City of Lies ( 2018)

Originaltitel: City of Lies
Regie: Brad Furman
Drehbuch: Christian Contreras
Kamera: Monika Lenczewska
Musik: Chris Hajian
Laufzeit: 112 Min.
Darsteller: Johnny Depp, Forest Whitaker, Toby Huss, Dayton Callie, Louis Herthum, Shea Whigham, Xander Berkeley, Michael Paré, Neil Born Jr., Shamier Anderson
Genre: Drama, Thriller, Krimi, Biopic, Filmbiografie
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahre

*

1996 wird der Rapper Tupac Shakur erschossen und nur wenige Monate später sein Kollege und Konkurrent The Notorious B.I.G.
Russell Poole übernahm damals die Ermittlungen, konnte aber damals keinen der Fälle aufklären. Doch Jahre später hat er den Fall noch immer nicht vergessen und recherchiert auf eigene Faust. Eines Tages bekommt er unverhoffte Unterstützung von dem Journalisten Jack Jackson, mit dem er nach so vielen Jahren erneut versucht, die Morde aufzuklären.

*

Letztendlich ist es egal, ob man sich an die Morde der beiden Rapper erinnern kann, die Intensität dieses Thrillers hängt jedenfalls nicht davon ab. Regisseur Brad Furman erschafft eine sehr eindringliche Atmosphäre, mit der er die wahre Kriminalgeschichte mit fiktiven Ereignissen und Personen vermischt und einen atemberaubenden Film zustande bringt. Das Schauspiel von Johnny Depp und Forest Whitaker ist ungemein stark und lässt in keiner Minute des Films nach. Es ist eine wahre Freude, den beiden dabei zuzusehen, wie sie den alten Fall aufrollen und zu lösen versuchen. Brad Furmans Regiearbeit ist sehr eindringlich, wirkt aber niemals überzogen spektakulär, sondern konzentriert sich auf eher ruhige Art und Weise dem Ermittler-Duo. „City of Lies“ ist kein Actionfilm, sondern Erzählkino. Durch die sehr intensive Erzählweise vergisst man schon bald, dass nicht alles der Wahrheit entspricht und vieles erfunden wurde. Der Charakter des von Whitaker dargestellten Journalisten Jack Jackson entsprang einzig und allein den Gedanken des Drehbuchautoren.

Ich habe eingangs erwähnt, dass es nicht wichtig ist, ob man sich an die damaligen Ereignisse erinnern kann. Zu dieser Aussage stehe ich nach wie vor, denn „City of Lies“ funktioniert auch ohne ein solches „Vorwissen“ und entsprechende Erinnerungen. Wer aber diese Morde in der Presse verfolgt hat, wird ein leichtes Kitzeln, verbunden mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend verspüren, wenn er sich diesen Film ansieht. Fakt ist jedenfalls, dass Regisseur Furman eine geniale Gratwanderung zwischen realen und fiktiven Begebenheiten hinbekommen hat, deren hypnotischem Sog man sich nur schwer entziehen kann.
Sicherlich wird dieser Film, vor allem wegen seiner ruhigen Erzählweise, einige schlechte Bewertungen erhalten, aber gerade in Zeiten, in denen erfolgreiche Blockbuster in der Regel nur noch aus Unmengen an Spezialeffekten bestehen, wirkt „City of Lies“ erfrischend und angenehm. Hier zeigt Johnny Depp, dass er durch und durch Schauspieler ist und nicht nur auf exzentrische Rollen, in denen man ihn meistens sieht, spezialisiert ist, sondern eben auch starke Charakterrollen übernehmen und meistern kann.

„City of Lies“ ist ein großer „kleiner“ Film, der in jeder Hinsicht unterhalten kann und noch lange im Gedächtnis haften bleibt.
Besonders beeindruckend ist es, dass sich die Mutter von Christopher Wallace alias Notorious B.I.G in diesem Film selbst spielt. Diese Szenen zusammen mit Johnny Depp und Forest Whitaker stellen wunderbare Momente dar, bei denen dem Publikum, das sich an die schrecklichen Ereignisse von damals erinnert, wider ins Gedächtnis gerufen wird, dass hinter diesem Drama echte Menschen stehen, die real sind und nach wie vor nach Gerechtigkeit für den Tod ihres Familienmitglieds verlangen. Neben dem Mordfall / den Mordfällen bekommt der Zuschauer eine außergewöhnliche Charakterstudie über einen verbissenen Mann zu sehen, der nicht aufgibt und von Johnny Depp grandios verkörpert wird.

*

Fazit: Sehenswerte Mischung aus Fakten und Fiktion mit tollen Schauspielern.

©2021 Wolfgang Brunner

Der Pass (2018)

Originaltitel: Der Pass
Regie: Cyrill Boss, Phillip Stennert
Drehbuch: Phillip Stennert, Cyrill Boss, Mike Majzen
Kamera: Philip Peschlow
Musik: Jacob Shea
Laufzeit: 480 Minuten (8 Episoden á zwischen 42 und 60 Minuten)
Darsteller: Julia Jentsch, Nicolas Ofczarek, Franz Hartwig, Hanno Koffler, Lucas Gregorowicz, Lukas Miko, Natasha Petrovic, Martin Feivel, Theresa Martini, Victoria Trauttmannsdorff
Genre: Krimi, Thriller
Produktionsland: Deutschland, Österreich
FSK: ab 16 Jahre

*

In den Bergen, auf der deutsch-österreichischen Grenze, wird eine Leiche gefunden. Beide Länder senden Ermittler: Die Kommissarin Ellie Stocker aus Berchtesgaden soll mit dem erfahrenen Wiener Kriminalbeamten Gedeon Winter zusammenarbeiten. Während der Ermittlungen bekommt das Ermittler-Duo immer mehr den Eindruck, dass der Mörder einen größeren Plan verfolgt.

