Fall (2022)

Originaltitel: Fall
Regie: Scott Mann
Drehbuch: Jonathan Frank, Scott Mann
Kamera: MacGregor
Musik: Tim Despic
Laufzeit: 107 Minuten
Darsteller: Grace Caroline Currey, Virginia Gardner, Jeffrey Dean Morgan, Mason Gooding
Genre: Thriller, Überlebensthriller
Produktionsland: Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich
FSK: 16 Jahre

*

Die beiden Freundinnen Hunter und Becky beschließen, einen verlassenen etwa 600 Meter hohen Funkturm, der mitten in der Wüste steht, hochzuklettern.
Doch kurz bevor sie die Spitze des Turmes erreichen, löst sich eine Schraube des Stahlgerüsts und die Leiter, die die beiden Frauen nach oben gestiegen sind, bricht weg. Die beiden Kletterinnen können sich zwar auf die kleine Plattform an der Spitze des Funkturms retten, aber sie müssen erkennen, dass kein Weg nach unten führt. Die Seile, die sie dabei haben, sind zu kurz und ihre Mobiltelefone haben kein Netz.

*

Man erinnere sich an den spektakulären und atemberaubenden Anfang des Bergsteigerfilms „Vertical Limit“ aus dem Jahr 2000 und dehne das Ganze auf eine Länge von 107 Minuten. Heraus kommt „Fall“, ein Film, bei dem man selbst als Schwindelfreier noch Schnappatmung bekommt. Regisseur Scott Mann ist mit seinem handlungstechnisch minimalistischen Film ein Survivalthriller gelungen, der seinesgleichen sucht. Was bei „Fall“ in atemberaubenden Höhen und mit grandiosen Effekten gelingt, ist der pure Wahnsinn und macht den Film zu einem cineastischen „Pageturner“. Die Laufzeit von 107 Minuten vergeht wie im Flug, wenn man den beiden Protagonistinnen bei ihrem Abenteuer begleitet, das zum einen nervenzerfetzend spannend ist und zum anderen mit ruhigen Zwischentönen ausgestattet ist, so dass man seine in Decken oder Kissen verkrallten Finger auch mal etwas entspannen kann. „Fall“ ist ein filmischer Adrenalinstoß nach dem anderen. Und auch wenn die Handlung nicht immer nachvollziehbar und an manchen Stellen leicht übertrieben erscheint, unwiderlegbarer Fakt ist, dass dieser Film an die Nerven geht. Die Höhe des Funkturms wirkt nicht authentisch, und dennoch kann man sich dieser Achterbahnfahrt nicht entziehen. Man ist hautnah mit dabei, wenn sich Metall verbiegt, der Wind um die Ohren der beiden Kletterinnen pfeift und der Blick nach unten ein unangenehmes Schwindelgefühl verursacht.

Grace Caroline Currey und Virginia Gardner spielen ihre Rollen absolut glaubhaft und sehr sympathisch. Man nimmt den beiden sämtliche Handlungen ab, auch die gezeigten Kraftanstrengungen wirken glaubhaft.
Bei solcherart Filmen „sucht“ man fast schon nach Schwachstellen bei den Spezialeffekten. Doch was hier gelungen ist, ist wirklich atemberaubend. Die Sprünge in großer Höhe, die Stürze, die Weite des Landes unter der Plattform – das alles passt einfach und wirkt schon nach kurzer Zeit nicht mehr wie ein Effekt, sondern wie Realität. „Fall“ ist ein Film, den man sich tatsächlich öfter anschauen kann, weil man von den spektakulären Aufnahmen nicht genug bekommen kann.
Regisseur Scott Mann baut eine nahezu unerträgliche Spannung auf, die er erstaunlicherweise bis zum Ende zumindest gleichbleibend halten kann. Man stellt sich während des Films unweigerlich immer wieder die Frage, was man selbst in so einer Situation tun würde. Ich denke, ich werde einige der Bilder wohl für eine Zeit lang nicht mehr aus dem Kopf bekommen.
Und der, wenngleich auch kurze und an sich unbedeutende Auftritt von Jeffrey Dean Morgan tut dem Film sehr gut, zeigt er doch in den wenigen Momenten, welch ein großartiger Schauspieler Morgan ist.
„Fall“ ist eigentlich ein Film für die große Leinwand. Ich möchte nicht wissen, wie vielen aus dem Publikum bei so mancher Aufnahme übel wird, überfällt mich ja schon ein leichtes Schwindelgefühl, obwohl ich „Fall“ im heimischen Kino erlebt habe.
Obwohl ich mir genau dies von „Fall“ versprochen habe, nachdem ich erste Teaser gesehen habe, hat der Film dann letztendlich doch meine Erwartungen sogar noch übertroffen.
Für mich ein Highlight im Bereich des Survival-Thrillers, das man als Fan des Genres unbedingt gesehen haben muss.

Eurovideo veröffentlicht den Film auf DVD und Blu-Ray am 15.12.2022, der VoD-Start von „Fall“ ist am 01.12.2022.

*

Fazit: Atemberaubend, nervenzerfetzend und unendlich spannend.

©2022 Wolfgang Brunner

The Djinn (2021)

Originaltitel: The Djinn
Regie: David Charbonier, Justin Powell
Drehbuch: David Charbonier, Justin Powell
Kamera: Julian Estrada
Musik: Matthew James
Laufzeit: 82 Min.
Darsteller: Ezra Dewey, Tevy Poe, Rob Brownstein, John Erickson
Genre: Horror, Fantasy
Produktionsland: Vereinigte Staaten
FSK: ab 16 Jahre

*

Dylan Jacobs ist stumm und wohnt mit zusammen mit seinem Vater in einer neue Wohnung, nachdem seine Mutter gestorben ist. Dort findet der Junge ein Buch mit einer Anleitung, wie man einen Dschinn herbeiruft, um sich von ihm einen Wunsch erfüllen zu lassen. Dylan ruft den Geist herbei und wünscht sich, dass er sprechen kann. Doch stattdessen bedroht der Dschinn Dylan und hält ihn in der Wohnung gefangen. Dylan muss sich gegen die unheimliche Kreatur verteidigen.

