Para – Wir sind King – Staffel 1 (2021)

Originaltitel: Para – Wir sind King
Regie: Özgür Yildirim
Drehbuch: Hanno Hackfort, Katharina Sophie Brauer, Luisa Hardenberg
Kamera: Matthias Bolliger
Musik: Timo Pierre Rositzki
Laufzeit: 6 Episoden a 45 – 55 Min.
Darsteller: Dela Dabulamanzi, Jeanne Goursaud, Jobel Mokonzi, Soma Pysall, Roxana Samadi, Anna Platen, David Schütter, Walid Al-Atiyat, Florian Renner, Eidin Jalali
Genre: Drama, Horror, Fantasy, Komödie
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 16 Jahre

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Jazz, Fanta, Hajra und Rasaq sind beste Freundinnen und verbringen ihre Jugend auf den Straßen des rauen Berliner Stadtteils Wedding. Sie haben Träume und durch den Fund von einer Menge Kokain hoffen sie naiv auf schnelles Geld und dadurch ein besseres Leben. Doch ihr Plan entwickelt sich anders, als sie sich vorgestellt haben, und schon bald befinden sich die vier Mädchen in großer Gefahr.

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Ich hatte ja ein wenig Angst davor, dass ich „Para – Wir sind King“ nicht verstehen würde, weil die Serie als Ableger des Erfolges „4 Blocks“ angekündigt wurde, die ich (noch) nicht gesehen habe. Aber meine Bedenken waren vollkommen unbegründet, denn diese Serie hat eine vollkommen eigenständige Handlung, auch wenn ein paar Darsteller aus „4 Blocks“ mitwirken. Doch wenn man die Zusammenhänge nicht erkennt, versteht man das Abenteuer der vier Freundinnen dennoch. Und dieses Abenteuer hat es in sich. Auch wenn man sich anfangs ein wenig an die undeutliche Aussprache (und die manchmal unverständlichen modernen Ausdrücke der Jugendlichen) gewöhnen muss, so wird man sehr schnell mit einem authentischen Bild der heutigen Jugend belohnt, der einen spätestens ab der zweiten Episode vollkommen in seinen Bann zieht. Das liegt vor allem an dem wirklich äußerst natürlichen Schauspiel der vier Hauptdarstellerinnen, die man sofort ins Herz schließt, auch wenn sie nicht immer das machen, was einem gefällt. 😉
Vor allem wie die jeweiligen Familiensituationen geschildert wurden, hat mich regelrecht begeistert. Das war so natürlich und ungestellt, dass man oft vergaß, einen Film zu sehen und eher dachte, es handle sich um eine Dokumentation. Diese Szenen empfand ich als außergewöhnlich lebensnah und echt.

Der Plot ist nicht weltbewegend neu, aber die Kulisse von Berlin und die aus unterschiedlichen Herkunftsländern stammenden Protagonistinnen machen das fehlende Innovative mehr als wett. Es macht so unglaublich Spaß, sie auf ihrem spannenden Weg mitzuverfolgen, so dass man sich auf jeden Fall wünscht, ihnen in einer zweiten Staffel noch einmal zu begegnen. Ihre natürliche Schauspielerei, verbunden mit der rasanten Inszenierungsweise machen „Para- Wir sind King“ zu einem kurzweiligen Trip in die Berliner Drogenszene, bei dem aber auch die Probleme von jungen Menschen einen hohen Stellenwert einnehmen. Auch durch die außergewöhnlichen Kameraeinstellungen hebt sich diese Serie von ähnlichen Serien erfrischend ab. Wie oben schon erwähnt, muss man sich (zumindest die mittlere und ältere Generation) an die Sprache und das Verhalten der vier Mädchen gewöhnen, aber es dauert nicht lange und man fühlt mit ihnen, spürt ihre Ängste und Hoffnungen, als wäre man selber wieder jung. „Para – Wir sind King“ ist neben der spannenden Handlung auf gewisse Art und Weise auch eine einfühlsame Sozialstudie über das Leben der jungen Menschen, die mit verschiedenen Problemen im Alltag zu kämpfen haben. Sicherlich wird auch das ein oder andere Klischee bezüglich Rassismus, brutales Dealerverhalten etc.) bedient, aber auch diese Dinge passiert (leider auch) im wahren Leben. Die Freundschaft der vier Freundinnen hingegen sprengt so manches Klischee des Öfteren.

Die Geschichte wird sehr intensiv und hautnah erzählt, als wäre man unmittelbar dabei. Unbedingt zu erwähnen ist auch die Tatsache, dass in dieser Serie definitiv die Frauen die Hauptrollen übernehmen und ihren toughen, eigenen Weg gehen (unabhängig davon, ob dieser richtig oder falsch ist). „Para – Wir sind King“ hat mich so ziemlich in jeder Hinsicht überzeugt und beweist wieder einmal, dass auch in Deutschland außergewöhnliche Geschichten erzählt werden können, die nicht unbedingt ins Abendprogramm von ARD und ZDF passen, das Publikum aber überwiegend begeistern und für sich gewinnen können. „Para – Wir sind King“ ist eine mutige Serie, wie man sie sich öfters wünscht. Ich fände es jedenfalls toll, wenn die vier Freundinnen in einer zweiten Staffel ihre Freundschaft unter Beweis stellen würden.