*

Schon der Anfang erschafft innerhalb weniger Minuten eine unglaubliche Atmosphäre und entwickelt einen Sog, dem sich der Zuschauer die ganzen weiteren Folgen nicht mehr entziehen kann. Die alpine Kulisse, die düstere Stimmung, die mehr als genial dazu passende Musik und das Aufeinandertreffen deutscher und österreichischer Ermittler an der Grenze ihrer Länder machen „Der Pass“ zu einer der grandiosesten Krimiserien, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Das Zurschaustellen der Leichen erinnert zwar an filmische und literarische Vorbilder, wirkt aber niemals kopiert oder plump nachgestellt, sondern vermittelt eher eine eigene Version dieser bekannten Bilder, die man dabei in den Kopf bekommt. „Der Pass“ macht bereits nach der ersten Episode süchtig und man ertappt sich dabei, dass man überlegt, die ganze Staffel an einem Abend „durchzusuchten“. 😉
Die Landschaftsaufnahmen sind beeindruckend und harmonieren mit der ganzen Atmosphäre, die diese Serie ausstrahlt. Die düstere Grundeinstellung zieht sich durch die ganze Staffel, was nicht nur an den grandiosen, aber auch bedrückenden Aufnahmen liegt, sondern auch an den durchwegs talentierten Schauspielern, die der Geschichte eine glaubhafte und in sich stimmige Richtung verleihen.

Kommen wir nun zu einem Punkt, der die Serie, neben der meisterhaften Inszenierung und den wunderschönen Landschaftsaufnahmen, von anderen Genrebeiträgen um einige Punkte abhebt: die Schauspieler. Zuerst einmal spielt Julia Jentsch ihren Charakter so natürlich, dass es eine wahre Freude ist, ihr dabei zuzusehen. Sie stellt die Figur der Ellie Stocker so menschlich und warm dar, dass man zeitweise vergisst, einer Schauspielerin zuzusehen und denkt, Jentsch spiele sich einfach nur selbst. Dieses hohe Niveau fällt in keiner einzigen Episode auch nur annähernd ab. Und neben ihr kommt dann Nicolas Ofczarek als Gedeon Winter ins Spiel, der in dieser Rolle aufgeht und eine unvergleichliche Leistung bringt, die eines Oscars würdig wäre. Sein grantlerisches, aber dennoch sympathisches Wesen kollidiert mit der trockenen Art einer grenznahen Deutschen, die aber ebenfalls einen unvergleichlichen Charme versprüht. Dieses Aufeinandertreffen bekommt man nicht mehr so schnell aus dem Kopf, denn da gibt ein Wort das andere, da harmonieren bestimmte Verhaltensweisen, obwohl sie eigentlich gar nicht harmonieren können, und, obwohl die beiden nicht wirklich zusammenpassen, passen sie hervorragend zusammen und agieren miteinander, als hätten sie nie etwas anderes getan. Es ist eine tiefe, innige Freundschaft, die diese beiden Menschen verbindet, und das wird in den einzelnen Folgen immer intensiver dargestellt – wie das Leben in Wirklichkeit auch spielt. Man wartet irgendwann tatsächlich immer darauf, ob sich die beiden nun doch noch näher kommen. Man hätte den beiden gut und gerne noch einige Stunden länger zusehen können.

Ein äußerst wichtiger Punkt, der die ganze Staffel neben den hervorragenden Schauspielern und der tollen Inszenierung auf geniale Weise unterstützt, ist der Score von Jacob Shea. Von niemand geringerem als Hans Zimmer produziert, untermalt der Komponist die düsteren Bilder mit einem epischen Klangteppich und verwandelt die ruhigen, melancholischen Szenen mit einem zauberhaften Klavierspiel zu fast schon märchenhaften Passagen. Ich habe dieses Zusammenspiel zwischen gezeigten Bildern und gehörten Emotionen genossen.
Immer wieder wird der originale österreichische Dialekt von Nicolas Ofczarek kritisiert. Die einen verstehen sein „Genuschel“ nicht, die anderen beschweren sich über die eingeblendeten Untertitel, weil sie nervig seien. Beide Kritikpunkte kann ich nicht nachvollziehen: Ich als geborener Bayer verstehe Ofczarek sowieso, aber 80Prozent seiner Worte sind auch so zu verstehen, man hätte also die Untertitel in den meisten Fällen tatsächlich nicht gebraucht. Andererseits stören sie absolut nicht, wenn sie hin und wieder eingeblendet werden und man die Worte „auf die Schnelle“ nochmal nachlesen kann.
Ganz im Gegenteil, denn genau dieses sprachliche Aufeinandertreffen macht das Ganze authentisch und stimmungsvoll. Das war einer der Punkte, der mir an „Der Pass“ ohnehin am besten gefallen hat.
Nochmals: „Der Pass“ ist eine Serie, die süchtig macht und die man sich immer wieder einmal ansehen kann. Bleibt nur zu hoffen, dass die zweite Staffel noch fertig gedreht wird, da die Dreharbeiten wegen der Corona-Pandemie zum Stillstand kamen. 😦

*

Fazit: Eine Serie zum Niederknien. Düster, spannend, authentisch, einfach nur grandios.

©2021 Wolfgang Brunner

Grand Isle – Mörderische Falle (2019)



Originaltitel: Grand Isle
Regie: Stephen S. Campanelli
Drehbuch: Iver William Jallah, Rich Ronat
Kamera:  Eric Moynier
Musik: Josh Atchley
Laufzeit: 98 Minuten
Darsteller: Nicholas Cage, KaDee Strickland, Luke Benward, Kelsey Grammer, Zulay Henao, Oliver Trevena, Emily Marie Palmer
Genre: Thriller
Produktionsland: USA
FSK: ab 16 Jahre

*

Ein Hurrikan zieht auf. Das Ehepaar Walter und Fancy Franklins bieten dem Hilfsarbeiter Buddy an, in ihrem Anwesen Unterschlupf zu finden, bis sich das Unwetter gelegt hat. Buddy nimmt erleichtert die Einladung an, doch schon bald versucht Fancy ihn zu verführen. Kurze Zeit später bietet Walter ihm eine hohe Geldsumme an, wenn er Fancy tötet. Buddy ist plötzlich in einem bösartigen Spiel des Paars gefangen.

