Nomis (2018)

nomis

Originaltitel: Nomis
Alternativtitel: Night Hunter
Regie: David Raymond
Drehbuch: David Raymond
Kamera: Michael Barrett
Musik: Alex Lu
Laufzeit: 98 Minuten
Darsteller: Henry Cavill, Ben Kingsley, Alexandra Daddario, Stanley Tucci, Brendan Fletcher, Minka Kelly, Nathan Fillion
Genre: Thriller
Produktionsland: USA, Kanada
FSK: ab 16 Jahre

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Seit mehreren Jahren sucht sich ein Serienkiller junge Frauen über das Internet, um sie sexuell zu missbrauchen. Cop Marshall kommt mit Unterstützung des radikalen Coopers, der zusammen mit seiner Tochter Jagd auf diese Kinderschänder macht und diese durch Selbstjustiz bestraft, einem Verdächtigen auf die Spur. Es handelt sich um den psychisch gestörten Simon, der offensichtlich mehrere Identitäten annehmen kann. Doch ganz so einfach, wie es auf den ersten Anschein aussieht, ist es doch nicht …

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Keine fünf Minuten dauert es, bis Regisseur David Raymond den Zuschauer mit seinem Psychothriller in den Bann zieht. Man fühlt sich, natürlich aufgrund der Thematik Serienkiller, in der ein oder anderen Szene an „Sieben“ oder „Das Schweigen der Lämmer“ erinnert, die in diesem Genre Meilensteine darstellen. Doch auch „Nomis“ bewegt sich in diese Richtung, was vor allem am geschickten inszenierten Plot  und zum anderen an einer phänomenalen Schauspielleistung von Brendan Fletcher liegt. Dazu aber später noch. Zuerst einmal bedarf es einer Schilderung, wie atmosphärisch „Nomis“ daherkommt. Durch die Figur des behinderten Simon stellt sich sofort eine bedrückende Stimmung ein, die sich durch den kompletten Film zieht. „Nomis“ ist düster, an einigen Stellen unglaublich brutal und in seiner Charakterzeichnung der Protagonisten tiefgehender als so manch andere Genrebeitrag. „Nomis“ macht Spaß, wenn man das bei dieser Art Thematik so nennen kann, und lässt die Zeit nur so dahinfliegen.

Henry Cavill und Ben Kingsley spielen fantastisch und man nimmt ihnen ihre Rollen uneingeschränkt ab. Ebenso können Alexandra Daddario und Stanley Tucci absolut überzeugen und verleihen dem Film einen authentischen Charme. Brendan Fletcher stiehlt jedoch allen die Show, wenn er in den psychisch behinderten und gestörten Simon zum Besten gibt. Das Szenario erinnert natürlich ein wenig an „Split“, in dem ein Serienkiller ebenfalls verschiedene Identitäten annimmt, aber „Nomis“ konzentriert sich eher nur auf zwei Seiten des Killers: eine böse und eine hilflose. Dieses doppelt Ich wird von Fletcher unglaublich intensiv dargestellt und man kann an manchen Stellen gar nicht glauben, dass dieser Mann nicht tatsächlich eine geistige Behinderung hat. Für mich war diese Darstellung oscarreif, so dass der Film weitaus mehr Beachtung verdient hätte, als ihm bisher widerfahren ist.

„Nomis“ folgt natürlich gewissen cineastischen Regeln, in dem sich zum Beispiel am Ende des Films ein Endkampf / Showdown entwickelt, den man natürlich in fast jedem Thriller auf ähnliche Art zu sehen bekommt. Da hätte man sich von den Machern etwas mehr Mut und eine unkonventionellere Vorgehensweise gewünscht, aber nach diesen Regeln / Vorgaben funktioniert anscheinend das Filmgeschäft. Nichtsdestotrotz stellt dieser „Makel“ ein Jammern auf hohem Niveau dar und tut dem Gesamtergebnis keinen Abbruch. „Nomis“ ist im Thrillergenre ein Höhepunkt des Produktionsjahres 2018 und man darf gespannt sein, ob, wann und vor allem was David Raymond hier nachlegt und ob er die selbst hochgelegte Messlatte wieder erreicht. „Absence of War“ soll der Actionthriller heißen, an dem er gerade arbeitet. Auf alle Fälle ist David Raymond ein Name, den man sich merken sollte, denn mit „Nomis“ hat er einen hervorragenden, atmosphärischen, intelligenten und spannenden Thriller abgeliefert, der sich wohltuend vom Einheitsbrei abhebt.

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Fazit: Atmosphärisch, intelligent, spannend. Mit einem hervorragenden Brendan Fletcher.

© 2019 Wolfgang Brunner

Galveston – Die Hölle ist ein Paradies (2018)

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Originaltitel: Galveston
Regie: Mélanie Laurent
Drehbuch: Jim Hammett
Kamera: Dagmar Weaver-Madsen
Musik: Marc Chouarain
Laufzeit: 94 Minuten
Darsteller: Ben Foster, Elle Fanning, Lili Reinhart, Adepero Oduye, Robert Aramayo, Maria Valverde, Beau Bridges
Genre: Drama, Thriller, Literatur
Produktionsland: USA
FSK: ab 16 Jahre

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Roy ist Profikiller und lebt irgendwie am Limit: Drogen und die Angst vor Lungenkrebs begleiten ihn durchs Leben. Für den in schmutzige Geschäfte verwickelten Stan  erledigt er so manch Drecksarbeit. Doch bei seinem letzten Auftrag geht einiges schief und er wird zur Flucht mit der jungen Prostituierten Rocky gezwungen,  die noch dazu ihre kleine Schwester mit hineinzieht. Ausgerechnet Roys Heimatstadt Galveston wird zum letzten Zufluchtsort für das ungleiche Trio, das von Stans Killern gejagt wird …