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Fazit: Spannender, dramatischer, emotionaler und sehr authentischer Coming-of-Age-Krimi aus Deutschland. Unbedingt ansehen.

©2021 Wolfgang Brunner

Operation Mekong (2016)

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Originaltitel: Méigōng Hé Xíngdòng
Regie: Dante Lam
Drehbuch: Dante Lam, Kang Ki-chu, Lau Siu-kwan
Kamera: Yuen Man Fung
Musik: Henry Lai, Kwan Fai Lam, Julian Chan
Laufzeit: 124 Minuten
Darsteller: Zhang Hanyu, Eddie Peng, Feng Wenjuan, Baoguo Chen, Chun Sun, Carl Ng, Kenneth Low, Ha Yu, Vithaya Pansringarm, Xudong Wu, Jian Zhao, Mandy Wei
Genre: Thriller
Produktionsland: China, Thailand
FSK: ab 18 Jahre

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Auf dem Mekong werden die Leichen gefunden, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit Drogengeschäften im sogenannten Goldenen Dreieck von Laos, Myanmar und Thailand zu tun haben. Um die Morde aufzuklären, wird eine Spezialeinheit in das Gebiet geschickt. Die Spuren führen geradewegs zu Drogenbaron Naw Khar, der sein Hoheitsgebiet mit Terror und Gewalt unterjocht und beherrscht. Das Team soll seine im Dschungel gelegene Basis vernichten und die Verantwortlichen gefangennehmen.

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„Operation Mekong“ ist ein astreiner und knallharter Actionfilm, der sich dennoch von anderen Genrebeiträgen abhebt. Ich kann nicht einmal genau erklären, woran es liegt, aber ich fühlte mich bei diesem Film anders unterhalten als zum Beispiel bei einem „Expendables“-Abenteuer. Der Grund liegt wahrscheinlich in der Inszenierungsweise, denn Dante Lam ist Chinese und arbeitet nicht wie ein europäischer oder amerikanischer Regisseur, sondern eher wie John Woo. Herausgekommen ist auf jeden Fall ein sehenswerter Film, der einen die Zeit vergessen lässt und teilweise erfrischende Akzente für das Actionkino setzt. Spektakuläre Stunts und Autoverfolgungsjagden lassen das Herz eines jeden Actionfreunds höher schlagen, aber dennoch unterbrechen immer wieder ruhigere Szenen und atemberaubende Landschaftsaufnahmen das Feuerwerk. Dadurch entsteht eine angenehme Mixtur aus wilden Schießereien und nachdenklich stimmenden Bildern, die hervorragend unterhält.

An manchen Stellen hatte ich allerdings Schwierigkeiten, die Personen auseinander zu halten, das muss ich ehrlich zugeben. Das lag zum einen daran, dass die Schauspieler teilweise vermummt agierten und sich oftmals auch sehr ähnlich sahen. Trotzdem habe ich den Film verstanden, was letztendlich auch das Wichtigste ist. 😉
Da der Film teilweise auf wahren Begebenheiten basiert, wirkt der Plot natürlich weitaus schockierender und beeindruckender. Der fast eine halbe Stunde andauernde Showdown entwickelt sich dann eher schon zu einer Blockbusterinszenierung, die es allerdings wirklich schafft, dass man die Zeit vergisst. Sicherlich wirkt „Operation Mekong“ an einigen Stellen wie übertriebenste Propganda, aber darüber kann / sollte man ruhig hinwegsehen, denn man wird, wie gesagt, mit einem ordentlichen Actioner belohnt, der unglaublich viel Spaß macht.

Was ebenfalls einen Großteil der hervorragenden Atmosphäre ausmacht, ist nicht nur der professionelle Inszenierungsstil, sondern auch die bombastische Filmmusik der Herren Henry Lai, Kwan Fai Lam und Julian Chan. Auch wenn man merkt, dass an einigen Stellen schamlos von Scores von Hans Zimmer oder auch Brian Tyler „geklaut“ wurde (oftmals fühlt man sich an Hans Zimmers genialen Soundtrack zu „The Rock“ erinnert), so klingen die Kompositionen definitiv auch nach dem Film noch nach, so stilsicher und passend sind sie eingesetzt. Insgesamt ist „Operation Mekong“ ein Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

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Fazit: Actionreicher Bombastthriller mit ausgefallenen Stunts und tollen Aufnahmen.