*

Ich bin ja immer sehr gespannt, was Nicholas Cage neuerdings immer abliefert, da er mich sowohl in „Mandy“ als auch in „Die Farbe aus dem All“ wieder mehr überzeugt hat, als in den vorhergehenden Filmen (den atemberaubenden „Joe“ mal außer acht gelassen). Nun, mit „Grand Isle“ setzt er den Weg, den er seit einiger Zeit wieder eingeschlagen hat, fort und konnte mich wieder einmal absolut überzeugen. Ich behaupte mal, dass er hier sogar eine Rolle einnimmt, die ihm geradezu auf den Leib geschnitten ist: Ein wenig verrückt, ein wenig diabolisch … also Cage, wie man ihn kennt und mag. 😉
„Grand Isle“ wirkt im ersten Moment ein wenig seltsam, weil man nicht wirklich dahinterkommt, welchen Film man eigentlich sieht. Drama, Thriller, Krimi oder gar Horror? Ein bisschen was von allem spielt mit, bevor man immer mehr begreift, um was es eigentlich geht. Das ist äußerst ansprechende in Szene gesetzt und es wird einem tatsächlich in keiner Sekunde langweilig.

Es bleibt lange Zeit undurchschaubar, was mit dem Ehe paar ist. Man denkt sich sicherlich, dass sie irgendetwas im Schilde führen, aber das Drehbuch von Iver William Jallah und Rich Ronat gibt in dieser Hinsicht schon einiges her. Es macht auf alle Fälle unglaublich Spaß, diesen Entwicklungen zu folgen und sich dabei Gedanken zu machen, wie sich das Ganze auflösen könnte. Inszenatorisch kann man an „Grand Isle“ eigentlich auch nicht viel aussetzen, zumal der Film eher einem Kammerspiel gleicht, weil er die meiste Zeit im Inneren des Hauses spielt. Der Spannungsbogen wird jedenfalls durchgehend aufrecht erhalten und, auch wenn der Hurrikan leider keine besonders große Rolle spielt, so ist die Grundstimmung, die diese Ausgangssituation bereitet, sehr ansprechend.

Schauspielerisch sind die drei Protagonisten absolut überzeugend von Nicholas Cage, KaDee Strickland und Luke Benward. Vor allem letzterer hat es mir so richtig angetan in dieser Rolle. Benward spielt den naiven „Jüngling“ genauso überzeugend wie später den taffen Kämpfer, der sich gegen die Anschuldigungen verteidigen muss. Es ist wirklich ein Riesenspaß diesen drei Schauspielern zuzusehen. Alleine wegen deren Leistungen sollte man sich „Grand Isle“ schon ansehen, aber auch die Auflösung des Plots lohnt eine Sichtung. Stephen S. Campanellis Thriller erfindet das Rad nicht neu, kann aber mit einer durchdachten Handlung und einem tollen Schauspieler-Ensemble überzeugen.

*

Fazit: Tolle Schauspielerleistungen und ein raffinierter Plot bieten gute Unterhaltung.

©2020 Wolfgang Brunner

Der Tod ist nicht umsonst (2020)

tod

Originaltitel: Der Tod ist nicht umsonst
Regie: Dorian Valentino
Drehbuch: Thomas Goersch
Kamera:  Dorian Valentino
Musik: Martin Gerke
Laufzeit: 23 Minuten
Darsteller: Thomas Goersch, Timur Güler, Maximilian Winter
Genre: Kurzfilm, Komödie, Krimi, Gay
Produktionsland: Deutschland
FSK: k.A.

*

Ben und Nick sind ein Paar. Und sie haben ein Problem. Denn Ben ist fremdgegangen und dabei … nun ja, verlor sein Liebhaber das Leben. Jetzt soll Marc den beiden aus der Patsche helfen. Aber Marc will dafür eine ganz spezielle Belohnung haben und möchte gerne Ben und Nick in seinem Bett sehen. Und zwar nackt …

*

„… und dann vergraben wir den Veganer“, sagt Marc, der sich bereits auf seine Belohnung freut. „Der Tod ist nicht umsonst“ ist ein witziger Kurzfilm, den man nicht allzu ernst nehmen sollte und der ungemein Spaß macht, wenn man sich sowohl auf die Handlung als auch auf die drei Akteure einlassen kann. Vor allem Timur Güler hat es mit mit seinem natürlichen Schauspiel angetan. Aber auch Thomas Goersch und Maximilian Winter passen absolut gut. Goersch, der auch das Drehbuch verfasst hat, kenne ich bereits aus anderen Filmen und auch hier konnte er mich überzeugen. Winter geht anfangs ein wenig unter und erhält erst in der zweiten Hälfte mehr Aufmerksamkeit, so dass letztendlich die Rollenverteilung unter den drei Protagonisten ziemlich gleich ausfällt.

Besonders gefallen haben mir die humorvollen Dialoge und die daraus resultierende, schauspielerische Situationskomik der drei Protagonisten. Immer wieder fallen Sätze, die szenetypisch sind und einem ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern. „Der Tod ist nicht umsonst“ ist ein Projekt, dem man ansieht, wie viel Spaß die Macher dabei hatten. Ohne viel Aufwand wurde eine unterhaltsame Geschichte inszeniert, die in erster Linie von den Schauspielern lebt. Im Gegensatz zu seinem Kurzfilm „Sommerkälte“, der auf düstere Art und Weise die Einsamkeit eines Mannes beschreibt, begibt sich Regisseur Dorian Valentino hier auf eine vollkommen andere Reise, was aber nicht heißt, dass diese genauso unterhaltsam ausfällt. Nur eben anders. Es ist aber gerade die Einfachheit der Inszenierung, die einem dann doch irgendwie im Gedächtnis haften bleibt.

