German Angst (2015)

German_angst

Originaltitel: German Angst
Regie: Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski, Andreas Marshall
Drehbuch: Jörg Buttgereit, Andreas Marshall, Goran Mimica
Kamera: Sven Jakob
Musik: Fabio Amuri und Paolo Marzocchi (Musica Pesante)
Laufzeit: 111 Minuten
Darsteller: Milton Welsh, Annika Strauss, David Masterson,Matthan Harris, David Brückner, Denis Lyons,Daniel Faust
Genre: Horror
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 18 Jahren (uncut)

*

Drei Geschichten über Liebe, Sex und Tod.
Final Girl: Ein junges Mädchen lebt mit ihrem Meerschweinchen scheinbar alleine in einer Wohnung in einem verlassenen Plattenbau in Berlin. Doch sie hält etwas im Schlafzimmer versteckt …
Make A Wish: Als ein gehörloses Liebespaar von Neonazies bedroht wird, verteidigt es sich mit Hilfe eines mysteriösen Talismans, der die Identitäten der Beteiligten vertauschen kann.
Alraune: Auf der Suche nach dem vollkommenen Sexerlebnis findet Starfotograf Eden schließlich die Erfüllung in einem Sexclub, dessen Mitglieder durch den Saft einer Alraune ekstatische Orgasmen erleben. Doch alles hat seinen Preis …

*

 Eines vorweg: „German Angst“ ist einfach nur der Hammer! 😉

Die Kombination von drei Regisseuren (die ich übrigens einzeln jeden auf seine Weise schätze) könnte besser nicht sein. Obwohl jeder Film eigenständig ist, zieht sich ein roter Faden im Gehirn (und vor allem im Magen) des Zusehers durch das gesamte Projekt. Psychologischer Horror, der an die Nieren geht, der schockiert, unterhält und nachdenklich macht. „German Angst“ ist ein Ausnahmefilm, der für mich aus der Landschaft deutscher (und auch internationaler) Horrorfilme nicht mehr wegzudenken ist.
Die Geschichten sind typisch Buttgereit, Kosalowski und Marshall. Und dennoch haben sich die drei so manches Mal in ihren Geschichten selbst übertrumpft. Wo fange ich nur an? 🙂

Buttgereits „The Final Girl“ ist schon gleich zu Anfang ein atemberaubendes HD-Erlebnis, wenn die Kamera hautnah über Tier- und Menschenkörper gleitet und beeindruckende Bilder zeigt. Doch auch die Handlung hat es wahrlich in sich. Der wahre Schrecken dieser Episode liegt nicht in den blutigen Bildern und schockierenden Handlungsweisen der Protagonistin, sondern in der erschreckenden Erkenntnis, die sich dem Zuschauer offenbart, dass solch eine Geschichte wohl näher an der Wahrheit ist, wie manch einer glaubt. Das ist Horror pur, der elektrisiert. Buttgereit schlägt dem Zuschauer schon gleich zu Beginn des Horror-Tryptikons eine cineastische Faust in die Magengrube.

Michal Kosakowskis Beitrag findet ebenfalls eher in der Realität statt, wenngleich hier schon fantastische Elemente vorzufinden sind. Brisant aktuell widmet sich Kosakowski dem Thema „Ausländerfeindlichkeit“ und „Neonazismus“ und bringt einen, ebenfalls wie Buttgereit, zum Nachdenken. Der Plot geht auf und zeigt, dass nicht in jedem das steckt, was wir meinen, in ihm zu sehen. „Make A Wish“ schockiert gleichermaßen wie die Einstiegsepisode und hält Menschen, die nicht international denken, einen Spiegel vor. Verstörend wirkt das Ganze, wenn der Täter zum Opfer und umgekehrt wird. Schonungslos zeigt Kosakowski, wie „Ausländerfeindlichkeit“ wirklich funktioniert, wenn Rollen getauscht werden und aus Übermacht Ohnmacht wird.

Der letzte Beitrag mit dem Titel „Alraune“ stammt von Andreas Marshall und drängt etwas mehr ins Reich der Fantasie als die beiden vorangegangenen Episoden. „Alraune“ zeigt, welche Macht sexuelle Gelüste (und Erfüllungen) über einen Menschen haben können. Fast schon auf Lovecraft’schen Pfaden wandelt diese Geschichte und entführt den Zuschauer durch hypnotische Farbspielereien in eine Traumwelt, der man sich schwer entziehen kann. Ähnlich wie der Protagonist verfällt man den Verführungskünsten von Kira (beeindruckend dargestellt von Kristina Kostiv) und wartet gespannt, wie diese erotisch sinnliche und unheimlich schaurige Obszession endet.

Durchgehend künstlerisch, vorwiegend nachdenklich und extremst schockierend stellt „German Angst“ ein Meisterwerk des deutschen Genrefilms dar. Was hier auf die Beine gestellt wurde, verdient Respekt. Denn mit relativ geringem finanziellen Aufwand entstand ein Film, der professionell und keineswegs amateurhaft wirkt, wie man vielleicht durch die „Crowdfunding“-Enstehungsgeschichte vermuten könnte.
Anders als die internationalen „Mitbewerber“ „V/H/S“ oder „The ABC’s Of Death“ kümmern sich die drei deutschen Horrormeister nicht um gängige Mainstream-Klischees, sondern gehen konsequent ihren eigenen Weg. Und das tun sie so hervorragend, dass einem noch Tage danach beim Gedanken an die verstörenden Bilder der Atem stockt.
Ein wichtiger Punkt darf nicht vergessen werden: Die ruhige, fast schon melancholische Musikuntermalung von Fabio Amuri und Paolo Marzocchi (Musica Pesante) macht die gezeigten Gräuel weitaus schockierender, als hätte man sich für einen genretypischeren Soundtrack mit schrillen Geigendissonanzen entschieden.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich das Trio für eine Fortsetzung wieder zusammenfindet, denn besser kann Horror fast nicht sein. Man sollte sich vielleicht überlegen, ob man sich nicht den in gleichen Bahnen denkenden deutschen Regisseur Robert Sigl noch mit an Bord holt.

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Fazit: Verstörend, schockierend und psychologisch brutaler als in den gezeigten Bildern entführen uns drei Regisseure in einen Strudel aus realer und Lovecraft’scher Gewalt, der es in sich hat. „German Angst“ ist ein Muss für den Genrefreund und eine Empfehlung für all jene Kinogänger, die innovative Horrorfilme aus Deutschland bereits abgeschrieben haben. „German Angst“ zeigt nämlich beeindruckend das Gegenteil.

© 2015 Wolfgang Brunner

3 Gedanken zu “German Angst (2015)

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