© 2019 Wolfgang Brunner

Ben is back (2018)

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Originaltitel: Ben is Back
Regie: Peter Hedges
Drehbuch: Peter Hedges
Kamera: Stuart Dryburgh
Musik: Dickon Hinchliffe
Laufzeit: 103 Minuten
Darsteller: Julia Roberts, Lucas Hedges, Kathryn Newton, Courtney B. Vance, Tim Guinee, Mia Fowler, Melissa van der Schyff
Genre: Drama
Produktionsland: USA
FSK: ab 12 Jahre

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Völlig unerwartet steht der 19-jährige Ben Weihnachten vor der Tür seiner Familie. Er müsste sich eigentlich in einer Entzugsklinik befinden und  hofft, dass er zusammen mit  seiner Mutter sein Drogenproblem endlich in den Griff bekommt. Bens Vater möchte ihn umgehend in die Klinik zurückschicken, aber seine Mutter kann ihn dazu bewegen, zumindest für 24 Stunden seinem Aufenthalt zuzustimmen. In dieser Zeit kommt mehr aus Bens Leben ans Tageslicht, als der Familie lieb ist.

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Julia Roberts macht ihre Arbeit enorm gut. Man nimmt ihr sämtliche Handlungsweisen uneingeschränkt ab und sie überzeugt auch absolut in ihrer emotionalen Ausdrucksweise. Mit diesem Film beweist sie erneut, dass sie noch immer eine begnadete Schauspielerin ist. Aber auch Lucas Hedges in der Rolle des Ben wirkt äußerst glaubwürdig und verkörpert den drogensüchtigen Junky genauso überzeugend wie den bemitleidenswerten und liebevollen Bruder und Sohn. „Ben is back“ ist ein sehr authentisches Drama, das neben den Auswirkungen des Drogenkonsums, und den damit einhergehenden strafrechtlichen Entwicklungen, auch noch zeigt, zu welchen familiären Problemen so eine Sucht führen kann. Schauspielerisch und inszenatorisch ist an diesem Drama nichts auszusetzen.

Auch der Spannungsbogen entwickelt sich stetig nach oben, sodass es dem Zuschauer in keiner Minute langweilig wird. Der Film hätte sogar gut und gerne noch eine halbe Stunde länger dauern dürfen, um noch detaillierter auf die Spannungen und Probleme innerhalb dieser Familie einzugehen. Es gibt zum Beispiel eine Szene in diesem Film, in der Ben eine Selbsthilfegruppe aufsucht und seine Mutter ihn begleitet. Diese Momente sind sehr eindringlich gefilmt und lassen den Zuschauer – zumindest ging es mir so – eine Weile nicht mehr los. „Ben is back“ macht nachdenklich, lässt den Zuschauer allerdings nicht nur hilflos und deprimiert zurück, sondern vermittelt auch in gewisser Weise Hoffnung. Und genau diese Mischung ist es auch, die diesen Film aus meiner Sicht sehr glaubwürdig und eben auch eindringlich macht. Man kann nämlich durchaus vieles im Leben erreichen oder Fehler beheben, wenn man sich entsprechend Mühe gibt und vor allem nicht aufgibt.

Dem ein oder anderen mag vielleicht die Entwicklung in der zweiten Hälfte des Films nicht zusagen, da sie sich dann vom Drama fort- und eher in Richtung Thriller bewegt. Mir persönlich hat dieser Richtungswechsel allerdings nicht wirklich viel ausgemacht, da die Mutter-Sohn-Beziehung weiterhin noch im Vordergrund stand. Sicherlich wollte man damit einen Weg einschlagen, um den Film auch massentauglich  und nicht zu einem besonderen ArtHouse Drama zu machen, das nur eine bestimmtes Publikum anspricht. Alles in allem bekommt man hier auf alle Fälle einen sehr guten Film mit bemerkenswerten Schauspielerleistungen geboten, den man sich nicht entgehen lassen sollte.

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Fazit: Sehenswertes, sehr authentisches Familiendrama, das auf unkitschige Weise zu Herzen geht.

©2019 Wolfgang Brunner

Galveston – Die Hölle ist ein Paradies (2018)

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Originaltitel: Galveston
Regie: Mélanie Laurent
Drehbuch: Jim Hammett
Kamera: Dagmar Weaver-Madsen
Musik: Marc Chouarain
Laufzeit: 94 Minuten
Darsteller: Ben Foster, Elle Fanning, Lili Reinhart, Adepero Oduye, Robert Aramayo, Maria Valverde, Beau Bridges
Genre: Drama, Thriller, Literatur
Produktionsland: USA
FSK: ab 16 Jahre

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Roy ist Profikiller und lebt irgendwie am Limit: Drogen und die Angst vor Lungenkrebs begleiten ihn durchs Leben. Für den in schmutzige Geschäfte verwickelten Stan  erledigt er so manch Drecksarbeit. Doch bei seinem letzten Auftrag geht einiges schief und er wird zur Flucht mit der jungen Prostituierten Rocky gezwungen,  die noch dazu ihre kleine Schwester mit hineinzieht. Ausgerechnet Roys Heimatstadt Galveston wird zum letzten Zufluchtsort für das ungleiche Trio, das von Stans Killern gejagt wird …

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Was für ein Film! Ohne jegliche Spezialeffekte, sondern nur mit atemberaubenden Schauspielerleistungen kann dieses Drama uneingeschränkt auftrumpfen. Es ist unglaublich, und aus meiner Sicht schon oscarreif, wie Ben Foster seine Rolle in diesem Drama meistert. Schon nach den ersten Minuten weiß man, was dieser Film bietet. Ein intensives Drama, dass einem wirklich den Atem nimmt. Ruhig und intensiv, aber dennoch mitreißend und voller Action. Es ist ein wirklich gelungener Genremix, den Mélanie Laurent nach einem Drehbuch von Jim Hammett in Szene gesetzt hat. Jim Hammet hat das Script nach seiner eigenen Romanvorlage (die er unter seinem richtigen Namen Nic Pizzolatto veröffentlicht hat) verfasst und dürfte den meisten Film- und Serienfanatikern durch seine Vorlage für „True Detectives“ bekannt sein.