Insgesamt betrachtet wird der Independentfilm wahrscheinlich – wie so viele solcher Produktionen – die Lager spalten. Die einen werden ihn mögen, dazu zähle ich, andere werden in ihm nichts wirklich Besonderes sehen. Das ist natürlich alles immer Geschmackssache, nur sollte man dabei immer eines im Auge behalten. Hinter jedem Projekt dieser Art steckt eine Menge Herzblut und die Beteiligten geben ihr Bestes, um daraus ein für sie zufriedenstellendes Ergebnis abzuliefern. „Der Tod ist nicht umsonst“ ist genau so ein Herzensprojekt, dem man genau dieses auch noch ansieht. Ich fühlte mich über zwanzig Minuten lang absolut unterhalten und schloss die Darsteller in mein Herz. Genau dies schafft so manche größere Produktion in einer fünf Mal so langen Spieldauer nicht – was will man also mehr? 😉
Ich war jedenfalls von Dorian Valentinos Gay-Krimi-Komödie positiv und angenehm überrascht und werde Regisseur und Schauspieler in Zukunft im Auge behalten.

*

Fazit: Sympathische und amüsante Gay-Krimi-Komödie.

© 2020 Wolfgang Brunner

Verurteilt – Jeder hat etwas zu verbergen (2018)

verurteilt

Originaltitel: Acusada
Regie: Gonzalo Tobal
Drehbuch: Ulises Porra, Gonzalo Tobal
Kamera: Fernando Lockett
Musik: Rogelio Sosa
Laufzeit: 104 Minuten
Darsteller: Lali Espósito, Gael Garcia Bernal, Leonardo Sbaraglia, Inés Estévez, Daniel Fanego, Gerardo Romano, Martina Campos
Genre: Drama, Thriller
Produktionsland: Argentinien
FSK: ab 12 Jahre

*

 Zwei Jahre nach dem gewaltsamen Tod ihrer besten Freundin muss sich die junge Dolores vor Gericht verteidigen,da sie unter Mordverdacht steht. Während ihre Eltern das Mädchen auf den Prozess vorbereiten, kämpft Dolores mit den Dämonen ihrer Vergangenheit.

*

Gonzalo Tobas Gerichtsfilm braucht nicht lange, um den Zuschauer in einen hypnotischen Sog zu ziehen, dem man bis zum Ende des Dramas nicht mehr entkommen kann. In einer wunderbar ruhigen, aber nichtsdestotrotz sehr spannenden und emotionalen Weise lässt uns der Regisseur an den Problemen und der Gefühlswelt der Protagonistin teilhaben. Präzise, aber dennoch ein wenig undurchschaubar, präsentiert Tobas den Mordfall, der den Fall des „Engels mit den Eisaugen“, Amanda Knox, als Ausgangsidee benutzt. Lali Espósito zeigt eine wirklich beeindruckende darstellerische Leistung, die sie konstant durch den ganzen Film aufrechterhält. Aber nicht nur sie, sondern auch das komplette Ensemble kann durchwegs mit seinem Agieren überzeugen.

Es ist vor allem die ruhige, und im Grunde genommen absolut unspektakuläre Inszenierung, die diesen Film so intensiv und authentisch wirken lässt. Keine reißerischen Szenen, kein blutiger Mord, der detailliert zeigt, wie jemand sein Leben verliert und keine atemberaubende Gerichtsverhandlung, bei der mit allen Mitteln um die Schuld oder Unschuld der Angeklagten gekämpft wird. Untermalt von einer fantastischen, atmosphärischen Musik wendet sich Regisseur Gonzalo Tobas vielmehr der Psyche der Protagonistin zu und zeigt, wie man innerhalb der Familie mit den Verdächtigungen umgeht. Das Ganze wirkt dabei so echt, dass man tatsächlich in manchen Momenten vergisst, einer erfundenen Geschichte beizuwohnen. Für viele ist dieser gemächliche Inszenierungsstil mit Sicherheit ein ganz großer Minuspunkt, der in der heutigen Kinowelt, in der es nur noch um „größer, besser, bombastischer“ geht, keine Chance und auch keinen Bestand hat. Für Filminteressierte, die sich für Schauspielerei und inszenatorische Feinheiten begeistern können, wird „Verurteilt“ ein kleiner Höhepunkt sein.

Wer Tobas‘ Vorgängerfilm „Der unsichtbare Gast“ kennt, weiß, was ihn bei „Verurteilt – Jeder hat etwas zu verbergen“ erwartet. Ein gefühlvolles Drama, das zwar eine schreckliche Tat erzählt, sich aber eigentlich auf etwas völlig anderes konzentriert: nämlich das Innenleben eines Menschen, der mit seinen Problemen nicht klar kommt.
Durch seine raffinierte Erzählweise wird der Film in keiner Sekunde langweilig, weil man mit der Protagonistin (und auch deren Familie) mitfiebert und wissen möchte, was wirklich geschehen ist. „Verurteilt – Jeder hat etwas zu verbergen“ ist einer jener Ausnahmefilme, die bedeutend mehr Aufmerksamkeit verdient hätten, als ihnen zukommt. Wer großes Erzählkino mag, wird an diesem Drama / Thriller nicht vorbeikommen.

*

Fazit: Großartig erzähltes Drama, das durch seine ruhige Inszenierung punkten kann.

© 2019 Wolfgang Brunner

Big Driver (2016)

Originaltitel: Big Driver
Regie: Mikael Salomon
Drehbuch: Richard Christian Matheson
nach einer Kurzgeschichte von Stephen King
Kamera: Steve Cosens
Musik: Jeff Beals
Laufzeit: 84 Minuten
Darsteller: Maria Bello, Ann Dowd, Will Harris, Joan Jett, Olympia Dukakis, Jennifer KyddTara Nicodemo
Genre: Thriller
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 16 Jahre

*

Nach einer Lesung bleibt die Schriftstellerin Tess Thorne während der Heimfahrt aufgrund einer Reifenpanne in einer verlassenen Gegend mit dem Auto liegen. Ein riesiger, aber sehr freundlicher Mann hilft ihr und bietet an, den Reifen zu wechseln. Doch noch bevor er sich an die Arbeit macht, bedrängt er Tess und ist alles andere als nett zu ihr.  Tess überlebt den Angriff und findet zurück ins Leben. Doch sie kann das Geschehen nicht vergessen und entschließt sich eines Tages, sich auf die Suche nach dem großen Mann zu machen, der ihr das angetan hat.