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Was für ein Film! Ohne jegliche Spezialeffekte, sondern nur mit atemberaubenden Schauspielerleistungen kann dieses Drama uneingeschränkt auftrumpfen. Es ist unglaublich, und aus meiner Sicht schon oscarreif, wie Ben Foster seine Rolle in diesem Drama meistert. Schon nach den ersten Minuten weiß man, was dieser Film bietet. Ein intensives Drama, dass einem wirklich den Atem nimmt. Ruhig und intensiv, aber dennoch mitreißend und voller Action. Es ist ein wirklich gelungener Genremix, den Mélanie Laurent nach einem Drehbuch von Jim Hammett in Szene gesetzt hat. Jim Hammet hat das Script nach seiner eigenen Romanvorlage (die er unter seinem richtigen Namen Nic Pizzolatto veröffentlicht hat) verfasst und dürfte den meisten Film- und Serienfanatikern durch seine Vorlage für „True Detectives“ bekannt sein.

„Galveston“ ist in erster Linie ein Roadmovie, in dem sich aber neben einer actionreichen, teilweise gewalttätigen Handlung auch ein Drama und eine sehr poetische und nachdenklich stimmende Liebesgeschichte verbirgt. Gerade letztere hat es mir persönlich angetan und mich sehr gefesselt und emotional berührt. Ein Hauch von „Lolita“ vermischt sich mit dem dramatischen Lebensabschnitt der beiden Protagonisten, die sich ihre Zuneigung nicht immer direkt zu verstehen geben. Genau das macht aber den Reiz jenes Aspekts dieses Films aus. Man fühlt und leidet mit den beiden, fühlt sich schlecht und glücklich gleichermaßen und beginnt immer wieder einen Hoffnungsschimmer inmitten all der sinnlosen Gewalt zu entdecken. „Galveston“ hätte gut und gerne auch aus der Feder von Larry Brown stammen können, der seinen Protagonisten ähnliche Steine in den Lebensweg legt. Die Lebensumstände erscheinen auch hier hoffnungslos, aber dennoch steckt der Plot seltsamerweise irgendwie doch voller Hoffnung. Es ist eine Gratwanderung, die sowohl schauspielerisch als auch inszenatorisch absolut gelungen ist.

 „Galveston“ ist, wenn man sich darauf einlässt beziehungsweise einlassen kann, ein unglaublich emotionaler Film, der noch lange im Gedächtnis haften bleibt. Der französischen Regisseurin Mélanie Laurent rechne ich hoch an, dass sie den Stoff konsequent ohne Hollywood-Touch inszeniert hat und schonungslos auf ein Ende hinarbeitet, mit dem der Durchschnittskinogänger mit Sicherheit nicht rechnet. Alleine aus diesem Grund, und natürlich den fulminanten Leistungen der Schauspieler – allen voran Ben Foster – ist „Galveston“ ein absolutes Muss für Filminteressierte. Diesen Film kann ich ohne Einschränkungen zu den Streifen zählen, die ich mir vierundzwanzig Stunden nach der Erstsichtung sofort wieder ansehen könnte. Energiegeladen und eindringlich, mit diesen beiden Wörtern lässt sich die Atmosphäre von „Galveston“ vielleicht am besten beschreiben. Der Spannungsbogen des Films entwickelt sich nach einem kurzen Intro, das der Beschreibung der Personen und der jeweiligen Situationen, in denen sie sich befinden, dient, zu einem Wirbelsturm aus den verschiedensten Emotionen. Bis hin zum dramatischen und ergreifenden Finale.
Dem Film wird immer wieder vorgeworfen, er vertiefe nicht genug die Charaktere, weswegen man ihnen nie genug nahekäme, um ihre Gefühle zu verstehen. Das kann ich definitiv nicht bestätigen. Beide Charaktere wuchsen mir ans Herz und ich konnte, gerade im letzten Drittel, die Liebe zwischen ihnen förmlich spüren. „Galveston“ ist für mich ein grandioser Film.

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Fazit: Roadmovie mit einer emotionaler Wucht, die zwischen den Bildern steckt.

© 2019 Wolfgang Brunner

Spurlos – Ein Sturm wird kommen (2015)

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Originaltitel: Strangerland
Regie: Kim Farrant
Drehbuch: Michael Kinirons, Fiona Seres
Kamera: P. J. Dillon
Musik: Keefus Ciancia
Laufzeit: 107 Minuten
Darsteller: Nicole Kidman, Hugo Weaving, Joseph Fiennes, Lisa Flanagan, Maddison Brown, Meyne Watts, Nicholas Hamilton
Genre: Drama
Produktionsland: Australien, Irland
FSK: ab 12 Jahre

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Eines kann man Kim Farrants Film auf alle Fälle attestieren: Bei „Spurlos – Ein Sturm wird kommen“ handelt es sich eindeutig um einen ganz großen Schauspielerfilm. Im Mittelpunkt stehen schauspielerische Leistungen und keinerlei Spezialeffekte, was in der heutigen Zeit ein geradezu erfrischendes Erlebnis darstellt. Hinzu kommt eine sehr feinfühlige und außergewöhnliche Inszenierungsweise, die mich teilweise an „Walkabout“ von Nicolas Roeg erinnert hat.
Nicole Kidman zeigt hier in der Tat, welch phantastische und auch mutige Schauspielerin in ihr steckt. Sie trägt zusammen mit Hugo Weaving den Film. Und auch wenn Joseph Fiennes eine sehr gute Darbietung liefert, so wird er von Kidman und Weaving eindeutig in den Schatten gestellt, was vielleicht auch daran liegen mag, dass die Charakterzeichung seiner  Rolle nicht tief genug ausgearbeitet wurde.
Regisseurin Farrant zeigt großes inszenatorische Können, indem sie eine geradlinige Geschichte absolut unkonventionell erzählt. Daher ist es mit Sicherheit nicht jedermanns Sache, diesem Drama zu folgen.
Mit einer unglaublichen Intensität wird hier eine dramatische Familiengeschichte erzählt, die unter anderem auch zwischenmenschliche Probleme zweier Ehepartner behandelt. Nicole Kidman stellt eine verzweifelte Frau unglaublich glaubhaft und emotional dar. Und auch wenn ihre Handlungen oftmals nicht ganz nachvollziehbar sind, so kann man sich gut durch ihre intensive Darstellung in den Charakter  hineinversetzen.