„Galveston“ ist in erster Linie ein Roadmovie, in dem sich aber neben einer actionreichen, teilweise gewalttätigen Handlung auch ein Drama und eine sehr poetische und nachdenklich stimmende Liebesgeschichte verbirgt. Gerade letztere hat es mir persönlich angetan und mich sehr gefesselt und emotional berührt. Ein Hauch von „Lolita“ vermischt sich mit dem dramatischen Lebensabschnitt der beiden Protagonisten, die sich ihre Zuneigung nicht immer direkt zu verstehen geben. Genau das macht aber den Reiz jenes Aspekts dieses Films aus. Man fühlt und leidet mit den beiden, fühlt sich schlecht und glücklich gleichermaßen und beginnt immer wieder einen Hoffnungsschimmer inmitten all der sinnlosen Gewalt zu entdecken. „Galveston“ hätte gut und gerne auch aus der Feder von Larry Brown stammen können, der seinen Protagonisten ähnliche Steine in den Lebensweg legt. Die Lebensumstände erscheinen auch hier hoffnungslos, aber dennoch steckt der Plot seltsamerweise irgendwie doch voller Hoffnung. Es ist eine Gratwanderung, die sowohl schauspielerisch als auch inszenatorisch absolut gelungen ist.

 „Galveston“ ist, wenn man sich darauf einlässt beziehungsweise einlassen kann, ein unglaublich emotionaler Film, der noch lange im Gedächtnis haften bleibt. Der französischen Regisseurin Mélanie Laurent rechne ich hoch an, dass sie den Stoff konsequent ohne Hollywood-Touch inszeniert hat und schonungslos auf ein Ende hinarbeitet, mit dem der Durchschnittskinogänger mit Sicherheit nicht rechnet. Alleine aus diesem Grund, und natürlich den fulminanten Leistungen der Schauspieler – allen voran Ben Foster – ist „Galveston“ ein absolutes Muss für Filminteressierte. Diesen Film kann ich ohne Einschränkungen zu den Streifen zählen, die ich mir vierundzwanzig Stunden nach der Erstsichtung sofort wieder ansehen könnte. Energiegeladen und eindringlich, mit diesen beiden Wörtern lässt sich die Atmosphäre von „Galveston“ vielleicht am besten beschreiben. Der Spannungsbogen des Films entwickelt sich nach einem kurzen Intro, das der Beschreibung der Personen und der jeweiligen Situationen, in denen sie sich befinden, dient, zu einem Wirbelsturm aus den verschiedensten Emotionen. Bis hin zum dramatischen und ergreifenden Finale.
Dem Film wird immer wieder vorgeworfen, er vertiefe nicht genug die Charaktere, weswegen man ihnen nie genug nahekäme, um ihre Gefühle zu verstehen. Das kann ich definitiv nicht bestätigen. Beide Charaktere wuchsen mir ans Herz und ich konnte, gerade im letzten Drittel, die Liebe zwischen ihnen förmlich spüren. „Galveston“ ist für mich ein grandioser Film.

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Fazit: Roadmovie mit einer emotionaler Wucht, die zwischen den Bildern steckt.

© 2019 Wolfgang Brunner

Tretbootfahrer (2015)

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Originaltitel: Tretbootfahrer
Regie: Markus Pelzl
Drehbuch: Markus Pelzl
Kamera: —
Musik: Florian Faltermeier
Laufzeit: 72 Minuten
Darsteller: Mika Metz, Giulia Beckmann, Olaf Krätke, Thomas Binder, Jarah Maria Anders, Christl Spyra, Chris Michels
Genre: Drama
Produktionsland: Deutschland
FSK: ?

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Frank hat sich von seiner Freundin getrennt und lebt wieder bei seiner Mutter. In einer Bar lernt er die attraktive Tanja kennen. Wenig später verlieben sich beide ineinander. Unbemerkt schleicht sich der Alkoholismus in ihre Beziehung und schon bald sind beide von der Volksdroge Nummer Eins abhängig. Und auch Tanjas Vergangenheit ist diesbezüglich nicht hilfreich und so zerstören beide gegenseitig das eigene Leben und das des anderen …

