Originaltitel: Swallow
Regie: Carlo Mirabella-Davis
Drehbuch: Carlo Mirabella-Davis
Kamera: Katelin Arizmendi
Musik: Nathan Halpern
Laufzeit: 94 Minuten
Darsteller: Haley Bennett, Elizabeth Marvel, David Rasche, Austin Stowell, Dennis O’Hare, Luna Laura Velez
Genre: Drama, Thriller
Produktionsland: Frankreich, USA
FSK: ab 16 Jahre
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Hunter Conrad ist mit dem vermögenden Ritchie verheiratet, der ihr ein, zumindest finanzielles, sorgenfreies Leben ermöglicht. Doch in ihrer Rolle als Hausfrau langweilt sich Hunter. Sie wird auch zusehends von ihrem Mann nicht so wahr genommen, wie sie sich das erwünscht, also beginnt sie kleine Gegenstände wie beispielsweise eine Murmel oder eine Batterie zu verschlucken. Diese Essstörung wird immer intensiver, bis sie von Hunters Ehemann entdeckt wird.
Von Schuldgefühlen geplagt und von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt, versucht Hunter von Ritchie loszukommen, um ihr Leben zu verändern.
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Wow, was für ein genialer und vor allem einfühlsamer Film, der die seltene Essstörungskrankheit namens Pica-Syndrom behandelt. Dieses Krankheitsbild äußert sich im Konsum ungenießbarer Gegenstände und wird von Haley Bennett derart überzeugend und eindringlich dargestellt, dass man ihre Schauspielerei niemals wieder vergessen wird. Mit einer unglaublichen Intensität und einer beeindruckenden Feinfühligkeit inszeniert Regisseur Carlo Mirabella-Davis den Leidensweg einer solchen kranken Frau und der daraus entstehenden Befreiung, nicht nur von der Krankheit sondern auch von ihrem deprimierenden Leben. Es ist äußerst spannend, wie sich diese Krankheit und die damit einhergehende Spannung (wenngleich der Film sehr ruhig ist) aufbaut und bis zu seinem verblüffenden Ende diesen Bogen aufrechterhält.
„Swallow“ ist ein Film, den man aufgrund seiner außergewöhnlichen Handlung und der fulminanten Leistung aller Mitwirkender nicht so schnell vergisst beziehungsweise zum Großteil wahrscheinlich gar nicht mehr vergisst. Das Gesehene wirkt noch lange nach und beschäftigt den Zuschauer, der so etwas mit größter Wahrscheinlichkeit noch nie gesehen hat. Was sich aber im ersten Moment schockierend und abartig anhört, entwickelt sich mit der Zeit immer mehr zu einem Drama, das von einer Frau erzählt, die sich aus der Einengung ihres bisherigen Lebens schlichtweg befreien will. Die Situationen, in denen die Protagonistin von ihrem Ehemann und dessen Eltern einfach nicht beachtet wird, sind grandios inszeniert und man fühlt diese „Erniedrigung“ in jeder Filmsekunde. Carlo Mirabella-Davis ist es gelungen, diese Frau ein Stück weit in ihrer Handlungsweise zu verstehen, was den den Film daher umso eindringlicher macht.
Zu der Essstörung gesellt sich dann in der zweiten Hälfte des Films auch noch eine Vergangenheitsbewältigung (die mit diese Essstörung auslöst), die ebenfalls in jeder Hinsicht überzeugen kann und sehr authentisch erzählt wird. Wie oben schon erwähnt, man beginnt während des Films immer mehr, die Protagonistin zu verstehen und kann, zumindest zum Teil, nachvollziehen, wieso sie sich diverse Gegenstände einverleibt, die eigentlich nicht zum Verzehr geeignet sind. „Swallow“ ist ein mitreißendes Drama und Frauenschicksal, das man mit angehaltenem Atem verfolgt. Neben Haley Bennett konnte noch Denis O’Hare mit seiner leider etwas kurzen Rolle überzeugen, so dass neben der spannenden, ungewöhnlichen Handlung auch grandiose Schauspielerleistungen bei diesem Film zum Tragen kommen. „Swallow“ war für mich eine riesige Überraschung und ich bin sicher, dass ich mir diesen Film noch ein zweites oder gar drittes Mal ansehen werde.
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Fazit: Eindringliches Frauenschicksal und Krankheitsdrama mit überzeugenden Schauspielern.
©2020 Wolfgang Brunner