*

Die Geschichte beginnt, King typisch, ruhig und eher harmlos. Das Grauen schleicht sich aus einer, wenngleich unerfreulichen, Alltagssituation in das Leben der Schriftstellerin. Die Überschreitung dieser Grenze wurde von Regisseur Mikael Salomon (dessen Filme „Hard Rain“ und das Remake „Andromeda“ den meisten bekannt sein dürften) hervorragend in Szene gesetzt. Man spürt das Knistern zwischen den beiden Protagonisten, erlebt das Umschwenken von Freundlichkeit in Bedrohung so hautnah, das es einem selbst als Zuschauer Angst einjagt. Dazu kommt neben der intensiven Inszenierung die unglaublich gute Schauspielleistungen von Maria Bello und Will Harris. Das Agieren der beiden passt so perfekt zusammen, dass es unglaublich authentisch wirkt, wenn der riesige Mann die Frau bedroht. Die Szenen, die dann folgen, sind hart und strapazieren die Nerven, wirken aber niemals übertrieben gewalttätig, sondern einfach nur real.

Trotz diesem harten und teilweise auch brutalen Einstieg wird die Geschichte im weiteren Verlauf in einem sehr ruhigen Ton erzählt, der eine wahnsinnig gute Atmosphäre aufkommen lässt. Die Schauspielleistung von Maria Bello ist beeindruckend und in Verbindung mit der besonnenen und stillen Inszenierung sehr emotional. Ich war absolut gebannt von den Ereignissen und Wendungen und fieberte mit der Protagonistin in jeder Sekunde mit. Alleine ihre Wandlung/Darstellung von einer hilflosen Frau in eine toughe „Kriegerin“ ist sehr glaubwürdig und intensiv.
Überhaupt sind die Charaktere King typisch und wurden allesamt sehr gut umgesetzt. Ein Wiedersehen mit der Rocksängerin und Gitarristin Joan Jett („I Love Rock ’n‘ Roll“ dürfte wohl jeder kennen), die ihre größten Erfolge in den 80er Jahren feierte, und mit der Golden Globe- und Oscargewinnerin Olympia Dukakis („Mondsüchtig“) runden das gelungene Filmerlebnis noch ab.

Man merkt dem Film in keiner Minute an, dass er fürs Fernsehen produziert wurde. Regisseur Mikael Salomon überzeugt mit stimmungsvollen Bildern und einer konsequent durchdachten Linie, als hätte er fürs große Kino gedreht. Ein wenig erinnert „Big Driver“ an den Rape & Revenge-Thriller „I Spit On Your Grave“, nur dass hier einfach mehr Menschlichkeit und Emotionen hinter dem Rachefeldzug stecken. „Big Driver“ enthält bedeutend mehr Seele als ein einfacher Slasher- und/oder Splatterfilm in dieser Art. Genre-Fans, die hier einen ähnlichen Film erwarten, könnten unter Umständen sogar enttäuscht sein. Fast schon auf melancholische Art und Weise erzählt Mikael Salomon die Geschichte einer zutiefst verletzten Frau, die sich erst später zu wehren beginnt. Auch wenn „Big Driver“ nicht zwingend etwas Neues in der Krimi- , Thriller- und Stephen King Verfilmungswelt bietet, so ist er für mich dennoch eine der besseren Adaptionen Kings (die von Frank Darabon inszenierten einmal ausgenommen, denn die sind unschlagbar spitzenmäßig) und spricht ein Publikum an, dass eine intelligente, emotionale Handlung mag, die von einem sehr fähigen Regisseur und grandiosen Schauspielern umgesetzt wurde. Wer sich für die Kurzgeschichte interessiert, die Vorlage für diesen Film war, sollte sich das Buch „Zwischen Nacht und Dunkel“ zulegen, das in Deutschland im Jahr 2010 erschien. Die zweite Geschichte dieser Kurzgeschichtensammlung ist „Big Driver“.

*

Fazit: Atmosphärischer Thriller, der mehr Wert auf Emotionen als auf blutige Effekte legt. Ganz klarer Geheimtip für echte King-Fans.

© 2017 Wolfgang Brunner

Top Of The Lake (2013)

top-of-the-lake

Originaltitel: Top Of The Lake
Regie: Jane Campion, Garth Davis
Drehbuch: Jane Campion, Gerard Lee
Kamera: Adam Arkapaw
Musik: Mark Bradsahaw
Laufzeit: 6 Folgen á 60 Minuten
Darsteller: Elisabeth Moss, Peter Mullan, David Wenham, Thomas M. Wright, Holly Hunter, Sarah Valentine, Jay Ryan, Jacqueline Joe
Genre: Thriller, Krimi, Serie
Produktionsland: Australien, Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich
FSK: ab 16 Jahre

*

Tui Mitcham ist 12 Jahre alt und wollte anscheinend im eiskalten Bergsee eines neuseeländischen Provinzstädtchens Selbstmord begehen. Robin Griffin, eine junge Kommissarin, soll den Fall aufklären. Sie ist auf den Umgang mit misshandelten Kindern spezialisiert und dringt immer tiefer in ein Netz aus Intrigen und Lügen ein, die sich um Tui verbreiten. Es stellt sich heraus, dass Tui im fünften Monat schwanger ist. Als das Mädchen plötzlich verschwindet, begibt sich Robin auf eine gefährliche Suche, bei der sie sich auf einmal auch noch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert sieht.