*

„The Djinn“ ist ein hervorragendes Horror-Kammerspiel der Regisseure David Charbonier und Justin Powell, die auch mit ihrem Thriller „The Boy Behind the Door“ auf ganzer Linie überzeugen konnten. Man spürt, dass die beiden Filmliebhaber und Fans von Horrorfilmen der 1980er-Jahre sind, denn in vielen Szenen fühlt man sich an Klassiker dieses „goldenen Zeitalters des Horrorfilms“ erinnert. Das kommt nicht nur in bestimmten Einstellungen zum Tragen, die dann eine entsprechende Atmosphäre verbreiten, sondern auch in dem mehr als passenden Score, der zum Teil an die Synthesizer-Klänge jener Zweit erinnern. „The Djinn“ macht in dieser Hinsicht einfach unglaublich Spaß und ist zudem noch mega spannend. Oftmals wirken die Szenen und Bilder so beklemmend wie in „Don’t Breathe“, zumindest war das für mich so.

Hinzu kommt, dass das Regie-Duo mit Ezra Dewey wirklich einen sehr talentierten jungen Mann für die Hauptrolle gewinnen konnte, der seine Arbeit höchst professionell erledigte und sehr überzeugend und glaubhaft wirkt. Ich fühlte mich tatsächlich an die Zeit zurückversetzt, in der Jungs (und natürlich auch Mädchen) die Hauptrollen in Klassikern wie „Die Goonies“, „Explorers“, „E.T. – Der Außerirdische“ oder „Stand by me“ übernahmen, um nur einige zu nennen, und damit eine ganze Generation von Filmfans begeistern konnten. Und genau in diese Kategorie fällt aus meiner Sicht auch „Der Djinn“, der auf ähnliche Art und Weise das Kind in uns anspricht und uns ein unglaubliches Abenteuer erleben lässt, das Kindheitserinnerungen hervorruft, in denen man sich unter der Bettdecke einer Gruselgeschichte gewidmet hat und nicht zugeben wollte, dass man an der ein oder anderen Stelle eine Gänsehaut bekam.

„The Djinn“ behandelt sowohl Kindertraumata als auch eine innige Beziehung zu den Eltern. Der Indie-Horrorfilm setzt geschickt tolle Bilder in Verbindung mit einem stimmungsvollen Score ein und zeigt, dass sich Kinder auch durchaus zur Wehr setzen können. „The Djinn“ wirkt, als müsste „Kevin – Allein zu Haus“ nicht gegen fiese Einbrecher kämpfen, sondern sich gegen einen unheimlichen, hinterlistigen Dämon verteidigen.
Für mich war „The Djinn“ eine echte Überraschung und ich freue mich schon sehr auf einen neuen Film dieses talentierten Regie-Duos, das seine Filme mit Herzblut inszeniert.

*

Fazit: Düsteres und atmosphärisches Horror-Kammerspiel.

©2021 Wolfgang Brunner

Seven Days War (2019)

Originaltitel: Bokura no nanoka-kan sensô
Regie: Yuta Murano
Drehbuch: Ichirô Ôkouchi
nach einem Roman von Osamu Sôda
Kamera: Toshiya Kimura
Musik: Jun Ichikawa
Laufzeit: 88 Min.
Darsteller: –
Genre: Anime, Drama, Action
Produktionsland: Japan
FSK: ab 12 Jahre

*

Der schüchterne Mamoru erfährt, dass seine heimliche Liebe Aya nach den Ferien wegzieht. Er nimmt all seinen Mut zusammen und schlägt ihr vor, einfach mit ihm und ein paar Freunden für sieben Tage abzuhauen. Als sie sich in einem verlassenen Fabrikgebäude einnisten, um ihre Party zu feiern, stoßen sie auf ein Flüchtlingskind, das wiederum von der Polizei gesucht und gejagt wird. Mamoru und seine Freunde geraten zwischen die Fronten und ihr ursprünglicher Plan bekommt plötzlich eine ganz andere Bedeutung für sie …

*

„Seven Days War“ hat mich, um es kurz zu machen, richtig begeistert. Das mag zum einen an der wirklichen tollen Umsetzung liegen, zum anderen auf jeden Fall aber an der Botschaft, die dieser Film vermittelt. Ich habe nämlich nicht damit gerechnet, dass ich eine Art animinierten Coming-of-Age-Film zu sehen bekomme, der eine ganz wunderbare Nachricht an alle Teenager dieser Welt hat: Habt den Mut, ihr selbst zu sein, egal um was es geht.
Der Aufbau der Handlung hat mir sehr gut gefallen, denn es geht erst einmal um den schüchternen Jungen Mamoru, der sich in Aya verliebt hat, sich aber nicht traut, diese Liebe sich selbst und auch der Angebeteten einzugestehen. Diese Teenager-Problematik ist sehr gut und glaubhaft dargestellt. Es hat Spaß gemacht, die Reaktionen der beiden zu verfolge, die sehr überzeugend gezeichnet wurden.

Als es dann an die richtige Handlung geht, nämlich dem Kampf zwischen Jugendlichen und Erwachsenen und vor allem den Schwierigkeiten und unterschiedlichen Sichtweisen der beiden, bekommt das Publikum einige sehr beeindruckende Aufnahmen zu sehen, die hervorragend und vor allem sehr atmosphärisch gezeichnet sind. Einige unheimlich wirkende Szenen wechseln sich mit realistisch aussehenden Einstellungen ab und machen „Seven days War“ nicht nur zu einem inhaltlich interessanten Film, sondern auch aus visueller Sicht. Was ich sehr gut finde, ist, dass der Film bereits ab 12 Jahren freigegeben ist (ich habe ihn sogar mit meinem 7-jährigen Sohn angesehen, und der war total begeistert) und somit dem eigentlichen Zielpublikum zugänglich ist. Denn genau diese jungen Menschen haben mit derartigen Problemen, vor allem mit Mut gegenüber sich selbst, zu kämpfen. Und da kann ein Film wie der vorliegende „Seven Days War“ durchaus hilfreich sein.