Man kann dem Film sicherlich vorwerfen, dass er sich nicht für ein bestimmtes Genre entscheiden kann. Das finde ich persönlich aber wiederum alles andere als schlimm, denn genau diese Mischung verschafft dem Zuschauer ein Gefühl, bei dem man absolut nicht weiß, wohin die Reise führt.
Hinzu kommt die wirklich sehr intensive Atmosphäre des Films, der man sich definitiv nicht entziehen kann. Manchmal möchte man gar nicht hinschauen, kann aber seinen Blick nicht von der Leinwand abwenden, weil man so fasziniert vom Agieren der Schauspieler ist und unbedingt wissen will, wie sich der Plot weiterentwickelt.
„Spurlos – Ein Sturm wird kommen“ wird den Großteil der Zuschauer ratlos (und vielleicht sogar ein bisschen enttäuscht) hinterlassen. Sicherlich ist die Haupthandlung nachvollziehbar, doch am Ende wird man verwirrt (und der ein oder andere auch unzufrieden) zurückgelassen. Denn es verhält sich ähnlich wie bei einem Film von David Lynch oder dem oben bereits erwähnten Nicolas Roeg: Die Inszenierung, und auch der Plot, lassen dem Zuschauer jede Menge eigene Interpretationsmöglichkeiten. Man versucht die philosophischen Aspekte und teilweise auch Lebensweisheiten zu erfassen, wird aber von dem Mysterium, das dieser Film ausstrahlt, schlichtweg manchmal überfordert.

Es ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Aber wer sich auf diesen Film einlassen kann, wird mit einem fulminanten Schauspielerfilm belohnt, der sich definitiv abseits des Mainstream bewegt. Für mich persönlich eine ganz große Überraschung, die mich sowohl schauspielerisch als auch inszenatorisch absolut begeistert und überzeugt hat. „Spurlos“ hat eine enorm nachhaltige Wirkung, die auch nach Tagen noch anhält. Einige Bilder bekommt man nicht mehr aus dem Kopf, was eindeutig für die Qualität und Intensität dieses Films spricht. Auch wenn nicht wirklich viel passiert, so steckt eine gewaltige Menge in diesem Drama. Der Kameramann leistet hervorragende Arbeit und auch der Score von Keefus Ciancia könnte nicht passender sein. „Spurlos – Ein Sturm wird kommen“ ist großes Kino, das sich nicht in Hollywood-Klischees und Mainstream-Blockbuster pressen lässt, sondern seinen ganz eigenen, fantastischen Weg geht. Und das ist auch gut so … denn ich wage glatt, diesen Film als eine Art Lebenserfahrung zu bezeichnen.

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Fazit: Mystisch, schockierend, philosophisch, schön und schrecklich zugleich.  Unkonventioneller Thriller mit atemberaubenden Schauspielern.

© 2019 Wolfgang Brunner

Der Gott des Gemetzels (2011)

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Originaltitel: Carnage
Regie: Roman Polanski
Drehbuch: Roman Polanski, Yasmina Reza
nach dem gleichnamigen Theaterstück von Yasmina Reza
Kamera: Paweł Edelman
Musik: Alexandre Desplat
Laufzeit: 80 Minuten
Darsteller: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly
Genre: Drama, Literatur
Produktionsland: Frankreich, Deutschland, Polen
FSK: ab 12 Jahre

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Zwei Elfjährige prügeln sich. Daraufhin treffen sich die Eltern der beiden Jungs und versuchen, die Situation vernünftig zu klären. Doch während des Gesprächs entsteht ein immer heftig werdender Streit, der die vier Beteiligten schon bald sämtlichen guten Anstand vergessen lässt.

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Roman Polanskis kammerspielartiges Drama ist einfach nur genial. Absolut grandios wurde das Theaterstück mit einem wahrhaft göttlichen Ensemble in Szene gesetzt. Es dauert nicht lange, bis diese Beobachtung gesellschaftlicher Entgleisungen den Zuschauer in den Bann zieht. Man kann sich schwer diesen bitterböse, sarkastischen und teilweise absolut realistischen Dialogen entziehen, die da siebzig Minuten lang auf einen einprasseln. Während des Films dachte ich immer nur abwechselnd: Jodie Foster ist am besten, nein Christoph Waltz … ähm Kate Winslet hat’s aber echt drauf, wow, John C. Reilly ist aber auch nicht ohne.
Es ist eine wahre Freude, wie sich die vier Schauspieler gegenseitig übertrumpfen und dennoch auf fabelhafte Weise ergänzen.

Man mag verschiedener Auffassungen sein, was die im Film vorkommenden Erziehungsmaßnahmen bzw. die Forderungen der Elternpaare an die jeweils anderen betrifft. Aber dennoch zeigt der Film eine Wirkung, die es in sich hat, die aufzeigt, wie sehr wir uns von einem echten Problem entfernen können und uns letztendlich mit Hingabe völlig anderen Streitpunkten zuwenden. Man kommt während einer Diskussion bzw. einer Auseinandersetzung von einem Punkt zu anderen, entfernt sich vom wesentlichen und geht immer mehr unter die Gürtellinie. Polanski zeigt auf, wie sich Menschen während eines Streites und unter Alkoholeinfluss verändern,  wie unbeherrscht und unfair sie werden können. Die vier Schauspieler reizen diese Situation mit ihrem unglaublichen Können vollends aus, zeigen sich in den unterschiedlichsten Stimmungsvarianten und beweisen, welch gute SchauspielerInnen sie sind. Das trifft uneingeschränkt auf alle vier Darsteller zu, die mich während der gesamten Filmdauer mit ihrem Schauspiel derart hypnotisiert haben, dass es kaum zu glauben ist. Man bekommt von jedem eine oscarreife Schauspielerleistung zu sehen.