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Was für ein Film!
Ich bin durch Zufall auf Markus Pelzls Alkoholiker-Drama gestoßen und obwohl ich wusste, was die Thematik des Films ist, hat mich die Echtheit der Darstellung umgehauen. Handwerklich sauber und mit zwei beeindruckenden Hauptdarstellern zeigt das Filmdrama die schrecklichen Seiten einer Alkoholabhängigkeit. Schonungslos und realitätsnah zeichnet Regisseur Pelzl den Weg vom „Alltagstrinker“ zum Alkoholiker. Man spürt die Authentizität in jeder Einstellung und verliert sich in den Bildern, weil man über seinen eigenen Alkoholkonsum nachzudenken beginnt. Ich bin noch immer tief beeindruckt von der Realitätsnähe, die Pelzl mit seiner Geschichte eingefangen hat. Denn in einer meiner Beziehungen spielte das Thema „Alkohol“ leider auch eine sehr bedeutende Rolle und ich kann die detailgetreue Charakterzeichnung der Hauptdarsteller Mika Metz und Giulia Beckmann gar nicht genug bewundern. Die beiden agieren dermaßen überzeugend, dass es einem Angst macht. Die Parallelen zwischen dem Film und den Erfahrungen, die ich selbst erleben habe (um eines klar zustellen: nicht ich hatte die Alkoholprobleme, sondern meine „bessere“ Hälfte) sind erschreckend.

Drehbuchautor und Regisseur Markus Pelzl hat ein melancholisches, deprimierendes und unter die Haut gehendes Drama gedreht, das einen noch eine Zeitlang begleitet. Gezeigt wird ein alltägliches Bild von nach außen hin „ganz normalen“ Menschen, die Ängste und Hoffnungen haben und sich ihre Zukunft schönreden und -trinken. Schon nach kurzer Zeit entsteht ein flaues und unangenehmes Gefühl im Magen des Zusehers, wenn er erkennt, dass nach einem Sonnenscheinerlebnis der Protagonisten unweigerlich der Regen (in Form von Streit und Gewalt) kommt. Pelzl geht das in unserer Gesellschaft leider etwas tabuisierte Thema sehr geschickt und auch gefühlvoll an. Man kann nachvollziehen, wie schleichend das Bierchen in der Kneipe zu permanentem Alkohol“genuß“ führen kann und stellt mit Grauen fest, wohin dies führt. Pelzls „Tretbootfahrer“ ist ein Schlag in die Magengrube, der, so bitter er ist, keinen Ausweg bietet, sondern einfach nur die grausame Realität dieser Sucht zeigt.

Auch wenn Giulia Beckmann superb ihre Rolle meistert, so wird sie doch von Mika Metz übertrumpft. Es ist schlichtweg nicht zu glauben, in welcher Intensität dieser Mann den alkoholabhängigen Frank darstellt. Da gibt es eine Szene, in der er an einem Morgen mit Kreislaufbeschwerden und Entzugserscheinungen zu  kämpfen hat. Ich möchte nicht spoilern, aber diese Szene ist dermaßen schockierend und dramatisch inszeniert, als sähe man eine Fortsetzung von „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Das in seiner Konsequenz unausweichliche Ende stimmt traurig und hoffnungslos. Aber das soll es auch, denn ich bin sicher, dass „Tretbootfahrer“ als Film gedreht wurde, der auf- und wachrütteln soll. Und das tut er, und zwar ganz ordentlich.

Die ruhige, unspektakuläre Kameraführung vermittelt schon nach kurzer Zeit den Eindruck, als sähe man eine Dokumentation. Das macht das Ganze sehr intensiv und Pelzls Regie und die grandiosen Darsteller tragen das ihrige dazu bei, um „Tretbootfahrer“ zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.

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Fazit: Unglaublich intensives und schockierendes Drama um ein alkoholabhängiges Paar. Mika Metz liefert ein oscarreifes Schauspiel ab. „Tretbootfahrer“ bleibt nachhaltig im Gedächtnis haften. Es ist ein kleines Meisterwerk, das Regisseur Markus Pelzl da abgeliefert hat.

© 2015 Wolfgang Brunner

Lucy (2014)

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Originaltitel: Lucy
Regie: Luc Besson
Drehbuch: Luc Besson
Kamera: Thierry Arbogast
Musik: Eric Serra
Laufzeit: 89 Minuten
Darsteller: Scarlett Johansson, Morgan Freeman, Choi Min-sik, Analeigh Tipton, Amr Waked, Pilou Asbæk, Claire Tran, Mason Lee
Genre: Action, Science Fiction
Produktionsland: Frankreich
FSK: ab 12 Jahren

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Die Studentin Lucy soll eine neue Droge von Taipeh nach Europa schmuggeln. Dabei wird ihr von den Verbrechern ein Beutel mit der Droge in den Bauch implantiert. Durch einen Unfall gerät die Substanz in Lucys Blutkreislauf und löst eine wahre Explosion in ihren Gehirnzellen aus. Lucy entwickelt sich durch die Überdosis immer mehr zu einem Supermenschen, der plötzlich bis zu hundert Prozent seines Gehirns benutzen kann. Und Lucy sinnt auf Rache …