Im Grunde genommen ist „Seven Days War“ eine tolle Coming-of-Age-Geschichte, die in ein rasantes, manchmal übertrieben effektvolles Abenteuer verpackt ist. Aber genau diese Mischung ist es, die diesen Film so besonders macht, weil er nämlich auf eine Weise unterhält, die mal offensichtlich und mal zwischen den Bildern Ratschläge und ernste Themen behandelt. Für mich war das eine außergewöhnliche Symbiose, die mir sehr gefallen hat. Die Auseinandersetzung mit Erwachsenen kann man natürlich ebenfalls aus zwei Perspektiven betrachten: Einerseits stellt sie für mich die allgegenwärtige Rebellion von jungen Menschen gegen Erwachsene, insbesondere ihre Eltern dar, andererseits zeigt sie aber auch deutlich den Übergang vom Kindsein zum Erwachsenwerden. Man könnte darin durchaus auch interpretieren, dass die Jugendlichen noch nicht bereit sind, erwachsen zu werden und dagegen ankämpfen. „Seven Days War“ ist somit auf der einen Seite ein Anime-Film, der perfekt durch seine Action unterhält und auf der anderen Seite zum Nachdenken anregt. Mehr kann man von einem guten Film nicht erwarten. Unbedingt ansehen!

*

Fazit: Spannend, humorvoll und nachdenklich. Ein außergewöhnlicher Coming-of-Age-Film.

©2021 Wolfgang Brunner

Sea Fog (2014)

Originaltitel: Haemu
Regie: Shim Sung-bo
Drehbuch: Shim Sung-bo, Bong Joon-Ho
Kamera: Hong Kyung-pyo
Musik: Jung Jae-il
Laufzeit: 110 Min.
Darsteller: Kim Yoon-seok, Park Yoo-chun, Lee Hee-joon, Moon Sung-keun, Kim Sang-ho, Yoo Seung-mok, Han Ye-ri
Genre: Drama, Thriller
Produktionsland: Südkorea
FSK: ab 16 Jahre

*

Der Kapitän eines Fischerboots nimmt einen Auftrag an, bei dem die Crew eine Gruppe illegaler Einwanderer aus China nach Korea bringen soll. Doch kaum sind die Menschen an Bord, läuft die Situation aus dem Ruder, denn zum einen verschlechtert sich das Wetter und es kommt zu dichtem Nebel, hohen Wellen und Regen und zum anderen gerät ein Teil der Crew mit den illegalen Passagieren aneinander.

*

Wer beim vorliegenden Film ein spektakuläres Ergebnis wie James Camerons „Titanic“ oder Wolfgang Petersens „Der Sturm“ erwartet, wird vermutlich enttäuscht werden, denn „Sea Fog“ geht das Thema eines Dramas auf dem Wasser von einer vollkommen anderen Seite an. Der Film ist eher ruhig gedreht und wird dadurch dem ein oder anderen zu langweilig werden. Das wiederum ist aber sehr schade, denn wenn man sich gerade auf diese ruhige Inszenierung einlassen kann, wird das Geschehen um so dramatischer auf einen wirken. Man erwartet etwas anderes und ist umso schockierter, wie sich die Handlung auf hoher See entwickelt. Regisseur Shim Sung-bo überrascht das Publikum zeigt er, dass er ein dramaturgisches Händchen hat und fesseln kann. An manchen Stellen wirkt sein Stil tatsächlich ein wenig an den von Bong Joon-Ho, der hier das Drehbuch verfasste und mit seinen Filmen „The Host“, „Mother“, „Snowpiercer“ und zuletzt „Parasite“ das südkoreanische Kino prägte. Auf ähnliche Weise zeigt uns Sung-bo im vorliegenden „Sea Fog“, dass Filme nicht immer effekteüberladen sein müssen, sondern auch durch eine professionelle Inszenierung und fähige Schauspieler beeindrucken kann.

Der Film wirkt anfangs wie ein Kammerspiel (was nicht weiter verwunderlich ist, da es sich um die Adaption eines Bühnenstücks handelt) und konzentriert sich in erster Linie erst einmal auf den Kapitän des Schiffes und seine Mannschaft. Dadurch fühlt man sich als Zuschauer sehr schnell mittendrin und begleitet die Protagonisten hautnah auf ihrer Fahrt. Selbst als die Einwanderer an Bord sind, fühlt man sich immer noch relativ sicher und erwartet nicht, was kurz danach passiert. Sung-bo reißt das Ruder mitten im Film herum, wirft das Publikum in einen Albtraum, der einem den Atem stocken lässt. „Sea Fog“ ist einer jener Filme, bei denen sich eine ernstgemeinte Hilfe zum Gegenteil entwickelt und man als Zuschauer nicht mehr weiß, was man über die Geschehnisse denken soll. Während also die erste Hälfte von „Sea Fog“ relativ ruhig abläuft und sich mehr auf die Charaktere richtet, entwickelt sich die Handlung in der zweiten Hälfte zu einem unbequemen Drama, dem man sich aber trotz alle Brutalität dennoch nicht entziehen kann. Es sind aber weniger die blutigen Szenen, die einen zum Nachdenken bringen, sondern vielmehr die psychologisch geschickten Entwicklungen. Der Regisseur lässt geschickt die Grenzen zwischen verschiedenen Genres verschwimmen und manövriert das Drama mitten hinein in einen Thriller oder gar Horrorfilm. Und das so schleichend, dass der Zuschauer es gar nicht bemerkt.

Was bei „Sea Fog“ neben den guten Schauspielern, der souveränen Inszenierung und dem passenden Score zusätzlich noch positiv auffällt, sind die schönen Bilder, die Hong Kyung-pyo mit seiner Kamera einfängt. Letztendlich schafft es der Film, dass man knapp zwei Stunden lang alles um sich herum vergisst und mit der Crew und den flüchtenden Einwanderern auf der „Sea Fog“ ist, um zu überleben. Obwohl der Film, wie oben bereits erwähnt, relativ ruhig und unspektakulär gedreht ist, empfindet man in keiner Minute Langeweile (zumindest erging es mir so). Nicht umsonst wurde Shim Sung-bos Regiedebüt mit einigen Preisen ausgezeichnet. Selbst nach einigen Tagen erinnere ich mich immer noch an die bedrückende Stimmung, die sich während der letzten beiden Drittel konstant gehalten hat und den teils wunderbar melancholischen Soundtrack, der diese Bilder auf eine geniale Weise unterstrichen hat. „Sea Fog“ ist eine kleine Perle unter den Filmen aus Südkorea, weil er eine ganz besondere Atmosphäre schafft, die man heutzutage leider nur noch selten in Kinofilmen zu spüren bekommt. Alleine schon aus diesem Grund sollten sich Filmliebhaber dieses Kammerspiel auf hoher See ansehen. Bei mir hat „Sea Fog“ die Erwartungen eindeutig übertroffen.

