Originaltitel: Dogma Dogma
Regie: Marco Romagnoli
Drehbuch: Marco Romagnoli
Kamera: Marco Romagnoli
Musik: Dufsen
Laufzeit: 18 Minuten
Darsteller: Omid Tabari, Emre Kubat, Jesse Albert , Nikolaus Benda, Daniel Müller, Moloch
Genre: Thriller, Kurzfilm
Produktionsland: Deutschland
FSK: k.A.
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Zwei Türken belästigen auf offener Straße eine Frau. Zwei Deutsche geben sich als Polizisten aus und „verhaften“ die beiden Ausländer. Schnell stellt sich aber heraus, dass sie einen Hass auf Ausländer haben und an ihnen ein Exempel statuieren wollen. Sie bringen ihre Opfer in eine Autowerkstatt, wo sie klarmachen, was sie von Ausländern, Migranten und Flüchtlingen halten.
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Der Kölner Regisseur Romagnoli weiß, wie man die Gefühle des Zuschauers schon in den ersten Einstellungen herauslockt. Als die beiden Türken eine ahnungslose Frau belästige, spürt man als Zuseher sofort, wie einem der Hals anschwillt. Zu gut kennt man diese Szenarien aus der Realität, obwohl es sich da oftmals auch um Deutsche und eben keine Ausländer handelt. Aber der Plot braucht diese Ausgangssituation, dieses Klischee der meisten Deutschen, dass alle Ausländer kein Benehmen haben und uns schaden wollen. Romagnoli packt den Zuschauer gnadenlos und lässt ihn erst einmal in die Rolle der angeblichen Polizisten schlüpfen. Unweigerlich identifiziert man sich nicht mit den Tätern, sondern mit den Rächern. Da ist dem Regisseur ein ganz geschickter Schachzug gelungen, in dem er den Zuseher in eine Rolle zwängt, die er ursprünglich vielleicht gar nicht annehmen möchte.
Doch Romagnoli ist noch nicht fertig mit seinen Charakterzeichnungen, die er erstaunlicherweise in einer knapp zwanzigminütigen Lauflänge äußerst detailliert ausarbeitet. Einer der beiden Türken zeigt so etwas wie Reue, während der andere an seinem Macho-Status festhält. Und nun kommen die „besorgten Bürger“ -wie sie im Abspann genannt werden- ins Spiel. Und plötzlich beginnt man als Zuschauer zu zweifeln, ob denn wirklich alle Ausländer so sind, wie dem Großteil der deutschen Bevölkerung immer weisgemacht wird. Schleichend wechselt man die Seiten, fühlt sich in einem Moment näher bei den Deutschen, im anderen aber empfindet man durchaus Empathie für die Opfer. Es ist ein Spiegel, den der Regisseur uns da vors Gesicht hält, mit dem er uns zeigen will, wie viele von uns Deutschen sind, aber nicht sein sollten.
Schauspielerisch gibt es nichts auszusetzen. Emre Kubat und Omid Tabari überzeugen absolut, genauso wie Jesse Albert, Daniel Müller, Nikolaus Benda und Moloch. Letzterer ist ausnahmsweise mal wieder nicht hinter einer Horrormaske verborgen und kann dadurch zeigen, dass er auch als „Mensch“ was kann. Es macht unglaublich Spaß -wenn man bei einer derartig bedrohlichen Atmosphäre überhaupt von Spaß reden kann- dem Ensemble zuzusehen.
Man merkt, dass alle mit hundert Prozent bei der Sache waren und alles mögliche gaben. Das Ergebnis kann sich definitiv sehen lassen.
Und Marco Romagnoli zeigt nicht nur als Regisseur Talent, sondern ist auch für die ansprechende Kameraarbeit zuständig.
Mit „Dogma Dogma“ ist Romagnoli ein spannender und bedrückender Kurzfilm gelungen, der ein Thema behandelt, dass es schon seit Jahrzehnten gibt und in letzter Zeit wieder aktueller denn je geworden ist: Ausländerfeindlichkeit in Deutschland.
Allerdings gelingt hier das Wunder, dass die Täter- und Opferrollen nicht klar dargestellt werden, sondern verwischen, so dass sich der Zuschauer unweigerlich noch weiter mit der Thematik befasst, nachdem der Film längst zu Ende ist. Ich fände es gar keine schlechte Idee, wenn dieser Film Pflichtprogramm an deutschen Schulen wäre. Er gäbe nämlich einen perfekten Ausgangspunkt für eine Diskussion ab, die unter Umständen zu Hause mit den Eltern weitergeführt werden könnte.
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Fazit: Nachdenklich stimmender Kurzfilm mit einer bedrückenden Atmosphäre, der das Thema „Ausländerfeindlichkeit“ sehr nachhaltig behandelt.
© 2017 Wolfgang Brunner