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Luc Bessons neuer Film ist visuell beeindruckend, keine Frage. Besson legt hier auch gerade am Anfang sehr viel Wert auf künstlerische Elemente. Die Gegenüberstellung von Jägern und Gejagten in der Menschen- und Tierwelt ist wirklich atemberaubend. Das hebt „Lucy“ schon einmal von den gängigen Actionfilmen ab. Ein weiterer Punkt ist die manchmal fast schon philosophische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Ich, die unter anderem in melancholischen Erinnerungen an eine weit entfernte Kindheit, überwältigenden Emotionen der eigenen Seele und einer allumfassenden Gesamtheit aller Menschen Ausdruck findet. Auch die entfernt an den Film „Die Zeitmaschine“ und den SF-Roman „Zeitschiffe“ von Stephen Baxter erinnernden Szenen, in denen „Lucy“ bis an den Anfang der Existenz zurückgeht, verschlagen dem für derartige Offenbarungen offenen Zuschauer den Atem.
Das hätte ich von einer solchen Produktion ehrlich gesagt gar nicht erwartet. Doch vielen Zusehern werden diese geballten Gefühlsmomente wahrscheinlich gar nicht auffallen, denn Besson legt sein Hauptaugenmerk dann doch schließlich auf eine superb gestaltete Actionhandlung.

Scarlett Johansson schafft es wieder einmal, mich vollkommen in ihren Bann zu ziehen. Die Rolle der Lucy ist ihr wie auf den Leib geschnitten und wird absolut glaubhaft von ihr dargestellt. Morgan Freeman spielt gewohnt souverän und kann ebenfalls begeistern.
Eric Serras Soundtrack passt wie bei allen Besson-Filmen perfekt zu den gezeigten Bildern.

Aber bei aller Begeisterung hätte ich mir einfach noch mehr Tiefgang gewünscht und einen Hauch weniger Action, denn durch die, zwar durchaus sehenswerten, Spannungseinschübe verliert das faszinierende Thema über die Kapazität des menschlichen Gehirns leider an Intensität. Das hätte man schlichtweg besser machen können. Aber wahrscheinlich wäre dann ein Erfolg an den Kinokassen ausgeblieben, so dass sich Regisseur Besson aus diesem Grund für einen massentauglicheren Pliot entschieden hat. Auch wenn der Vergleich hinkt, so hat mich Johanssons Agieren dennoch oft an den fantastischen „Under The Skin“ erinnert und hätte Besson eine ähnliche Richtung eingeschlagen, wäre mit Sicherheit ein weitaus philosophischerer Film zustande gekommen.

Dennoch: Trotz meiner Mäkelei auf hohem Niveau sollte man sich „Lucy“ unbedingt ansehen. Denn der Thriller ist eindeutig eine Innovation in Sachen Science Fiction-Action und die sollte man sich nicht entgehen lassen.

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Fazit: Visuell atemberaubend mit philosophischem Touch hebt sich „Lucy“ von gängigen Action-Filmen wohltuend ab.

© 2015 Wolfgang Brunner

Banshee Chapter (2013)

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Originaltitel: Banshee Chapter
Regie: Blair Erickson
Drehbuch: Blair Erickson
Kamera: Jeremy Obertone
Musik: Andreas Weidinger
Laufzeit: 87 Minuten
Darsteller: Ted Levine, Katia Winter, Michael McMillian, Corey Moosa, Monique Candelaria, Jenny Gabrielle, Vivian Nesbitt, Chad Brummet
Genre: Horror, Thriller
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahren

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Ann sucht nach ihrem verschollenen Studienfreund, der nach Einnahme einer Droge namens DMT spurlos verschwunden ist. Bei ihren Recherchen stößt sie auf illegale Experimente mit dieser Droge durch die CIA. Als Anne den Schriftsteller Blackburne kennenlernt, dringt sie mit ihm gemeinsam immer tiefer in ein schreckliches Geheimnis vor …

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Bei diesem Found Footage-Film handelt es sich eher um eine sogenannte Mockumentary, also einen fiktionalen Dokumentarfilm. Oft fühlte ich mich dabei an „Die vierte Art“ erinnert, wobei „Banshee Chapter“ weitaus unausgereifter wirkt. Nachdem man den Film gesehen hat, ist man allerdings schon irgendwie neugierig geworden, was hinter dem ganzen Plot steckt beziehungsweise welche Vorfälle der Wahrheit entsprechen.
Regisseur Blair Erickson hat sich von den tatsächlich geschehenen Ereignissen aus den siebziger Jahren inspirieren lassen. Die CIA unternahm Experimente mit illegalen Drogen an ahnungslosen, aber auch freiwilligen Probanden. Dabei wurden gesundheitliche Schäden der Teilnehmer durch bewußte Überdosierungen in Kauf genommen. Die Probanden bekamen zum Beispiel chronische Wahnvorstellungen, die teilweise zu einer paranoiden Schizophrenie mit Halluzinationen führte und sogar in einigen Fällen mit Selbstmord endeten.

Die Umsetzung hätte durchaus funktioniert, hätte sich Erickson, der Drehbuchautor und Regisseur gleichzeitig war, nicht mit seinem Plot verzettelt und das Ganze am Ende immer unrealistischer erscheinen lassen. Das Ende wirkte einfach zu konstruiert und aus diesem Grund vollkommen unglaubwürdig.