Polanski hat ein cineastisches Meisterwerk geschaffen, einen Dialogfilm, wie man ihn meist nur noch aus früheren Zeiten kennt. Keine Spezialeffekte, kein hochkomplizierter Plot und keine bombastische Musikuntermalung, die den Kinosaal zum Dröhnen bringt. „Der Gott des Gemetzels“ ist ein ruhiger, nachdenklicher, böser, satirischer und manchmal erschreckender Film über die Spezies Mensch, die sich in bestimmten Situationen zu einer Art Tier zurück entwickelt und seine Zivilisiertheit vergisst. Auch wenn der ein oder andere behauptet, das alles sei ein wenig übertrieben, letztendlich werden viele solcher Gespräche zwischen Erwachsenen zumindest in ähnlicher Form ablaufen, während die Streitobjekte – nämlich die Kinder – schon längst die Sache unter sich geregelt haben.
Für mich ist Polanskis Umsetzung des bekannten Theaterstücks eine ganz große Entdeckung, die ich mir mit Sicherheit noch einmal ansehen werde. Alleine Kate Winslet als Betrunkene ist schon Grund genug, hinzu kommt dann auch noch John C. Reillys, vor allem gegen Ende des Films, beeindruckende Darstellung. Aber auch Jodie Foster und Christoph Walz sind … siehe oben. 🙂
Man kann sich wirklich nicht entscheiden, welche der Schauspielerinnen oder welcher der Schauspieler am besten ist. Einfache Antwort: Alle vier!

Roman Polanski ist mit „Der Gott des Gemetzels“ großartiges, beeindruckendes Schauspielkino gelungen. Ein agressives Spiegelbild unserer Gesellschaft, die einen Konflikt aus einer Situation heraufbeschwört, die eigentlich keiner Auseinandersetzung bedürfte. Die Betroffenen bilden lediglich die Arena für einen Streit, den man mit verbalen Beleidigungen zu lösen versucht und dabei den Blick auf das Wesentliche verliert.
Darstellerkino vom Feinsten!

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Fazit: Hier wird noch echte Schauspielkunst gezeigt. Unbedingt ansehen. Polanski in Hochform!

© 2016 Wolfgang Brunner

Buried (2010)

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Originaltitel: Buried
Regie: Rodrigo Cortés
Drehbuch: Chris Sparling
Kamera: Eduard Grau
Musik: Víctor Reyes
Laufzeit: 91 Minuten
Darsteller: Ryan Reynolds
Genre: Thriller
Produktionsland: Spanien
FSK: ab 16 Jahre

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Der Lastwagenfahrer Paul Conroy ist im Irak eingesetzt. Eines Tages erwacht er gefesselt in einem Holzsarg. Ein Feuerzeug und ein Handy sind die einzigen Dinge, die ihm zur Verfügung stehen. Ein Wettkampf mit der Zeit beginnt. denn schon bald  wird die Luft knapp.

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Eine weitere One-Man-Show. Wie Robert Redford in  „All Is Lost“ oder im von Tom Hardy fantastisch gespielten „No Turning Back“ reiht sich nun Ryan Reynolds in die Riege von Darstellern ein, die einen Film alleine bewältigen. Um eines vorweg zu sagen: Reynolds ist besser als Redford, aber kann Hardy nicht das Wasser reichen.
Aber eins nach dem anderen. Es liegt nicht einmal an der Schauspielerleistung, die „Buried“ bei weitem nicht zu einem solche faszinierenden Ereignis macht wie „No Turning Back“. Es ist schon wirklich bemerkenswert, wie man einen ganzen Film auf engstem Raum in einem Sarg spielen lassen kann, ohne dass es langweilig wird. Denn langweilig ist Rodrigo Cortés‘ Kammerspiel auf keinen Fall. Es hapert eher an der Logik, die einem die ein oder andere Szene ein wenig vermiest. Die Sache mit dem Handyempfang zum Beispiel wirkte auf mich konstruiert und nicht glaubwürdig. Mal ist guter Empfang, mal schlechter oder eben gar keiner. Oft empfand ich die Telefonate auch nicht besonders nachvollziehbar.

Dennoch vermittelt „Buried“ oftmals eine beklemmende Atmosphäre, die Reynolds schauspielerisch auch bravourös meistert. Für den Plot, der zwar Spannung und unerwartete Wechsel enthält, abe dennoch nicht hundertprozentig zu überzeugen vermag, kann der Schauspieler ja nichts. Die Handlung ist für mich auch der Knackpunkt des Films. Auch wenn sie wohl sehr zynisch und gesellschaftskritisch wirken soll, untergräbt sie die beklemmende Spannung von Minute zu Minute und macht dadurch aus einem erschreckenden Ausgangsszenario einen eher mittelmäßigen Thriller. Ryan Reynolds legt durchaus eine fast oscarreife Leistung hin, kann aber das Handlungsdefizit leider dadurch nicht mit ausgleichen. Schon nach einer Stunde merkt man als Zuschauer, dass sich die Drehbuchautoren schwer getan haben, einen konstanten Handlungsbogen aufrechtzuerhalten. Es wird herumgesponnen und zwangsläufig wirkt das Ganze dann plötzlich wie eine künstlich in die Länge gezogene Geschichte.
Die Inszenierung ist solide, aber weitaus weniger innovativ, wie man es sich bei solch einer Story vorgestellt hätte. Da ist ein gewaltiges Potential an möglichen, raffinierten Kameraeinstellungen verschenkt worden, weil man auf eine geradlinige Erzählweise baute.