*

Eine Serie, die von Jane Campion konzipiert wurde, musste ich natürlich sehen. Nicht nur ihr wunderbarer Film „Das Piano“ hat mich von ihren Qualitäten, gute Geschichten mit wunderschönen Bildern zu erzählen, überzeugt. Unter anderem hat mich auch der zuvor gedrehte „Ein Engel an meiner Tafel“ wie auch der Folgefilm „Portrait Of A Lady“ mehr als fasziniert. Und nun also eine Serie …
Ich mache es kurz: Ich wurde nicht enttäuscht und bekam genau das, was ich erwartet hatte. Und sogar noch ein wenig mehr. Wie nicht anders zu erwarten, lebt der Film schon einmal von den wunderbaren Naturaufnahmen, die sich durch sämtliche Folgen ziehen. Aber nicht nur! Campion hat ein Schauspiel-Ensemble um sich und Co-Regisseur Garth Davis versammelt, das es in sich hat. Elisabeth Moss ist in ihrer Rolle als kühle, manchmal eigenartige Ermittlerin bestimmt nicht jedermanns Sache, aber eines muss man ihr lassen: Sie geht in ihrer Rolle auf und verkörpert den ihr zugeschriebenen Charakter unumstößlich perfekt. Man spürt den gebrochenen Menschen, der hinter der harten, nach außen hin gezeigten Hülle steckt. Moss stellt diese Zweideutigkeit einer starken, selbstbewussten und gleichzeitig verletzlichen, ängstlichen Frau unglaublich überzeugend und emotional glaubwürdig dar. Dazu gesellt sich ein Mann, dessen Schauspielerei ich bereits seit Jahren verehre: Peter Mullan. Er verkörpert in dieser Serie einen derart hassenswerten (aber in manchen Szenen auch liebenswürdigen und bemitleidenswerten) Macho, dem man im wahren Leben nicht begegnen möchte. Mullans Agieren trifft einen oftmals wie ein Schlag in die Magengrube und man möchte aufspringen, in den Bildschirm greifen und ihm mitten ins Gesicht schlagen. Und trotzdem schafft Mullan die Gratwanderung, auch positive Emotionen im Zuschauer aufzuwecken. Das ist grandios.
David Wenham als Polizist vermag ebenfalls zu überzeugen und den Zuschauer um den Finger zu wickeln, genauso wie Jacqueline Joe in der Rolle als 12jährige Tui.
Da geht Holly Hunter und die anderen Darsteller fast schon unter, obwohl auch sie auf höchstem Niveau agieren. Schauspielerisch macht die Mini-Serie unheimlich Spaß.

Mark Bardsahaws Musik ist einfach himmlisch und passt so hervorragend zu den teils melancholischen, deprimierenden Bildern, das es fast schon unheimlich ist. Dadurch kommt eine unglaublich dichte Atmosphäre auf, der man sich schwer entziehen kann und die sich erstaunlicherweise durch die komplette Serie zieht. Man fühlt sich manchmal tatsächlich an die Kultserie „Twin Peaks“ erinnert. In der dritten Episode kommt während einer Drogenszene, in der die Protagonisten im Rausch halluzinieren, eine Überraschung für alle Fans der deutschen Elektronikband Tangerine Dream. Die Bilder werden perfekt untermalt von ihrem Song „“Mysterious Semblance At the Strand of Nightmares“ aus dem Album „Phaedra“. Dieses Stück passt so hervorragend zu der Szene, dass ich auch hier eine Gänsehaut bekam.

Die Aussichtslosigkeit, die diese Serie oftmals vermittelt, ist manchmal schwer zu ertragen, obwohl sie immer wieder mit Hoffnung durchtränkt ist. Der daraus entstehende Mix ist hypnotisch und einmalig. Eine Serie, die mit dem hohen Niveau eines Kinofilmes auf jeden Fall mithalten kann. Und, wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf, ist sogar eine zweite Staffel geplant. Mir wär’s recht! 🙂

*

Fazit: Niveauvoll, mit wunderbaren Landschaftsaufnahmen, einem genialen Plot und unglaublich guten Schauspielern ist „Top Of The Lake“ ein Muss für mystisch angehauchte Krimi- und Serienfans.

© 2016 Wolfgang Brunner

Narben (Tatort) – (2016)

tatort-narben_4ee7b4ddf9

Originaltitel: Narben
Regie: Torsten C. Fischer
Drehbuch: Rainer Butt
Kamera: Theo Bierkens
Musik: Fabian Römer, Steffen Kaltschmid
Laufzeit: 88 Minuten
Darsteller: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Patrick Abozen, Joe Bausch, Juliane Köhler, Julia Jäger, Anne Ratte-Polle, Laura Tonke, Jerry Kwarteng, Thelma Buabeng
Genre: Krimi, Thriller
Produktionsland: Deutschland
FSK: k.A.

*

Dr. Patrick Wangila, ein Arzt, der aus dem Kongo stammt, wird erstochen. Alles deutet darauf hin, dass es sich um eine Beziehungstat handelt. Daher befragen die Ermittler Ballauf und Schenk zunächst die Witwe des Arztes. Bei den weiteren Ermittlungen stellt sich der Fall immer verzwickter dar, als er ursprünglich schien. Und plötzlich wird der Tod einer kongolesischen Asylbewerberin einige Tage zuvor, dem man zuerst nur wenig Beachtung schenkte, für den Fall immer bedeutungsvoller.