Eines muss man „Banshee Chapter“ allerdings zugute halten: Die Schockeffekte sind grandios und verursachen desöfteren gruselige Gänsehaut-Schauer. Diese Momente haben es wirklich in sich und verdienen großes Lob. Wer solche Adrenalinstöße mag, wird bei „Banshee Chapter“ auf jeden Fall bedient. Schon alleine aus diesem Grund werde ich mir den Film auf jeden Fall nochmal ansehen. Die Schauspieler sind ganz ordentlich. Ted Levine als Schriftsteller Blackburne hat mich auf jeden Fall am meisten überzeugt.

Sehenswert ist „Banshee Chapter“ allemal und für Found Footage-Anhänger sowieso.

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Fazit: Gruseliger Pseudo-Dokumentarfilm um illegale Drogenexperimente, der mit furchterregenden Schockmomenten aufwartet und teilweise eine unerträgliche Spannung erzeugt. Leider zerstören Drehbuchschwächen und Logikfehler den Gesamteindruck.

© 2015 Wolfgang Brunner

John Dies At The End (2012)

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Originaltitel: John Dies At The End
Regie: Don Coscarelli
Drehbuch: Don Coscarelli, David Wong (Original Story)
Kamera: Mike Gioulakis
Musik: Brian Tyler
Laufzeit: 100 Minuten
Darsteller: Chase Williamson, Rob Mayes, Paul Giamatti, Clancy Brown, Glynn Turman, Doug Jones, Daniel Roebuck
Genre: Komödie, Fantasy, Horror
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahren

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Eine neue Droge namens „Sojasauce“ lässt die, die sie zu sich nehmen, durch Zeit und Raum fliegen. Alles gerät durcheinander und die beiden Süchtigen John und Dave sehen sich plötzlich einer weltweiten Bedrohung durch Aliens gegenüber und setzen alles daran, dem Zeitstrudel zu entkommen und dabei auch noch die Menschheit zu retten.

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Es ist schon eine Zeit her, seit uns Regisseur Coscarelli mit einem völlig abgedrehten Horrorfilm namens „Bubba Ho-Tep“ überraschte. Hatte er doch in den 80er und 90er Jahren mit seinem „Phantasm – Das Böse“-Zyklus eher eine härtere Gangart eingelegt und Kultfilme für eine Fangemeinde erschaffen. Nach den etwas flaueren „The Beastmaster“ und „Camp der verlorenen Teufel“ kam dann der überaus amüsante „Bubba Ho-Tep“ und ließ Coscarelli in meiner Gunst wieder steigen. Und nun folgt „John Dies At The End“, ein abgedrehter Comedy-Horror-Fantasy-Science Fiction-Film, der die Lager spaltet. Für die einen wird da absoluter Schwachsinn geboten, für die anderen ist der Film ein kurzweiliges, völlig unlogisches, aber dafür total verrückt abgedrehtes Spektakel.

Alleine schon der Auftritt von Paul Giamatti in einer „wichtigen“ Nebenrolle ist das Ganze wert. Für Cineasten hält Coscarellis Drogenrausch mit dem Spoiler-Titel auch jede Menge Überraschungen bereit: Filme von David Lynch, David Cronenberg und Don Coscarelli selbst werden liebevoll in die Handlung verstrickt und es macht ungemein Spaß, diese Anspielungen zu entdecken.

Ich mag an sich keine Komödien und war selbst überrascht, wie amüsiert ich von diesem herrlich abgedrehten, unlogischen Quatsch war, der wirklich so übertrieben schräg ist, dass es einfach schon wieder gut ist. Handlung sucht man vergebens, aber egal … da wird schwachsinniges Zeug geredet, dass einem oft gar nichts anderes übrig bleibt, als die Lippen zu einem Grinsen zu verziehen. Coscarelli hat einen außergewöhnlichen Film geschaffen, der es tatsächlich geschafft hat, mich trotz seiner unsäglichen Unlogik, auf gewisse Art und Weise zu begeistern. Das mag schon was heißen für einen Slapstick-Feind wie mich.

Schauspielerisch liegt „John Dies At The End“  im guten Mittelmaß (Paul Giamatti einmal ausgenommen, denn er kann es einfach). Die Effekte sind nicht überragend, aber einfach nett anzusehen. Trash meets … ja, was? Keine Ahnung! Ich fand das Ganze amüsant und unterhaltend. Und mehr will ich von einem solchen Film überhaupt nicht.

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Fazit: Schräg, schräger, am schrägsten. Mehr geht schon fast nicht. Wer Spaß an absolut überdrehten Charakteren und einer vollkommen chaotischen, schrägen (und auch unlogischen) Handlung hat, wird den Film mögen. Alle anderen sollten die Finger davon lassen …

© 2015  Wolfgang Brunner

Montana Sacra – Der heilige Berg (1973)

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Originaltitel: The Holy Mountain
Regie: Alejandro Jodorowsky
Drehbuch: Alejandro Jodorowsky
Kamera: Rafael Corkidi
Musik: Don Cherry, Ronald Fangipane, Alejandro Jodorowsky
Laufzeit: 114 Minuten
Darsteller: Alejandro Jodorowsky, Horácio Salinas, Juan Ferrara, Adriana Page, Burt Kleiner u.v.m
Genre: Kunstfilm, Experimentalfilm
Produktionsland: Mexiko/USA
FSK: ab 18 Jahren