Wie schon erwähnt: Die Ausgangssituation ist wirklich toll und auch die ersten Ideen, die sich im Inneren des Sargs abspielen, sind durchaus sehenswert. Doch der Spannungsbogen läuft nicht konstant nach oben, sondern genau in die gegenteilige Richtung. Man fiebert das Ende herbei, das, nebenbei gesagt, auch nicht wirklich zufriedenstellend ist. So oft man sich auch nach knapp der Hälfte des Films endlich ein Ende herbeigesehnt hätte, so enttäuscht ist man dann, wenn es soweit ist und man nicht einmal ein akzeptables Finale serviert bekommen hat. Denn, man hält natürlich durch, weil man wissen will, wie es endet. Doch das Durchhaltevermögen lohnt sich dann leider nicht einmal.
Sehenswert ist alleine die schauspielerische Leistung von Ryan Reynolds und die, zumindest anfangs noch, teils interessanten Ideen, die man aus der Ausgangssituation herauskitzelt. Doch je mehr der Film fortschreitet, desto weniger Spannung erwartet einen.

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Fazit: Handlungstechnisch geht der Film genau den umgekehrten Weg, wie er es eigentlich machen sollte. Man wartet vergeblich darauf, dass sich die Spannungsschraube nach oben dreht, denn sie tut im Verlauf des Films genau das Gegenteil. Die schauspielerische Leistung von Ryan Reynolds ist allerdings absolut sehenswert.

© 2016 Wolfgang Brunner

Der Staat gegen Fritz Bauer (2015)

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Originaltitel: Der Staat gegen Fritz Bauer
Regie: Lars Kraume
Drehbuch: Lars Kraume, Olivier Guez
Kamera: Jens Harant
Musik: Julian Maas, Christoph M. Kaiser
Laufzeit: 105 Minuten
Darsteller: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Sebastian Blomberg, Jörg Schüttauf, Lilith Stangenberg,   Laura Tonke, Götz Schubert, Robert Atzorn, Matthias Weidenhöfer, Cornelia Gröschel, Rüdiger Klink, Dani Levy, Michael Schenk, Anna von Haebler, Nikolai Will
Genre: Thriller, Drama
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 12 Jahre

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Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hat sich der NS-Verbrechensaufklärung verschrieben hat und bekommt im Jahr 1957 einen entscheidenden Hinweis auf den Aufenthaltsort des früheren SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann. Bauer will Eichmann vor Gericht bringen, doch er wird dabei immer wieder aus den Reihen deutscher Persönlichkeiten aus den höchsten Kreisen behindert. Der junge Staatsanwalt Karl Angermann fühlt sich Fritz Bauer verpflichtet und hilft ihm. Doch schon bald wird nicht nur beruflich, sondern auch privat die Suche nach Eichmann für beiden zu einer Herausforderung.

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Ich war sehr gespannt auf diesen Film, weil ich im Vorfeld schon einiges darüber gehört hatte. Aber was ich bei diesem Polit-Thriller letztendlich zu sehen bekommen habe, hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Unglaublich intensiv und vor allem sehr menschlich erzählt Regisseur Lars Kraume eine wahre Geschichte, die vor Bauers eigentlich wichtigster Leistung in seiner Karriere, nämlich der Heraufbeschwörung des Auschwitz-Prozesses und seinem Bemühen, sämtliche Altnazis aus der deutschen Justiz zu entfernen. Kraume erzählt also die Geschichte vor der eigentlich bedeutenderen historischen Begebenheit. Und das macht er so gut, dass man kaum bemerkt, wie die Zeit verstreicht. Bis in die kleinste Nebenrolle ist dieser wunderbare Film fantastisch besetzt und zeigt einen überaus sensiblen und emotionalen Menschen. Burghart Klaußner spielt oscarreif. Man nimmt ihm jede Handlung ohne Einschränkung ab und fühlt mit ihm. Das ist einfach unglaublich.
Genauso verhält es sich mit Ronald Zehrfeld als junger Staatsanwalt Karl Angermann. Auch er geht sichtlich in seiner Rolle auf und verleiht der Figur einen glaubwürdigen, liebenswerten Charakter.

In einem sehr ruhigen, fast schon melancholischen Stil wird der Kampf eines Mannes erzählt, der sein Ziel erreichen will, koste es was es wolle. Unspektakulär, aber nichtsdestoweniger eindringlich, begleitet der Zuschauer Fritz Bauer auf seinem steinigen Weg. Entgegen anderer Meinungen empfand ich die (angeblich erfundene) Homosexualität Bauers absolut gut in den Handlungsstrang integriert. Doch offenbar ist an dieser Homosexualität doch etwas Wahres dran, wenn man ein wenig recherchiert. Auf jeden Fall haben gerade diese Szenen aus meiner Sicht die Einsam- und Verletzlichkeit des Mannes unterstrichen und seiner Figur eine tragische Rolle verliehen. Fritz Bauer wäre durch diese Neigung auf jeden Fall erpressbar gewesen, da es zur damaligen Zeit schließlich noch immer den § 175 gab. Ich fand diese Entwicklung und Beleuchtung von Bauers Person auf jeden Fall sehr interessant und auch glaubwürdig.