*

Fazit: Eindringlich, atmosphärisch, schockierend und dennoch wiederum auch melancholisch. Sollte man gesehen haben.

©2021 Wolfgang Brunner

8 Tage (2019)

Originaltitel: 8 Tage
Regie: Stefan Ruzowitzky, Michael Krummenacher
Drehbuch: Peter Kocyla, Rafael Parente, Benjamin Seiler
Kamera:  Benedict Neuenfels
Musik: David Reichelt
Laufzeit: 400 Min. (8 Episoden)
Darsteller: Mark Waschke, Christiane Paul, Fabian Hinrichs, Nora Waldstätten, Murathan Muslu, Henry Hübchen, Devid Striesow, David Schütter, Luisa-Céline Gaffron
Genre: Science Fiction
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 16 Jahre

*

Ein Asteroid rast auf die Erde zu und soll in 8 Tagen an der französischen Altantikküste einschlagen. Dabei werden laut wissenschaftlichen Berechnungen weite Teile Europas vollständig vernichtet. Das Ehepaar Steiner versucht über die Grenze nach Russland zu flüchten, während Herrmann und seine hochschwangere Frau versuchen, einen der begehrten Plätze auf einem Evakuierungsflug nach Amerika zu bekommen. Der Bauunternehmer Klaus hat indessen vorgesorgt und sich heimlich während der letzten Monate einen Bunker erbaut. All diese Schicksale sind miteinander verbunden und vermischen sich zu einem dramatischen Überlebenskampf.

*

Und wieder einmal beweist eine Mini-Serie, dass qualitativ Hochwertiges auch aus Deutschland kommen kann und sich nicht einmal ansatzweise hinter Hollywood-Produktionen verstecken braucht. „8 Tage“ ist eine Dystopie und ein Weltuntergangs-Katastrophen-Szenario, das man nicht mehr so schnell vergisst. Das liegt zum einen an der unglaublichen Rasanz der Inszenierung und zum anderen an den wirklich tollen Schauspielerinnen und Schauspieler, die in jeder Episode ihr Können zeigen. Hinzu kommt dann noch der Score von David Reichelt, der eine Sogwirkung entfaltet, der man sich nicht entziehen kann. All diese Zutaten machen aus „8 Tage“ ein Filmereignis, von dem man sich wünscht, es hätte doppelt so lange gedauert. Es fällt nämlich am Ende wirklich schwer, sich von den Charakteren zu trennen. Interessant ist, dass dies nicht nur die „Guten“, sondern auch irgendwie die „Bösen“ betrifft, denen man immer wieder gerne begegnet ist. Die beiden Regisseure Stefan Ruzowitzky und Michael Krummenacher haben hier einen Volltreffer gelandet, den man sich auch gerne ein zweites Mal ansieht, weil es unglaublich Spaß macht, die Geschichten der Figuren zu verfolgen und zu beobachten, wie sie sich miteinander vermischen.

Darstellerisch haben die Regisseure ein Ensemble um sich vereint, das sich sehen lassen kann. In dieser Hinsicht gab es für mich keinerlei Beschwerden, denn sie spielten allesamt perfekt und glaubwürdig. Mark Waschke als Uli Steiner konnte ebenso überzeugen wie Christiane Paul als seine Frau Susanne. Auch das Zusammenspiel der beiden war einfach nur grandios und bemerkenswert. Klaus Frankenberg hätte keiner fieser, hinterhältiger, psychopathischer und kaltblütiger darstellen als Devid Striesow. Ich weiß gar nicht, wie oft ich ihm gerne durch den Fernsehbildschirm den Hals umgedreht hätte, so hat mich seine Spielweise aufgeregt. 😉
Fabian Hinrichs als Herrmann und Nora Waldstätten als seine Frau Marion waren ebenfalls sehr eindringlich in ihrer Darstellung und haben mir ausnehmend gut gefallen. Das Schauspiel aller Beteiligten war sehr intensiv und emotional,. so dass es einen wirklich mitgerissen hat. Man war hautnah mit dabei.
Henry Hübchen entwickelte sich von einer fast schon unscheinbaren Nebenrolle in einen aussagekräftigen Charakter, der mich emotional in hohem Maße berührt hat und der Serie noch eine zusätzliche, menschliche Note verleiht hat, die mir imponierte.
David Schütter in seiner Rolle als Robin war phänomenal. In einer Mischung aus Klaus Kinski, André Eisermann und Christoph Waltz verschaffte er mir in manchen Szenen sogar eine Gänsehaut, so intensiv war sein Schauspiel.

„8 Tage“ ist ein Sszenario, das realistischer nicht sein könnte und Charakterzüge von Menschen zeigt, wie sie in der Wirklichkeit in solch einer Situation mit Sicherheit auch zutage treten. Das Chaos, die Liebe, die Angst, das Umdenken, die Hoffnungen … all dies kann man hundertprozentig nachempfinden.
Und wie das I-Tüpfelchen kommt dann noch der hammermäßige Score von David Reichelt hinzu, der die apokalyptischen Bilder, aber auch die ruhigen Momente so genial untermalt, dass man sich dabei ertappt, die Titelmelodie immer wieder im Kopf zu hören. Nach Sichtung bleiben nachhaltige Eindrücke zurück, an die man sich immer wieder zurückerinnert. „8 Tage“ ist einer der Serien, die man sich mit Sicherheit noch einmal ansieht, weil sie einfach zum einen unterhält und zum anderen auch zum Nachdenken anregt, dass man sein Leben vielleicht so leben sollte, wie man möchte, und das vor allem in der Gegenwart und nicht erst, wenn es eigentlich zu spät ist.
Ich vergebe volle Punktzahl für diese Miniserie aus Deutschland und freue mich schon jetzt darauf, sie bald wieder zu sehen.

*

Fazit: Eindringliche, emotionale, realistische und spannende Dystopie aus Deutschland.