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Als ein Dieb einen hohen Turm erklimmt, trifft er dort in einem riesigen Regenbogenzimmer auf einem Alchemisten. Dieser ist im Begriff eine Gruppe von Leuten um sich zu versammeln, um sich auf die Reise zum „heiligen Berg“ zu machen. Dieser Berg soll das Geheimnis der Unsterblichkeit bergen. Begleitet werden sie von einer siebenköpfigen Gruppe. Jeder von ihnen muss sein Ego aufgeben, um das Geheimnis des Berges ergründen zu können …

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Wow! Was war das denn? Ist das Kunst oder kann das weg? Auf der Suche nach dem Extremen bin ich auf diesen Film gestoßen. Also ich habe ja schon einige verstörende und/oder surreale Filme gesehen aber sowas noch nie.  Die Story ist eigentlich schnell erzählt – und doch wieder nicht! Doch bevor ich über die Story berichten gilt es vorher einiges wissenswertes über den Regisseur zu erfahren der dieses „Kunstwerk“ auf die Beine gestellt hat.

Alejandro Jodorowsky ist für mich einer der schrägsten Regisseure aller Zeiten. Sein künstlerisches Schaffen zu beschreiben ist nicht einfach, denn es gibt kaum etwas, das dieser Mann nicht gemacht hat. Er ist Schriftsteller, Dichter, Musiker, arbeitete an mehreren Comics, inszenierte Theaterstücke und ist Regisseur von Filmen gewesen, bei denen man sich kaum vorstellen kann, dass es Leute gab, die diese finanziell unterstützten. Es sind Filme, die sich nicht nur weit abseits vom Mainstream bewegen, sondern Jodorowsky erschuf mit seinen Arbeiten fast so etwas wie ein neues Genre. Da seine Filme meist im höchsten Maße surrealistisch sind, kann man oft nur schwer verstehen, was Jodorowsky einem wirklich erzählen möchte. Seine Hauptcharaktere sind meist Außenseiter und die Welt, in der sie leben, gleicht einem verrückten Labyrinth.

Auch die Enstehungsgeschichte des Filmes ist ziemlich spektakulär. So soll Alejandro Jodorowsky mehrere Tage vor Drehstart ohne Schlaf unter der Aufsicht eines Zen-Meisters verbracht haben und das Drehbuch unter dem Einfluss von LSD geschrieben haben. Außerdem soll er mehrere Wochen lang mit der Crew des Filmes in einer Art Kommune gelebt haben, wo die Schauspieler ebenfalls unter Einfluss von Drogen spirituelle Erfahrungen machen sollten. Doch genug der Vorabinformationen, jetzt will ich versuchen, den Film zu beschreiben.

Es fällt mir nicht leicht, den Film irgendeinem bekannten Schema zuzuordnen. Dazu ist er viel zu ungewöhnlich. Wenn man sich den Trailer ansieht, ahnt man schon, warum dieser Film eigentlich außerhalb jeder Kritik steht. Ihn als eine „traumartige Reise“ oder einen „Trip“ zu bezeichnen ist noch nett gemeint. „Der heilige Berg“ ist unkonventionell und ohne Zweifel mutig. Einige Dinge, die dieser Film zeigt, könnte man heute so nicht mehr drehen. Auch wie der Film mit einigen anderen Dingen umgeht, wäre heutzutage undenkbar. Obwohl „Der heilige Berg“ immer wieder Elemente enthält, die man als zynische Satire und Gesellschaftskritik auffassen kann, wird bis zum Schluß nie wirklich klar, was der Regisseur uns eigentlich sagen will, ob er nun ein Thema behandelt oder mehrere.

Auf jeden Fall präsentiert Jodorowsky mit diesem Film ein äußerst skurilles und kontroverses Szenario und lässt dabei teils radikale Anspielungen auf Kirche, Sexualität und Gewalt erkennen. Es ist schon ein gehöriger Spagat zwischen Genialität und dem puren Wahnsinn  den ich mir da angesehen habe und der mich mit völlig gemischten Gefühlen zurückgelassen hat. Mehrmals war ich kurz davor auszuschalten. Aber das Ende fand ich gut! 🙂

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Fazit: Das ist so einer der Filme, bei denen es unglaublich stark auf den eigenen Geschmack ankommt. Ich könnte es durchaus verstehen, wenn manch einer die DVD nach spätestens 10 Minuten stoppt. Ich glaube, man sollte bei diesem Film nicht unbedingt nach logischen Erklärungen oder dem eigentlichen Sinn der Abläufe suchen, sondern vielmehr die gewaltige Bildsprache des Szenarios auf sich wirken lassen. Denn bildgewaltig ist der Film allemal, das muss man ihm lassen. Ich bin mir trotzdem nicht sicher, ob ich den Film jemals wieder ansehen werde oder ob ich ihn guten Gewissens weiter empfehlen kann. Ist das Kunst oder kann das weg? Ich weiß es nicht.

© 2015 Lucas Dämmig