Regisseur Lars Kraume hat zusammen mit wunderbaren Schauspielern ein Stück deutsche Geschichte auf Film gebannt, das man sich unbedingt ansehen sollte. Ich hätte auf jeden Fall gut und gerne noch weitere zwei Stunden zusehen können, wie Fritz Bauer sich seiner selbst auferlegten Aufgabe widmet. Die Kulissen sind sehr authentisch und auch die Dialoge vermitteln einen glaubhaften Eindruck, wie es in jener Zeit zugegangen ist. Mich hat der Film absolut gefesselt und fasziniert. In erster Linie lag das an der ausdrucksstarken Darstellung von Burghart Klaußner, der der Person des Fritz Bauer eine unglaubliche Tiefe und Wärme verpasste, die nachhaltig beeindruckt.  Aber auch die handwerklich perfekte Inszenierung des (menschlichen und politischen) Dramas hatte großen Anteil an meiner Begeisterung.

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Fazit: „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ist ein beeindruckendes historisches Zeitgemälde mit einer oscarreifen Schauspielleistung von Burghart Klaußner.

© 2016 Wolfgang Brunner

No Turning Back (2013)

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Originaltitel: Locke
Regie: Steven Knight
Drehbuch: Steven Knight
Kamera: Haris Zambarloukos
Musik: Dickon Hinchliffe
Laufzeit: 85 Minuten
Darsteller: Tom Hardy
Genre: Drama
Produktionsland: Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich
FSK: ab 12 Jahre

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Ivan Locke, hingebungsvoller Ehemann und aufopfernder Leiter einer Großbaustelle, befindet sich auf dem Weg nach London, um einen verhängnisvollen Fehltritt in seinem Leben zu reparieren. Auf der Fahrt gerät sein komplettes Leben durcheinander und Locke versucht durch Telefonate sein Privat- und Berufsleben wieder in den Griff zu bekommen. Und nebenbei muss er sich auch noch seiner eigenen Vergangenheit stellen …

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Man mag es gar nicht glauben, dass so eine One Man-Show derart grandios funktioniert. Aber „No Turning Back“ lebt tatsächlich eindrucksvoll von Tom Hardys unglaublich intensiver Darstellerleistung und lässt dramaturgisch keine Wünsche offen. Wie ein Sog wird man von der Handlung mitgerissen, erlebt jeden Tiefschlag des Protagonisten fast schon am eigenen Leib und leidet mit. Die Monologe und Dialoge sind eindringlich und knackig, bringen die Gefühlslage des Protagonisten auf den Punkt und zusammen mit Hardys Mimik könnte man durchaus noch weitere zwei Stunden dem Fiasko zusehen.
Freunde von Action werden schon nach der ersten Viertelstunde gelangweilt das Handtuch schmeißen und sich nach einem anderen Film umsehen. Anhänger von ruhigen, aber dennoch spannenden Filmen werden in helle Begeisterung ausbrechen, wenn sie zusehen, wie ein einziger Schauspieler einen Film derart unter Kontrolle hat, dass es einem den Atem verschlägt.

Regisseur Steven Knight, der übrigens auch das Drehbuch verfasste, gelingt ein kleines Meisterwerk, wenn er den Zuschauer mit auf eine Autofahrt nimmt, auf der der Protagonist auf allen Fronten um sein „Überleben“ kämpft. Obwohl in diesen eineinhalb Stunden privat und beruflich so ziemlich alles den Bach runtergeht, erscheint der Plot niemals konstruiert und überladen, sondern immer glaubwürdig. Das mag mit Sicherheit an Hardys grandiosem Schauspiel liegen, aber auch Knight trägt eindeutig seinen Beitrag dazu bei, den Zuschauer zu fesseln. Sein ruhiger, so manches Mal künstlerisch anmutender Inszenierungsstil vermittelt eine unglaublich authentische Atmosphäre, der man sich nicht entziehen kann.

Es ist schon erstaunlich, wie spannend es sein kann, einem Mann eineinhalb Stunden beim Autofahren und Telefonieren zuzusehen. Doch Steven Knight hat seinem Protagonisten so ehrliche und emotionale Worte in den Mund gelegt, dass man förmlich an dessen Lippen hängt und mit ihm bangt und hofft. Tom Hardy hat mich schon in „The Drop“ begeistert, aber was er hier abliefert ist einfach nur sensationell. So muss ein Schauspieler agieren.
Hinzu kommt noch der wirklich gute und vor allem passende Soundtrack von Dickon Hinchliffe, der das Ganze noch perfekt untermalt. Man wünscht sich, es gäbe mehr solcher Filme, die sich auf Schauspieler, Regie und Dialoge und nicht auf Effekteorgien konzentrieren. Für mich ein ganz klarer Independent-Tip.

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Fazit: Schauspielerische Meisterleistung trifft auf einen gekonnten, minimalistischen Inszenierungsstil. Unbedingt anschauen!

© 2015  Wolfgang Brunner

Liebe (2014)

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Originaltitel: Liebe
Regie: Kai E. Bogatzki
Drehbuch: Kai E. Bogatzki
Kamera: Lucas Blank
Musik: René Bidmon
Laufzeit: 15 Minuten
Darsteller: Isabelle Aring, Nikolai Will
Genre: Drama
Produktionsland: Deutschland
Freigabe: —

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Nach einem Unfall findet das Glück des Ehepaars Christian und Sylvia ein abruptes Ende: Sylvia sitzt querschnittsgelähmt im Rollstuhl und Christian versucht mit allen Mitteln, seiner großen Liebe das Leben zu verschönern. Aber die Aufgabe zehrt an seinen Nerven und er beginnt zu trinken. Immer öfter kommt es zu Streitereien, bis eine dieser Auseinandersetzungen eskaliert. Aber Christian gibt nicht auf, die Liebe zu Sylvia aufrechtzuerhalten.