©2021 Wolfgang Brunner

Blood On My Name (2019)

Originaltitel: Blood On Her Name
Regie: Matthew Pope
Drehbuch: Matthew Pope, Don M. Thompson
Kamera: Matthew Rogers
Musik: Brooke Blair, Will Blair
Laufzeit: 82 Minuten
Darsteller: Bethany Anne Lind, Will Patton, Elisabeth Röhm, Jared Ivers, Jimmy Gonzales, Jack Andrews, Chandler Head, Tony Vaughn, Joshua Mikel
Genre: Drama, Thriller
Produktionsland: USA
FSK: ab 16 Jahre

*

Leigh Tiller trifft in ihrer Panik eine verhängnisvolle Entscheidung. Sie will einen versehentlich geschehenen Mord vertuschen, bringt aber den Leichnam zu seiner Familie zurück, weil sie von einem schlechten Gewissen geplagt wird. Dadurch wird eine verhängnisvolle Kettenreaktion ausgelöst, die alle Beteiligten in einen blutigen Strudel zieht …

*

Die Ausgangssituation für „Blood on My Name“ ist denkbar einfach. Das Ergebnis, das Regisseur Matthew Pope daraus gemacht hat, ist jedoch ein fetter Thriller, der es in sich hat. Bethany Anne Linds Schauspielleistung ist beeindruckend, wenn sie ängstlich versucht, ihre Spuren zu verwischen. Das Milieu, in dem der Film spielt, ist absolut überzeugend dargestellt: Leighs Sohn ist auf Bewährung, der Ehemann sitzt im Gefängnis und Leigh selbst nimmt eine Pille nach der anderen, um ihr aus den Bahnen geglittenes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Da ist eine Leiche im Familienbetrieb nicht wirklich hilfreich, und genau so verhält sich auch die Hauptdarstellerin. Sie macht einen Fehler nach dem anderen, womit ihr die Situation immer mehr aus den Fingern gleitet.
„Blood on My Name“ ist äußerst bedrückend dunkel und in seiner Konsequenz unerbittlich intensiv. So ziemlich jeder Charakter verhält sich unmoralisch und hält sich nicht an das Gesetz. Dadurch erschafft der Film eine Welt voller Armut und Gewalt, die An Romane wie „Joe“ und „Fay“ von Larry Brown erinnern. Vieles wirkt zwar hoffnungslos und dreckig, aber dennoch inszeniert Poe seinen Film auch irgendwie voller Hoffnung für die Charaktere, haucht ihnen trotz ihrer unmoralischen Verhaltensweisen eine gewisse Sympathie ein.

Der Film entwickelt sich immer mehr zu einer modernen Version eines Film Noir, der mit einer Art Antiheldin aufwartet, der man nicht böse sein kann, weil sie ja (den Mord einmal ausgenommen) eigentlich etwas Gutes im Sinn hat, nämlich ihre Familie, in erster Linie den Sohn, zu retten.
Was mir besonders gefallen hat, war die Beziehung zwischen Leigh und ihrem Vater, der ein Ordnungshüter ist, sich aber genau so wenig an die Gesetze hält wie seine Tochter. Dieses Zusammenspiel prickelt und man spürt, dass die Tochter einen anderen Weg als ihr Vater gehen und eine ehrliche, ehrenwerte Person werden möchte, aber dennoch oftmals keinen Ausweg findet, um an ihr Ziel zu gelangen. Dieser verzweifelte Kampf, ein guter Mensch zu werden, wird von Bethany Anne Lind hervorragend auf schauspielerischem Weg ausgefochten. Sie wirkt traumatisiert, verängstigt und dennoch voller Kraft, alles noch einmal zum Guten zu wenden. Es ist ein moralisches Dilemma, in dem sich Leigh befindet: Einerseits will sie ihrem Sohn beweisen, dass sie eine gute Mutter ist und ihm hilft (so wie sie ihrem Vater beweisen möchte, dass sie eine gute Tochter ist) und andererseits bewegt sie sich permanent in einer Grauzone zwischen Gut und Böse.

Genau genommen ist „Blood On My Name“ ein Charakterstück, ein Kammerspiel, das sich auf die Person der Leigh Tiller konzentriert und zeigt, was für eine brutale Verstrickung aus einem einzigen Fehler entstehen kann. Es ist ein Schauspielerfilm, der weniger auf Action, Effekte und Schauwerte legt, sondern sich der intensiven Darstellung einer einzigen Person und deren sozialen Umkreis widmet.
Neben Bethany Anne Lind kann vor allem noch Jared Ivers als Sohn und Will Patton als Vater überzeugen. „Blood On My Name“ macht nicht nur aufgrund seiner Handlung, sondern auch wegen hervorragenden schauspielerischen Leistungen ungemein Spaß und lässt die Zeit wie im Fluge vergehen. Freunde von Charakterstudien und geschickt inszenierten Filmen, die sich vorwiegend auf die Schauspieler konzentrieren, sollten sich den Thriller ansehen.

*

Fazit: Intensive und spannende Charakterstudie im Film-Noir-Stil.

©2021 Wolfgang Brunner

Alone (2020)

Originaltitel: Alone
Regie: John Hyams
Drehbuch: Mattias Olsson
Kamera: Federico Verardi
Musik: Nima Fakhrara
Laufzeit: 98 Min.
Darsteller: Jules Willcox, Marc Menchaca, Anthony Heald. Jonathan Rosenthal
Genre: Drama, Thriller
Produktionsland: USA
FSK: ab 16 Jahre

*

Jessica, kürzlich erst Witwe geworden, wird auf der Reise zu ihren Eltern von einem kaltblütigen Mörder entführt. Ihr gelingt die Flucht in die Wildnis, wo sie sich nicht nur gegen den Killer sondern auch noch zusätzlich gegen die Naturgewalten beweisen muss.