*

Irgendwie wirkt alles wie gehabt und dennoch zeigt „Narben“ auch gewisse Innovationen, wenngleich nicht über alle Maßen. Alleine die Titelsequenz lässt einen die Luft anhalten und man beginnt unweigerlich, Großes zu erwarten. Man fühlt sich durch die brillanten Nahaufnahmen von Narben, Gegenständen und Personen tatsächlich sogar an Kinofilme erinnert. Die Einstiegssequenz ist also schon mal durchaus gelungen und verspricht fast schon einen künstlerischen „Ausnahme“-Tatort. Doch leider war der Vorspann auch schon inszenatorisch das Interessanteste an diesem Tatort, was nicht heißt, dass wir es danach mit einem schlechten Film zu tun hätten.
„Narben“ kann durchaus mit seiner Idee überzeugen, wenngleich an vielen Stellen mit Klischees um sich geworfen wird, die mir nicht immer zugesagt haben. Aber nun gut, es geht schließlich um das aktuelle Thema „Flüchtlinge“ und da ist es fast schon unvermeidbar, wenn man das ein oder andere Thema in einer Art und Weise behandelt, die den Großteil der Bevölkerung anspricht.

Es geht um Täter und um Opfer. Die beiden Kommissare müssen sich durch ein undurchsichtiges Puzzle kämpfen, um auf die richtige Spur zu kommen. Nicht immer wirken sie dabei in ihren Überlegungen überzeugend. Frischen Wind bekommt die Story, als es dann um Kriegsflüchtlinge, Asylanten und Menschen mit Migrationshintergrund geht. Da sind durchaus Ansätze, die zum Nachdenken anregen und auch „schockieren“. Der Plot ist im Grunde genommen zwar solide und nachvollziehbar konstruiert, wirkt aber nicht so nachhaltig nach wie er eigentlich sollte. Dafür ist er einfach zu unspektakulär und simpel in Szene gesetzt. Die Geschichte mag auf den durchschnittlichen Fernsehzuschauer ohne Weiteres beeindruckend wirken, aber eine „straffere“ Regieführung hätte bestimmt ein bedeutend nachhaltigeres Ergebnis gegeben. Musiktechnisch wurde alles sehr passend untermalt, aber auch hier fehlen die „Ohrwürmer“, die bei manch einer Filmmusik hängen bleiben oder zumindest auffallen.

Nun zu den Schauspielern: Von Klaus J. Behrend und Dietmar Bär braucht man gar nicht viel reden, denn sie machen ihre Sache gewohnt gut und überzeugend. Neben Julia Jäger und der wirklich guten Juliane Köhler komme ich aber auf zwei Rollen, die es verdient haben, lobend erwähnt zu werden. Da ist zum einen Thelma Buabeng in ihrer Rolle als traumatisiertes Opfer, die mich sehr berührt hat. Ihr Spiel war sehr intensiv und glaubwürdig. Hinzu kommt Jerry Kwarteng als Bruder des Mordopfers, der, logischerweise durch sein dunkles Aussehen, in die Rolle eines Kongolesen geschlüpft ist. Seinem und Buabengs Schauspiel kann man anfangs nur immer in kurzen Abschnitten verfolgen, aber es gibt ja glücklicherweise noch das Finale. Als die beiden aufeinandertreffen, bekam ich szenenweise Gänsehaut, so emotional und echt wurde gespielt. Sowohl Buabeng als auch Kwarteng liefen in dieser finalen Szene auf Höchstform auf und haben mich vollkommen in ihren Bann gezogen. Alleine diese Schlussszene ist es wert, sich diesen zwar nicht schlechten, aber eher doch durchschnittlichen Tatort anzusehen. Diese beiden „schwarzen Deutschen“ stellten für mich neben der beeindruckenden Anfangssequenz und einigen gelungenen Einstellungen des Höhepunkt von „Narben“ dar.

*

Fazit: „Narben“ bewegt sich trotz manch innovativer Regieführung, guten Schauspieler bis hin zu den Nebendarstellern und einem interessanten, aber manchmal unlogischen, Plot nur im durchschnittlichen Bereich.

© 2016 Wolfgang Brunner

Unerträglich (2012)

unerträglich

Originaltitel: Unerträglich
Alternativtitel: Unbearable
Regie: Marcello Filippelli
Drehbuch: Marcello Filippelli
Kamera: Marcello Filippelli
Musik: Stefan Magasitz
Laufzeit: 10 Minuten
Darsteller: Nikolai Will, Christian Cujovic, Claudia Dalchow, Martin Kloss, Peter Eberst, Bernd Michael Straub
Genre: Drama, Kurzfilm
Produktionsland: Deutschland
FSK: ohne Altersbeschränkung

*

Die Kommissare Beck und Bergmann untersuchen einen Kindermord. Und plötzlich fehlt vom Vater des ermordeten Mädchens ebenfalls jede Spur. Die Ermittler gehen von einem Serientäter aus und versuchen, den Fall so schnell wie möglich zu lösen.

*

Filippellis Kurzfilm packt den Zuseher sofort und zieht ihn in seinen Bann. In nur zehn Minuten packt der Regisseur jede Menge Handlung und Charakterzeichungen hinein, die so mancher Langfilm nicht hinbekommt.
Das Zusammenspiel der beiden Ermittler ist „Tatort“-mäßig, absolut glaubhaft und nachvollziehbar.
Durch eine Stimme aus dem Radio wird der Zuschauer in die Handlung eingeführt und merkt irgendwann, um was es geht. Aber so einfach ist Filippellis Geschichte dann doch nicht, denn der Regisseur führt uns trotz der kurzen Spieldauer seines Films auf eine falsche Fährte. Das Ganze ist unglaublich intensiv in Szene gesetzt und durch die teils verwackelten Handkamera-Bilder fühlt man sich mitten im Geschehen. Aber „Unerträglich“ ist kein Film im Found Footage-Stil, sondern ein optisch hervorragendes Kammerspiel, das einem so manches Mal einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Das liegt zum einen am heiklen Thema, dem sich Filippelli angenommen hat, zu anderen aber an der meisterhaften Schauspielkunst, die Nikolai Will mal wieder an den Tag legt. Dazu aber später.
Marcello Filippelli hat seinen ersten „großen“ Kurzfilm professionell und solide inszeniert. Man sieht eindeutig, dass er das Handwerk beherrscht und seine Freude daran hat. Die Moral mag für den ein oder anderen fragwürdig sein, weil Mord mit Folter gerächt wird. Aber … da sind wir jetzt beim Schauspieler Nikolai Will angelangt:

Nikolai Will charakterisiert die Rolle eines verzweifelten Vaters einfach hammermäßig. Alleine das in so kurzer Zeit, die ihm in diesem Film zur Verfügung stand, so überzeugend und emotional hinzukriegen, ist schon ein kleines Wunder. Zu der Verzweiflung kommt die für ihn selbst unerträgliche Last seines Handelns noch hinzu, gepaart mit der unerträglichen Tatsache, sein Kind verloren zu haben. Nikolai Will macht aus Filippellis Kurzfilm ein verstörendes Erlebnis, das einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Nur mal am Rande: Wieso kriegt Will keine Hauptrollen in einem abendfüllenden Spielfilm?
Seine Mimik spricht Bände und lässt den Zuschauer mitfühlen: die Wut, die Verzweiflung und den abgrundtiefen Hass. Aber auch die Unsicherheit, ob sein Handeln richtig ist. Das alles beherrscht Will so perfekt, dass es einem den Atem raubt. Vielleicht sollte ich eine Fanseite für Nikolai Will gründen. 😉
Marcello Filippellis „Unerträglich“ ist zwar eine kurze Geschichte, aber im handwerklichen und schauspielerischen Detail ganz großes Kino.
Den Kurzfilm kann man sich auf youtube anschauen —> KLICK MICH!

*

Fazit: Professioneller und ästhetischer Kurzfilm um  einen Kindermord, der dem Zuseher aufgrund der Schauspielleistung von Nikolai Will den Atem raubt. Filippelli ist ein vielversprechendes Talent. Den Namen werde ich mir merken. Absolute Empfehlung.

© 2015 Wolfgang Brunner

The Drop – Bargeld (2014)

the-drop-bargeld-poster

Originaltitel: The Drop
Regie: Michaël R. Roskam
Drehbuch: Dennis Lehane
Kamera: Nicolas Karakatsanis
Musik: Marco Beltrami
Laufzeit: 106 Minuten
Darsteller: Tom Hardy, Noomi Rapace, James Gandolfini, Matthias Schoenaerts, John Ortiz, Elizabeth Rodriguez, Michael Aronov, Morgan Spector
Genre: Krimi, Thriller, Drama
Produktionsland: vereinigte Staaten
FSK: ab 12 Jahre

*

Bob Saginowski arbeitet in der Bar seines Cousins Marv. Hin und wieder werden solche Kneipen von der tschechischen Mafia als sogenannte „Money Drops“ benutzt, um schmutziges Geld zu deponieren. Eines Tages trifft es Marvs Bar, was an sich nicht weiter schlimm wäre. Doch am Ende des Abends wird die Bar überfallen und das deponierte Geld gestohlen. Bob und Marv finden sich plötzlich im Kreuzfeuer der Mafia, die das gestohlene Geld von ihnen zurückfordert.

*

Dennis Lehanes Art, Geschichten zu erzählen, ist unglaublich intensiv. Das hat er schon mit „Shutter Island“, „Mystic River“ und „Gone Baby Gone“ eindrucksvoll bewiesen. „The Drop“ ist nun ein weiterer genialer Wurf, der diesen Weg auf gleichem Niveau fortsetzt. Dass in diesem Falle aber Lehane selbst das Drehbuch nach seiner eigenen Kurzgeschichte verfasst hat, ist ein absoluter Glücksgriff. In einer für Krimis und Thriller völlig untypischen Art wird die Geschichte vollkommen ruhig in Szene gesetzt und zeigt dadurch weitaus mehr Spannungspotential als eine actionreichere Inszenierung. Die ruhigen, menschlichen Zwischentöne und die unspektakuläre Erzählweise machen „The Drop“ zu einem Ausnahme-Thriller.

Michaël R. Roskam schafft eine unglaubliche Atmosphäre in seinem zweiten Langfilm, an die man sich noch lange erinnert. Tragende Rollen dabei haben sicherlich die beiden charismatischen Hauptdarsteller inne, die jeweils eine hervorragende Charakterzeichnung der Figuren, die sie spielen, abliefern und sichtlich Freude an ihrem Agieren haben. Tom Hardys treuherzige Dackelblicke, die sich im genau richtigen Moment in einen kaltblütigen Killerausdruck verwandeln, sind faszinierend. Ebenso brilliert aber auch James Gandolfini in seiner letzten Rolle und versprüht Charme und Gerissenheit in gleichem Maße. Das macht einfach Spaß, den beiden zuzusehen.

Die verzwickte Handlung steigert sich in einem stetig wachsenden Spannungsbogen, obwohl -wie oben bereits erwähnt- der Actionanteil bis aufs Äußerste minimiert ist. Aber vielleicht ist es genau das, was „The Drop“ zu einem besonderen Film macht, der seine Spannung nicht aus explodierenden Gebäuden und Autos zieht, sondern eher in einer unterschwelligen Bedrohung, die die beiden Protagonisten exzellent mit ihrem Spiel einfangen und den Zuschauer damit hypnotisieren.

„The Drop“ könnte tatsächlich einer meiner Lieblings-Thriller werden, denn die ruhige Erzählweise des Regisseurs, die im Nachhinein sogar oftmals melancholisch wirkt,  erinnert stark an die  Verfilmung der Lehane Stoffe „Mystic River“ durch Clint Eastwood und „Gone Baby Gone“ von Ben Affleck. Der Unterschied liegt aber in den Darstellern, die bei „The Drop“ einfach umwerfend sind.

*

Fazit: Inszenatorischer Ausnahme-Thriller, der sehr ruhig eine Geschichte erzählt, die dennoch absolut spannend ist. James Gandolfini glänzt in seiner letzten Rolle neben Tom Hardy und stimmt einen dadurch umso trauriger, dass der charismatische Schauspieler so früh die (Film-)Welt verlassen hat.

© 2015 Wolfgang Brunner