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„In guten wie in schlechten Zeiten“, heißt es bei der Eheschließung. Dieser Thematik nimmt sich Regisseur Bogatzki in seinem Kurzfilm „Liebe“ an und zeigt, an welche Grenzen ein Paar stößt, wenn das Glück von einer Sekunde auf die andere zerstört und die Beziehung auf die Probe gestellt wird. Auf sehr hohem Niveau schildert Bogatzki das Leben der beiden und zeigt, dass er das Regiehandwerk vorzüglich beherrscht. Lucas Blanks Kameraarbeit ist ebenfalls beachtlich, wenn er Mann und Frau durch die Wohnung und bei ihrem Alltag begleitet. René Bidmons Score ist der Hammer und untermalt das elegisch-melancholische Drama hervorragend. Das Zusammenspiel von Regisseur, Kameramann, Filmmusik-Komponist und den beiden Darstellern könnte besser nicht sein. Und obwohl im Film sehr viele (geniale) Schnitte sind, wirkt er immer ruhig und niemals hektisch.
Manchmal ähnelt das Szenario Michael Hanekes gleichnamigem Film aus dem Jahr 2012 („Liebe“), aber Bogatzki geht einen eigenen Weg, der an die Grenze des subtilen Horrors gelangt, sie aber im Grunde genommen eigentlich gar nicht überschreitet. Oder doch? Es ist eine Gratwanderung, die Bogatzki da begeht. Und er meistert sie grandios, wickelt den Zuschauer in ein Psychonetz ein, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Obwohl der Film nur eine Viertelstunde dauert, beinhaltet er eine beeindruckende und tiefgreifende Geschichte.

Nikolai Will verleiht seiner Rolle einen unglaublich dichten und authentischen Charakter. Liebevoller Ehemann, naiv verspielt kindlicher Pfleger oder streitlustiger Alkoholiker. Egal, was dieser Mann darstellt, er macht es einfach gut. Und wenn es, wie in diesem Fall, fast schon eine Art Kammerspiel ist, in der nur zwei Charaktere eine tragende Rolle spielen, dann blüht Will auf. Aber auch Isabelle Aring gibt eine gute Figur ab, obwohl sie nur selten zu sehen ist. Wahrscheinlich aber beeindruckt gerade die Bewegungslosigkeit und das Nichtagieren, das manches Mal an eine Puppe erinnert, unterbewusst den Zuschauer. Bogatzkis Reise in einen menschlichen Abgrund fesselt und verstört zu gleichen Teilen. Durch die grandiose Schauspielerleistung Nikolai Wills und den unglaublich gefühlvollen Soundtrack René Bidmons wird man von der ersten Minute an in eine eigenwillige Stimmung gerissen, die aus melancholischer Nostalgie und erschreckender Alptraum-Realität besteht. Man wird Voyeur und leidet sowohl mit dem Mann als auch der Frau.
Man möchte gerne wissen, was Bogatzki uns mit seiner traurigen Geschichte erzählen will und wird plötzlich aus seiner eigenen Lethargie, die der der Protagonisten gleicht, mit einem schockierenden Aha-Erlebnis herausgerissen. Im letzten Drittel wird „Liebe“ zu einem Schocker, der einen wirklich trifft und sprachlos macht. Und dennoch vermittelt dieses Ende erstaunlicherweise etwas melancholisch Verzweifeltes, das irgendwie eine unglaublich große Liebe darstellt. Wenn der Film zu Ende ist, bleibt Nachdenklichkeit und Traurigkeit zurück. Und die Erinnerung an einen unglaublich gut inszenierten Kurzfilm mit einem hervorragenden Hauptdarsteller und einer grandiosen Musik.

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Fazit: Intensiv, melancholisch, traurig und am Ende schockierend. Grandiose Schauspielerleistung von Nikolai Will, hammermäßige Musik von René Bidmon und erstklassige Regiearbeit. Den Namen Kai E. Bogatzki sollte man sich merken. Ich tue es auf jeden Fall. 🙂

© 2015 Wolfgang Brunner

Her (2013)

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Originaltitel: Her
Regie: Spike Jonze
Drehbuch: Spike Jonze
Kamera: Hoyte van Hoytema
Musik: Arcade Fire
Laufzeit: 126 Minuten
Darsteller: Joaquín Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, Olivia Wilde, Chris Pratt, Matt Letscher, Scarlett Johansson (Samanthas Stimme im Original)
Genre: Science Fiction, Drama, Liebesfilm
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 12 Jahre

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Los Angeles in naher Zukunft: Theodore hat eine Trennung hinter sich und verbringt seine Abende alleine und einsam in seiner Wohnung. Als er von einem intelligenten Computer-Betriebssystem erfährt, legt er sich dieses sofort zu. Das System spricht mit ihm, reagiert verständnis- und liebevoll auf seine Worte und schon bald beginnt Theodore, sich in die Stimme und das System zu verlieben …

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Schon nach den ersten Minuten wurde mir klar, dass „Her“ ein Film wird, den ich lieben würde. Und ich habe mich nicht getäuscht. Spike Jonzes Zukunfts-Liebes-Drama ist schlichtweg genial. Die Stimmung, die Jonze schafft, ist der absolute Wahnsinn. Jonze, Ehemann von Sofia Coppola, legte bereits mit dem grandiosen „Being John Malkovich“ einen nicht alltäglichen Film vor. Mit „Her“ übertrifft er sich aber sogar selbst. Was wie eine Zukunftsvision erscheint, könnte in ein paar Jahren bereits erschreckende Realität sein. Wie Jonze diese tragische Cyberspace-Lovestory umgesetzt hat, ist schwer zu erfassen, denn man meint tatsächlich, Zeuge einer wahren Geschichte zu sein.