*

Kein geringerer als der Sohn des Regisseurs Peter Hyams (unter anderem „Outland – Planet der Verdammten“, „2010 -Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“ oder „Das Relikt“) steckt hinter diesem perfiden Katz-und-Maus-Thriller, der einen von der ersten Minute an den Atem raubt und in seinen Bann zieht. Hyams beherrscht sein Handwerk, das sieht man dem Film durchgehend an. „Alone“ wirkt wie eine Mischung aus den Kultfilmen „Beim Sterben ist jeder der Erste“ (1972), „Open Season – Jagdzeit“ (1974) und „Unhinged – Außer Kontrolle“ (1982) mit einem Schuss „Hitcher – Der Highway Killer“ (1986) oder auch Süüielbergs „Duell“ (1971). Doch trotz dieser Vergleiche geht Hyams Thriller einen eigenen Weg. Und den vergisst man nicht mehr so schnell, denn die Spannungsschraube dreht sich während der fast 100 Minuten langen Laufzeit unerbittlich enger. Das Tempo, das Hyams vorgibt, hält er konsequent ein und treibt nicht nur die Hauptdarstellerin damit in den Wahnsinn, sondern auch das Publikum. Die Spannung von „Alone“ ist manchmal fast schon unerträglich und man würde am liebsten in den Bildschirm springen, um der gejagten Frau zu helfen.

Neben der Spannung kann „Alone“ aber auch mit wunderschönen Aufnahmen aufwarten. Wenn Jessica etwa vor ihrem Entführer und Peiniger in den Fluss springt, denkt man bei den stimmungsvollen Naturaufnahmen unwillkürlich an den bereits oben genannten „Beim Sterben ist jeder der Erste“. Der Film ist handwerklich perfekt und fängt die unterschiedlichen Stimmungen auf geniale Weise ein, so dass man gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergeht. Hyams versteht es, den Zuschauer in seinen Bann zu schlagen und bis zum bitteren Ende nicht mehr loszulassen.
Beide Schauspieler zeigen ihr Können auf beeindruckende Weise. Da ist zum einen Jules Willcox als Witwe, die sich urplötzlich in den Fängen eines Geisteskranken befindet. Durch ihre natürliche und sympathische Spielweise zieht sie das Publikum auf ihre Seite, obwohl da auch Marc Menchaca als „Mann“ zumindest am Anfang in die gleiche Kerbe schlägt und einen durchaus charmanten Charakter darstellt. Wie er sich dann aber im Laufe des Filmes immer mehr zu einem kaltblütigen, rücksichtslosen Dreckskerl entwickelt, ist schon fast oscarreif. Die beiden Hauptdarsteller „harmonieren“ in ihren Rollen absolut und bringen Täter und Opfer überzeugend auf die Leinwand. Ich hätte noch gut und gerne eine weitere Stunden dabei zusehen können, wie der Psychopath sein Opfer jagt, das sich wiederum nicht kampflos ergibt. Es gibt einige wirklich beeindruckende Szenen mit den beiden.

Ich habe vorhin bereits erwähnt, dass der Spannungsaufbau bei diesem Film nicht besser sein könnte. Was Hyams aber dann mit seinen beiden Hauptdarstellern als furioses Finale inszeniert hat, hat schon fast Kultcharakter. Eine brutale Auseinandersetzung zwischen einer Frau und einem Mann bekommt man selten in dieser Form zu sehen. Und auch hier hat die Schauspielkunst von Jules Willcox und Marc Menchaca einen großen Anteil daran, dass dieses blutige Ende funktioniert.
Die beiden Hauptdarsteller tragen neben der professionellen Inszenierung mit ihrer Schauspielerei den Film und lassen vergessen, dass es sich eigentlich gar nicht um eine Großproduktion handelt. Jules Willcox vermittelt mit ihrer Mimik kraftvoll eine komplexe Mischung aus Angst und Stärke, während Menchaca mit seinen Blicken einen kaltblütigen und sehr gefährlichen Psycho mimt. In einer Szene telefoniert der Killer mit seiner Ehefrau, als wäre er der normalste Mann der Welt und hätte keinen böswilligen Kern in seinem Inneren versteckt. Genau das macht diesen Charakter so glaubhaft, denn auch in der Realität kann man sich oftmals nicht ganz sicher sein, dass jemand, den wir kennen oder sogar lieben, in Wirklichkeit nicht ein Monster wie der „Mann“ in „Alone“ ist.

*

Fazit: Nervenaufreibender Psychothriller mit zwei grandiosen Schauspielern. Unbedingt ansehen.

©2021 Wolfgang Brunner

The Beach House (2019)

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist beachhouse.jpg.

Originaltitel: The Beach House
Regie: Jeffrey A. Brown
Drehbuch: Jeffrey A. Brown
Kamera: Owen Levelle
Musik: Roly Porter
Laufzeit: 88 Min.
Darsteller: Liana Liberato, Noah Le Gros, Maryann Nagel, Jake Weber
Genre: Horror, Thriller, Mystery
Produktionsland: USA
FSK: ab 16 Jahre

*

Emily und Randall wollen einen romantischen Urlaub im abgelegenen Strandhaus von Randalls Eltern verbringen, um Details für ihre Zukunft zu besprechen. Sie treffen auf Freunde seines Vaters und verbringen einen gemeinsamen Abend, an dem sie nicht nur Alkohol, sondern auch Drogen zu sich nehmen. Am nächsten Tag leiden alle unter den Auswirkungen dieses Abends – denken sie zumindest, denn irgendetwas ist im Wasser und am Strand erscheinen plötzlich schleimige, quallenartige Lebewesen.
Die vier erinnern sich, dass sich am Abend zuvor ein leuchtender Nebel über die Landschaft gelegt hat. Emily, Randall und die Freunde seiner Eltern begreifen schon bald, dass sich die Natur gegen sie stellt und ein gnadenloser Kampf ums Überleben beginnt.

*

In den ersten Minuten denkt man tatsächlich, man bekäme einen etwas besser inszenierten B-Movie zu sehen, doch das ändert sich ziemlich schnell. Um es gleich schon einmal vorweg zu sagen, „The Beach House“ war eine große Überraschung für mich, weil ich solch eine ambitionierte Arbeit nicht erwartet habe. Aber eines nach dem anderen: Wie gesagt, nach den ersten Minuten zeigen die Schauspieler, allen voran natürlich die beiden Hauptdarsteller Liana Liberato und Noah Le Gros, immer mehr ihr Talent und überzeugen im Verlaufe des Films immer mehr. In manchen Szenen konnten sie mich sogar regelrecht aufgrund ihrer Schauspielkunst begeistern. Der Spannungsaufbau des Films ist grandios. Denkt man anfangs noch an einen verrückten Drogentrip, der große Ähnlichkeit mit Filmen wie „Auslöschung“ oder „Die Farbe aus dem All“ hat, entpuppt sich „The Beach House“ nach und nach immer mehr zu einem der gruseligsten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe.

