen, sondern nimmt auch an außergewöhnlichen „Selbstbefriedigungen“ teil.

Ich habe Buttgereits Film etwa ein Jahr nach dessen Entstehung das erste Mal gesehen und war damals einerseits schockierend fasziniert und andererseits enttäuscht, weil ich ein unperfektes „Machwerk“ serviert bekam, dass im ersten Moment „stümperhaft“ auf mich wirkte. Heute, circa 20 Jahre später, sehe ich „Schramm“ plötzlich mit völlig anderen Augen und erkenne sehr wohl die künstlerischen Ambitionen, die Buttgereit (aus meiner Sicht ziemlich gut) verfolgt. Filmkenner ahnen, welche Regiegrößen als Vorbilder dienten, wobei Buttgereit ganz klar seinen eigenen Weg geht. An einigen Stellen dachte ich tatsächlich, ich sehe gerade einen Film von Lars von Trier.

„Schramm“ polarisiert. Unspektakulär werden vereinzelt Splatterelemente in die ansonsten triste, bedrückende und deprimierende Handlung eingestreut und rütteln den Zuseher für Sekunden wach. Florian Koerner von Gustorf spielt die Rolle des einerseits sympathischen und bemitleidenswerten, andererseits kaltblütigen Vergewaltigers und Mörders Lothar Schramm nüchtern und augenscheinlich emotionslos, wobei dennoch erstaunlicherweise Gefühle im Zuschauer freigesetzt werden. In oft ästhethischen Bildern zeigt „Schramm“, wie ein verzweifelter Mann immer tiefer in einen Strudel aus Gewalt und erzwungenem Sex fällt, aus dem es letztendlich kein Entkommen gibt. Durch den hervorragend auf die Bilder abgestimmten Soundtrack kommt eine sehr bedrückende Stimmung zustande, die sich durch den gesamten Film zieht. Ich würde „Schramm“ als verstörendes, surrealistisches und visionäres kleines Meisterwerk völlig abseits des Mainstreams bezeichnen.

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Fazit: Beklemmende, düstere und absolut realistische Charakterstudie eines verzweifelten Mannes, der auf der Suche nach Liebe und Sex nur Gewalt und Tod findet.

© 2015 Wolfgang Brunner