Fall (2022)

Originaltitel: Fall
Regie: Scott Mann
Drehbuch: Jonathan Frank, Scott Mann
Kamera: MacGregor
Musik: Tim Despic
Laufzeit: 107 Minuten
Darsteller: Grace Caroline Currey, Virginia Gardner, Jeffrey Dean Morgan, Mason Gooding
Genre: Thriller, Überlebensthriller
Produktionsland: Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich
FSK: 16 Jahre

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Die beiden Freundinnen Hunter und Becky beschließen, einen verlassenen etwa 600 Meter hohen Funkturm, der mitten in der Wüste steht, hochzuklettern.
Doch kurz bevor sie die Spitze des Turmes erreichen, löst sich eine Schraube des Stahlgerüsts und die Leiter, die die beiden Frauen nach oben gestiegen sind, bricht weg. Die beiden Kletterinnen können sich zwar auf die kleine Plattform an der Spitze des Funkturms retten, aber sie müssen erkennen, dass kein Weg nach unten führt. Die Seile, die sie dabei haben, sind zu kurz und ihre Mobiltelefone haben kein Netz.

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Man erinnere sich an den spektakulären und atemberaubenden Anfang des Bergsteigerfilms „Vertical Limit“ aus dem Jahr 2000 und dehne das Ganze auf eine Länge von 107 Minuten. Heraus kommt „Fall“, ein Film, bei dem man selbst als Schwindelfreier noch Schnappatmung bekommt. Regisseur Scott Mann ist mit seinem handlungstechnisch minimalistischen Film ein Survivalthriller gelungen, der seinesgleichen sucht. Was bei „Fall“ in atemberaubenden Höhen und mit grandiosen Effekten gelingt, ist der pure Wahnsinn und macht den Film zu einem cineastischen „Pageturner“. Die Laufzeit von 107 Minuten vergeht wie im Flug, wenn man den beiden Protagonistinnen bei ihrem Abenteuer begleitet, das zum einen nervenzerfetzend spannend ist und zum anderen mit ruhigen Zwischentönen ausgestattet ist, so dass man seine in Decken oder Kissen verkrallten Finger auch mal etwas entspannen kann. „Fall“ ist ein filmischer Adrenalinstoß nach dem anderen. Und auch wenn die Handlung nicht immer nachvollziehbar und an manchen Stellen leicht übertrieben erscheint, unwiderlegbarer Fakt ist, dass dieser Film an die Nerven geht. Die Höhe des Funkturms wirkt nicht authentisch, und dennoch kann man sich dieser Achterbahnfahrt nicht entziehen. Man ist hautnah mit dabei, wenn sich Metall verbiegt, der Wind um die Ohren der beiden Kletterinnen pfeift und der Blick nach unten ein unangenehmes Schwindelgefühl verursacht.

Grace Caroline Currey und Virginia Gardner spielen ihre Rollen absolut glaubhaft und sehr sympathisch. Man nimmt den beiden sämtliche Handlungen ab, auch die gezeigten Kraftanstrengungen wirken glaubhaft.
Bei solcherart Filmen „sucht“ man fast schon nach Schwachstellen bei den Spezialeffekten. Doch was hier gelungen ist, ist wirklich atemberaubend. Die Sprünge in großer Höhe, die Stürze, die Weite des Landes unter der Plattform – das alles passt einfach und wirkt schon nach kurzer Zeit nicht mehr wie ein Effekt, sondern wie Realität. „Fall“ ist ein Film, den man sich tatsächlich öfter anschauen kann, weil man von den spektakulären Aufnahmen nicht genug bekommen kann.
Regisseur Scott Mann baut eine nahezu unerträgliche Spannung auf, die er erstaunlicherweise bis zum Ende zumindest gleichbleibend halten kann. Man stellt sich während des Films unweigerlich immer wieder die Frage, was man selbst in so einer Situation tun würde. Ich denke, ich werde einige der Bilder wohl für eine Zeit lang nicht mehr aus dem Kopf bekommen.
Und der, wenngleich auch kurze und an sich unbedeutende Auftritt von Jeffrey Dean Morgan tut dem Film sehr gut, zeigt er doch in den wenigen Momenten, welch ein großartiger Schauspieler Morgan ist.
„Fall“ ist eigentlich ein Film für die große Leinwand. Ich möchte nicht wissen, wie vielen aus dem Publikum bei so mancher Aufnahme übel wird, überfällt mich ja schon ein leichtes Schwindelgefühl, obwohl ich „Fall“ im heimischen Kino erlebt habe.
Obwohl ich mir genau dies von „Fall“ versprochen habe, nachdem ich erste Teaser gesehen habe, hat der Film dann letztendlich doch meine Erwartungen sogar noch übertroffen.
Für mich ein Highlight im Bereich des Survival-Thrillers, das man als Fan des Genres unbedingt gesehen haben muss.

Eurovideo veröffentlicht den Film auf DVD und Blu-Ray am 15.12.2022, der VoD-Start von „Fall“ ist am 01.12.2022.

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Fazit: Atemberaubend, nervenzerfetzend und unendlich spannend.