Die Spannungsschraube wird konstant und vor allem konsequent höher gedreht und endet in einem surrealen Albtraum, der Fans von H.P. Lovecraft begeistern dürfte. Die Handlung ist nicht unbedingt neu, aber neu ist die Art der Inszenierung, die Steigerung des schleichenden Grauens, die unheimliche Kulisse und das mystische Finale. Irgendwie passte für mich so ziemlich alles an diesem Film, der mir wahrscheinlich auch gerade wegen seiner unkonventionellen Machart so gut gefällt. Da werden Erinnerungen an Horrorfilme aus den 1970er- und 1980er-Jahren wach, obwohl „The Beach House“ niemals altbacken oder gar kopiert wirkt. Nein, ganz im Gegenteil, der Film ist innovativ und nutzt einige überaus positive Inszenierungsmethoden einer leider vergangenen Kino-Ära. Klingt wie ein kleines Meisterwerk? Ist es auch irgendwie. 🙂 Und für mich definitiv eine kleine Perle im Horrorbereich.

Wie oben schon erwähnt, ist für mich „The Beach House“ einer der unheimlichsten und gruseligsten Filme der letzten Zeit. Er verzichtet größtenteils auf die heutzutage allzu beliebten (oder mittlerweile nicht mehr) Schreckmomente und schöpft sein Grauen aus im Grunde genommen simplen Szenen, bei denen einem ein Schauer über den Rücken jagt. Das Szenario wirkt wie eine lange Episode aus „Twillight Zone“, zumal sie auch in einem ähnlichen Stil gedreht wurde und eine entsprechende Handlung vorweist.
Es ist immer wieder erstaunlich, dass man von Filmen so positiv überrascht wird, von denen man es gar nicht erwartet. Ich habe mir einen Horrorfilm vorgestellt, der in die Mainstream-Schublade passt und wurde eines besseren belehrt. ArtHouse trifft auf „The Crazies“. Der Großteil des heutigen Publikums wird allerdings die handwerkliche, visuelle und schauspielerische Prämisse dieses Films nicht verstehen, denn es gibt nicht wirklich viele Spezialeffekt (die sind dann aber handgemacht 🙂 ) und keinerlei bombastische Storyline, was man heutzutage wohl erwartet, um einen Film „gut“ zu nennen.
Für mich ist „The Beach House“ ein außergewöhnlicher und bemerkenswerter Genrebeitrag, den ich mir mit Sicherheit noch öfter ansehen werden. Volle Punktzahl.

*

Fazit: Innovativ und sowohl inszenatorisch, visuell und schauspielerisch eine kleine Perle im Horrorgenre.

©2021 Wolfgang Brunner

Du sollst nicht lügen (2021)

Originaltitel: Du sollst nicht lügen
Regie: Jochen Alexander Freydank
Drehbuch: Astrid Ströher, Dirk Morgenstern
Kamera:  Andreas Doub
Musik: Ingo Ludwig Frenzel, Rainer Oleak
Laufzeit: 180 Min. (4 x 45 Min.)
Darsteller: Felicitas Woll, Barry Atsma, Friederike Becht, Gunnar Helm, Sophie Pfennigstorf, Luke Matt Röntgen, Altamasch Noor, Tino Mewes
Genre: Thriller, Drama
Produktionsland: Deutschland
FSK: ab 16 Jahre

*

Die Lehrerin Laura und der Arzt Hendrik landen nach ihrem ersten Date im Bett.
Doch am nächsten Tag wird aus dem angenehmen Abend ein Albtraum, denn Laura ist sicher, dass Hendrik sie mit K.O.-Tropfen außer Gefecht gesetzt und sie vergewaltigt hat. Hendrik jedoch beteuert, dass der Sex einvernehmlich stattgefunden hat.
Wer ist derjenige, der lügt?

*

Spätestens seit der #MeToo-Debatte dürfte solch ein Thema keinem mehr unbekannt sein. Umso erstaunter war ich, mit welcher Raffinesse und Feinfühligkeit (zumindest in den ersten beiden Folgen) an die Sache herangegangen wird und solch eine Situation auch einmal von beiden Seiten überzeugend dargestellt werden. „Du sollst nicht lügen“ bringt den Zuschauer zum Nachdenken, denn nicht jeder Mann ist ein Vergewaltiger. Mit einem unglaublich guten Gespür für Spannung und Authentizität führt Regisseur Freydank den Zuschauer an der Nase herum und spielt die Sympathiepunkte während der vier Folgen einmal der Frau und einmal dem Mann zu. Beide sind immer wieder das Opfer des anderen, so dass man derart verunsichert wird und irgendwie zu beiden hält. Im Grunde genommen wünscht man sich sogar, das Ganze würde für beide Seiten einfach nur gut ausgehen und die Probleme lösen sich in Luft auf. Aber weit gefehlt: „Du sollst nicht lügen“ erfordert jede Menge Nerven, zumindest erging es mir so.

Es gab viele Stellen, an denen die Spannung für mich fast unerträglich wurde. Das lag aber nicht nur an der wirklich „bösen“ Story, sondern auch an den umwerfend agierenden Hauptdarstellern. Vor allem Barry Atsma hat es mir mit seiner Schauspielleistung angetan, denn man nimmt ihm sowohl den ehrlichen, netten Mann von nebenan ab, als auch den Psychopathen, zu dem er mutiert, wenn ihm etwas nicht in den Kram passt. Es ist wirklich eine Meisterleistung, wie man Sympathie und Wahnsinn so detailliert und überzeugend spielen und den Zuschauer damit dermaßen faszinieren kann. Atsma beherrscht sein Handwerk definitiv. Selbst jetzt, nach Tagen, bekomme ich sein Schauspiel nicht mehr aus dem Kopf. Aber auch Felicitas Woll verkörpert die Rolle des teils hysterischen und teils taffen Opfers sehr gut. Man nimmt ihr die Verzweiflung und Hilflosigkeit, aber auch den Hass und die letztendlich dann Vorgehensweise einer starken Frau absolut ab. Es ist eine wahre Freude, den beiden bei ihren Auseinandersetzungen zuzusehen.