Joaquin Phoenix legt eine oscarreife Schauspielerleistung hin, die unvergesslich bleibt. Seine Darstellung eines einsamen, verzweifelten Mannes auf der Suche nach einer perfekten Liebe ist unglaublich intensiv und glaubwürdig. Für mich ist diese Rolle der bis jetzt unübertreffliche Höhepunkt seiner Karriere. Ich konnte mich an seiner Darstellung überhaupt nicht sattsehen, so gefühlvoll und echt war sie. Überhaupt hatte das ganze Szenario einen Reiz, dem ich mich nicht entziehen konnte.
Melancholisch, herzerweichend und irgendwie auch todtraurig wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der sich in die Stimme eines Betriebssystems verliebt. Jonzes Film zeigt, dass Liebe durchaus auch körperlos existieren kann. Es ist eine philosophische Gratwanderung, die „Her“ darstellt, und nicht jeder wird diese Art Liebeserklärung mögen. Für mich war dieser Streifen eine Art Lebenserfahrung, die man schwer erklären kann. „Her“ muss man einfach gesehen haben! Dieses tragische Dystopie-Liebesdrama ist eines der intelligentesten der letzten Jahre. Die Zukunft, die Jonze zeigt, ist nur noch ein paar Schritte von uns entfernt und wenn wir nicht aufpassen, verlieren wir Menschen tatsächlich den Bezug zu wahrer Liebe und flüchten uns in die vermeintliche „Wärme“ eines Betriebssystems.

„Her“ weckt Emotionen, mit denen man bei der Thematik dieses Films nicht rechnet. Unweigerlich wird der Zuschauer, der sich auf dieses Spiel einlässt, von einer tiefen Melancholie erfasst, die traurig und irgendwie glücklich zugleich macht. „Her“ ist ein unvergessliches, unvergleichliches und beeindruckendes Erlebnis, das abseits des Mainstream zeigt, wie gute Filme mit hervorragender Schauspielerei auszusehen haben.

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Fazit: Eine emotional wuchtige Lebenserfahrung voller Melancholie und Liebessehnsucht. Eindeutig Joaquin Phoenix‘ bisheriger Karriere-Höhepunkt. Seine Darstellung ist grandios.

© 2015 Wolfgang Brunner

American Sniper (2014)

american sniper

Originaltitel: American Sniper
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: Jason Dean Hall
Kamera: Tom Stern
Musik: —
Laufzeit: 132 Minuten
Darsteller: Bradley Cooper, Sienna Miller, Max Charles, Luke Grimes, Kyle Gallner, Jake McDorman, Sam Jaeger
Genre: Thriller, Kriegsfilm, Drama
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahren

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Die Geschichte des Scharfschützen Chris Kyle, der während seiner Einsätze 160 Menschen tötete. Chris ist bald schon süchtig danach, „böse“ Menschen zu töten, um „gute“ Menschen zu retten. Dabei vernachlässigt er  sein Privatleben und verfällt immer mehr in eine Besessenheit, der er sich bald schon nicht mehr entziehen kann.

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Clint Eastwoods Film polarisiert. Ich kann das alles nur teilweise nachvollziehen, denn Eastwood verbreitet ja nicht seine eigene Meinung zur Thematik „Scharfschützen im Krieg“, sondern inszenierte eine wahre Geschichte. Chris Kyle war wohl derartig besessen von seiner Aufgabe, dass er alles andere um sich vergaß.
„American Sniper“ ist, wie so ziemlich jeder Fim von Clint Eastwood, ganz großes Kino. Relativ unspektakulär erzählt Eastwood die Geschichte eines Besessenen, der im Grunde genommen einsam und bedauernswert ist. Die vielen Schießereien wechseln sich mit sehr eindringlichen (auch psychologisch gut beobachteten) Szenen ab, die einen zwar nicht unbedingt tief im Herzen berühren, aber dennoch beeindrucken.

Aber der größte Pluspunkt des Films ist, außer er souveränen Regiearbeit, Hauptdarsteller Bradley Cooper. Er verkörpert den Charakter des Scharfschützen Chris Kyle derart glaubhaft, dass man meinen könnte, keinen Spielfilm, sondern eine Dokumentation zu sehen. Zum einen sieht Cooper dem Mann, den er darstellt, verblüffend ähnlich, zum anderen nimmt man ihm jede Gefühlsregung (oder auch -nichtregung) ohne Einschränkungen ab. Cooper spielt oscarreif und legt hier eindeutig die beste Leistung seiner bisherigen Karriere ab. Es ist eine wahre Freude, Cooper zuzusehen, wie er einen Mann darstellt, der an seiner selbst auferlegten patriotischen Aufgabe zerbricht und dabei fast seine Familie verliert.

„American Sniper“ ist nicht unbedingt Clint Eastwoods bester Film, dennoch hat er das Zeug zum Kultfilm, was schlicht an der feinfühligen Inszenierung und der grandiosen Darstellerleistung von Bradley Cooper liegt. Man kann über solche Scharfschützeneinsätze denken, was man will, Eastwood hat aber meiner Meinung nach das zweischneidige Schwert optimal gelöst, in dem er die Problematik dieser Vorgehensweisen und die Unsicherheiten eines solchen Scharfschützen mit viel Fingerspitzengefühl darstellte. Die Diskussion um den Film und die Vorwürfe, Eastwood würde den Krieg gegen den Terror befürworten, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Auch wenn an vielen Stellen gesagt wird, „American Sniper“ sei sowohl ein Kriegsfilm als auch ein Anti-Kriegsfilm, ist er für mich eindeutig letzterer.

Sicherlich wird teils fanatischer Patriotismus dargestellt, aber wenn man den Film gesehen hat, bleibt in erster Linie ein Eindruck zurück, der gegen den Wahnsinn solcher Kriege spricht. Mich hat „American Sniper“ beeindruckt und gerade an Coopers Schauspiel konnte ich mich gar nicht sattsehen.

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Fazit: Unter die Haut gehende Studie eines Scharfschützen, der an seiner selbstauferlegten patriotischen Aufgabe, Menschenleben seines Volkes zu retten, zerbricht. Umwerfendes Schauspiel von Bradley Cooper.

© 2015 Wolfgang Brunner