©2022 Wolfgang Brunner

Alone (2020)

Originaltitel: Alone
Regie: John Hyams
Drehbuch: Mattias Olsson
Kamera: Federico Verardi
Musik: Nima Fakhrara
Laufzeit: 98 Min.
Darsteller: Jules Willcox, Marc Menchaca, Anthony Heald. Jonathan Rosenthal
Genre: Drama, Thriller
Produktionsland: USA
FSK: ab 16 Jahre

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Jessica, kürzlich erst Witwe geworden, wird auf der Reise zu ihren Eltern von einem kaltblütigen Mörder entführt. Ihr gelingt die Flucht in die Wildnis, wo sie sich nicht nur gegen den Killer sondern auch noch zusätzlich gegen die Naturgewalten beweisen muss.

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Kein geringerer als der Sohn des Regisseurs Peter Hyams (unter anderem „Outland – Planet der Verdammten“, „2010 -Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“ oder „Das Relikt“) steckt hinter diesem perfiden Katz-und-Maus-Thriller, der einen von der ersten Minute an den Atem raubt und in seinen Bann zieht. Hyams beherrscht sein Handwerk, das sieht man dem Film durchgehend an. „Alone“ wirkt wie eine Mischung aus den Kultfilmen „Beim Sterben ist jeder der Erste“ (1972), „Open Season – Jagdzeit“ (1974) und „Unhinged – Außer Kontrolle“ (1982) mit einem Schuss „Hitcher – Der Highway Killer“ (1986) oder auch Süüielbergs „Duell“ (1971). Doch trotz dieser Vergleiche geht Hyams Thriller einen eigenen Weg. Und den vergisst man nicht mehr so schnell, denn die Spannungsschraube dreht sich während der fast 100 Minuten langen Laufzeit unerbittlich enger. Das Tempo, das Hyams vorgibt, hält er konsequent ein und treibt nicht nur die Hauptdarstellerin damit in den Wahnsinn, sondern auch das Publikum. Die Spannung von „Alone“ ist manchmal fast schon unerträglich und man würde am liebsten in den Bildschirm springen, um der gejagten Frau zu helfen.

Neben der Spannung kann „Alone“ aber auch mit wunderschönen Aufnahmen aufwarten. Wenn Jessica etwa vor ihrem Entführer und Peiniger in den Fluss springt, denkt man bei den stimmungsvollen Naturaufnahmen unwillkürlich an den bereits oben genannten „Beim Sterben ist jeder der Erste“. Der Film ist handwerklich perfekt und fängt die unterschiedlichen Stimmungen auf geniale Weise ein, so dass man gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergeht. Hyams versteht es, den Zuschauer in seinen Bann zu schlagen und bis zum bitteren Ende nicht mehr loszulassen.
Beide Schauspieler zeigen ihr Können auf beeindruckende Weise. Da ist zum einen Jules Willcox als Witwe, die sich urplötzlich in den Fängen eines Geisteskranken befindet. Durch ihre natürliche und sympathische Spielweise zieht sie das Publikum auf ihre Seite, obwohl da auch Marc Menchaca als „Mann“ zumindest am Anfang in die gleiche Kerbe schlägt und einen durchaus charmanten Charakter darstellt. Wie er sich dann aber im Laufe des Filmes immer mehr zu einem kaltblütigen, rücksichtslosen Dreckskerl entwickelt, ist schon fast oscarreif. Die beiden Hauptdarsteller „harmonieren“ in ihren Rollen absolut und bringen Täter und Opfer überzeugend auf die Leinwand. Ich hätte noch gut und gerne eine weitere Stunden dabei zusehen können, wie der Psychopath sein Opfer jagt, das sich wiederum nicht kampflos ergibt. Es gibt einige wirklich beeindruckende Szenen mit den beiden.

Ich habe vorhin bereits erwähnt, dass der Spannungsaufbau bei diesem Film nicht besser sein könnte. Was Hyams aber dann mit seinen beiden Hauptdarstellern als furioses Finale inszeniert hat, hat schon fast Kultcharakter. Eine brutale Auseinandersetzung zwischen einer Frau und einem Mann bekommt man selten in dieser Form zu sehen. Und auch hier hat die Schauspielkunst von Jules Willcox und Marc Menchaca einen großen Anteil daran, dass dieses blutige Ende funktioniert.
Die beiden Hauptdarsteller tragen neben der professionellen Inszenierung mit ihrer Schauspielerei den Film und lassen vergessen, dass es sich eigentlich gar nicht um eine Großproduktion handelt. Jules Willcox vermittelt mit ihrer Mimik kraftvoll eine komplexe Mischung aus Angst und Stärke, während Menchaca mit seinen Blicken einen kaltblütigen und sehr gefährlichen Psycho mimt. In einer Szene telefoniert der Killer mit seiner Ehefrau, als wäre er der normalste Mann der Welt und hätte keinen böswilligen Kern in seinem Inneren versteckt. Genau das macht diesen Charakter so glaubhaft, denn auch in der Realität kann man sich oftmals nicht ganz sicher sein, dass jemand, den wir kennen oder sogar lieben, in Wirklichkeit nicht ein Monster wie der „Mann“ in „Alone“ ist.

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Fazit: Nervenaufreibender Psychothriller mit zwei grandiosen Schauspielern. Unbedingt ansehen.

©2021 Wolfgang Brunner