Es verbergen sich einige Logikfehler in „Du sollst nicht lügen“, vor allem gibt es einige Passsagen, in denen die Handlungsweisen der Personen nicht wirklich nachvollziehbar sind. Um nur einen Punkt anzusprechen, bei dem nicht wirklich gespoilert wird: Wieso hat Laura die Telefonnummer ihres angeblichen Vergewaltigers noch immer in ihrer Anrufliste und nicht geblockt? Und sie nimmt sogar einen Anruf von ihm an, um mit ihm zu diskutieren, während sie die Gespräche mit ihrem Ex-Mann, der ihr ja sogar hilft, permanent wegdrückt. So würde sich niemand verhalten. Aber ohne diese Unstimmigkeiten würde der ganze Plot nicht funktionieren, also sollte man das einfach als gegeben hinnehmen und sich vielmehr auf die daraus entstehende Problematik konzentrieren, denn die ist mehr als intensiv und aufwühlend geschildert. Aus meiner Sicht ist „Du sollst nicht lügen“ ein großer und wichtiger Film, bei dem man oft nicht spürt, dass er fürs Fernsehen produziert wurde. Regisseur Jochen Alexander Freydank liefert ein handwerklich beeindruckendes Ergebnis ab, dass sich sehen lassen kann. Und mit den beiden Hauptdarstellern ist ihm in meinen Augen ein großer Wurf gelungen, der die Thematik Vergewaltigung und/oder sexuelle Nötigung hervorragend beleuchtet, auch wenn er in der zweiten Hälfte etwas in Klischees abrutscht. Das tut der Spannung aber definitiv keinen Abbruch. „Du sollst nicht lügen“ sollte man gesehen haben.

*

Fazit: Hervorragend inszeniertes und gespieltes Drama, das die #MeToo-Debatte sehr gut von beiden Seiten beleuchtet.

©2021 Wolfgang Brunner

Battleship Island (2017)

Originaltitel: Gunhamdo
Regie: Ryoo Seung-wan
Drehbuch: Ryoo Seung-wan
Kamera:  Lee Mo-gae
Musik: Bang Jun-seok
Laufzeit: 132 Minuten
Darsteller: Hwang Jeong-min, So Ji-sub, Song Joong-ki, Lee Jung-hyun, Su-an Kim, Kyeong-ho Yoon
Genre: Drama, Action, Krieg
Produktionsland: Südkorea
FSK: ab 18 Jahre

*

Während der Besetzung Koreas im Jahr 1945 werden gefangene Koreaner von den Japanern zur Zwangsarbeit auf die Insel Hashima gebracht, die aufgrund ihres Aussehens, sie erinnert an ein Kriegsschiff, „Battleship Island“ genannt wird. Unter unmenschlichen Bedingungen müssen die Gefangenen in den Schächten einer Kohlemine täglich ihr Leben riskieren, bis der junge Vater Lee Kang-ok zusammen mit anderen Insassen eine Flucht von der Hölleninsel planen.

*

Ich sehe gerne japanische und koreanische Filme und war daher äußerst gespannt auf „Battleship Island“. Wer sich jetzt, wie übrigens ich auch, eine koreanische Version von „Pearl Harbor“ vorstellt, wird mit diesem Film (zumindest anfänglich) seine Schwierigkeiten haben, denn es fehlt einfach der Bombast des genannten Blockbusters. „Battleship Island“ geht einen vollkommen anderen Weg und schildert in erster Linie erst einmal das Schicksal der gefangenen Koreaner und zeigt die schrecklichen Bedingungen, die sie während ihrer Gefangenschaft erleiden mussten, um sich dann erst viel später zu einem Actionfilm zu entwickeln. Man muss sich daran gewöhnen und den Vergleich mit „Pearl Harbor“ verdrängen. Und man muss sich auf die Geschichte einlassen, dann packt einen der Film. Probleme hatte ich anfangs auch mit den Schauspielleistungen einiger Darsteller (was ich sonst bei koreanischen oder japanischen Filmen nie habe), aber auch das legt sich irgendwann.

Die Inszenierung ist handwerklich gut gemacht und man fühlt mit den Protagonisten. Die menschenverachtende Behandlung der koreanischen Gefangenen lässt den Puls höher schlagen und erahnen, was in der damaligen Zeit geschehen ist. Oftmals fühlt man sich an deutsche Vorgehensweisen bezüglich jüdischer Mitmenschen erinnert. Das führt dazu, dass man natürlich sofort Partei für die Koreaner ergreift, was auch im Sinne des Regisseur und Drehbuchautors Ryoo Seung-wan ist. Die menschliche Schicksale gingen einem nahe, wobei man den Charakteren sogar noch mehr Tiefe hätte verleihen können. In manchen Szenen fehlt dann doch ein wenig die Empathie, die man gegenüber den Personen empfindet. Aber das ändert letztendlich nichts an der Intensität und auch Dramaturgie der Handlung.
Auch dachte ich so manches Mal, dass sich Ryoo Seung-wan nicht wirklich entscheiden konnte, ob er ein historisches Drama oder einen Actionfilm drehen wollte. Aber auch das ist letztendlich Jammern auf hohem Niveau.

„Battleship Island“ hat mich größtenteils mitgerissen, an manchen Stellen aber auch kalt gelassen. Ich kann nicht einmal genau erklären, was das eigentlich Problem war, denke aber, dass es oftmals an der bereits angesprochenen Schauspielleistung lag, die mich eben nicht immer überzeugen konnte. Dennoch empfinde ich den Film als einen wichtigen Beitrag zur Kriegsgeschichte Japans und Koreas, der einen Aspekt beleuchtet, den wir Europäer eher weniger kennen. Durch die Symbiose aus ernstem, schockierendem Drama und spannendem Actionfilm gelingt es dem Regisseur zwar, ein breites Publikum anzusprechen, aber eine konsequente Entscheidung für eine der beiden Seiten hätte ich persönlich besser gefunden. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, sollte man sich „Battleship Island“ unbedingt ansehen, um diesen Teil der koreanischen Geschichte zu kennen.

*

Fazit: Sehenswerte Mischung aus historischem Drama und Actionspektakel.

©2020 Wolfgang Brunner