Originaltitel: Carcinoma
Regie: Marian Dora (als A. Doran)
Drehbuch: Marian Dora (als A. Doran)
Kamera: Marian Dora (als A. Doran)
Musik: Marian Dora (als A. Doran)
Laufzeit: 87 Minuten
Darsteller: Ulli Lommel, Thomas Goersch, Carina Palmer, Daniela Friedel, Curd Berger, Lisbeth Piquart, Dorian Piquart
Genre: Drama
Produktionsland: Deutschland
FSK: keine Prüfung
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Obwohl Dorian eine Wucherung an seinem Körper entdeckt, sucht er keinen Arzt auf. Er hat Angst, eine schlimme Krankheit zu haben. Als der Tumor aber immer größer wird und Dorian die Schmerzen nicht mehr aushält, wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Diagnose: Darmkrebs im letzten Stadium.
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Wer Marian Dora kennt, weiß genau, worauf er sich einlässt. Und mit „Carcinoma“ beweist Dora (der diesen Film unter dem Pseudonym A. Doran inszeniert) wieder einmal, dass er der Meister des Ekelfilms ist. Aber nicht nur des Ekels, sondern auch des hintergründigen Schockierens. Es ist immer wieder erstaunlich, wie Dora seine Themen anpackt und in einen faszinierenden Film verpackt, dem man sich schwer entziehen kann. Auch wenn es äußerst blutig zugeht und mit Kot und anderen Körperflüssigkeiten nicht gespart wird, erzählt „Carcinoma“ dennoch ein ergreifendes Schicksal, das gerade durch seine Ekelszenen unglaublich authentisch wird. Dora spricht eine eigene Sprache, die manchmal an Jörg Buttgereit erinnert. Vor allem, wenn die schockierenden, ekligen Szenen von melancholischen Bildern unterbrochen werden, die den Zuschauer über das eigene Leben (und Sterben) nachdenken lassen. Ich würde Marian Dora fast als Hybrid aus dem bereits erwähnten Jörg Buttgereit, dem provokativen Michael Haneke und dem innovativen Peter Greenaway bezeichnen. Dora überschreitet definitiv Grenzen und stößt den Großteil der Zuschauer damit ab. Es gibt wohl nur wenige Menschen, die sich auf seine filmischen Alpträume einlassen, in denen Kot, Urin, andere Körperflüssigkeiten und Blut eine große Rolle spielen.
Aber man muss auch hinter die Bilder sehen, die man zu sehen bekommt. Dora nimmt kein Blatt vor den Mund und beschreibt, wie auch schon in seinem (in meinen Augen immer noch sein Meisterwerk) „Cannibal“, welche Abscheulichkeiten das Leben für uns bereithält. Niemand will es wahrhaben, geschweige denn sehen, was mit einem passiert, wenn er Darmkrebs im Endstadium hat: Da muss man sich als Betroffener leider mit Durchfall und anderen unschönen Dingen auseinandersetzen. Und genau das tut Dora auch: Er setzt sich mit dem noch verbleibenden Leben eines Kranken auseinander und zeigt uns in allen Details, wie es abläuft. „Carcinoma“ hat mich trotz einer enormen Anhäufung von Ekelszenen nicht ganz so stark betroffen gemacht wie „Cannibal“, aber dennoch ist es harter Tobak, der da auf einen zukommt und man sollte wirklich wissen, auf was man sich da einlässt. Doras Beitrag zur Krebserkrankung dürfte für jeden eingefleischten Hardcore-Fan dennoch eine Herausforderung sein.
Es gibt sehr selten Filme, die mich so nachhaltig betroffen machen und beeindrucken: „Carcinoma“ gehört eindeutig dazu.
Aber wie bei all seinen Filmen setzt Dora die Ekel- und Schockeffekte nicht plump als reißerische Aufhänger ein, sondern fokussiert damit die Geschichte und das Schicksal aller Beteiligten, lässt den Zuschauer in einer dermaßen brutalen Intensität teilhaben, dass es wehtut. Man möchte sich einerseits übergeben, kann sich aber andererseits dieser morbiden Anziehungskraft, die einem unsichtbaren Beobachter obliegt, in keiner Sekunde entziehen. Dora macht uns zu abartigen Voyeuren, die sich am Elend anderer nicht satt sehen können. Man braucht schon einen starken Magen, um einer Darmspiegelung oder anderen Geschehnissen beizuwohnen. Aber diese Dinge stellen neben den schönen Ereignissen (die Dora übrigens auch wunderbar in die Geschichte einwebt) unser Leben dar.
Begleitet werden die verstörenden und nostalgisch, melancholisch verklärten Bilder von einer elegischen Klaviermusik, die dem Film immer wieder für kurze Zeit den Schrecken nimmt. Wahrscheinlich könnte man durch diese ruhigen Einschübe Marian Doras Filme gar nicht ertragen. Sie würden auf den Zuschauer einschlagen wie eine gigantische Welle aus Gewalt und Schrecken.
Marian Doras Filme liebt oder hasst man. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es etwas dazwischen gibt, denn entweder sieht man den Künstler, der hinter diesen abartigen Bildern steckt, oder man zweifelt am Verstand des Regisseurs. Dora scheut keine Tabus und provoziert mit seinen Arbeiten, dreht aber gleichzeitig künstlerische Filme, die realistische Schrecken in traumgleiche Bilder verwandeln. Man kann es schwer erklären, wenn man die Filme, oder in diesem Fall „Carcinoma“ nicht gesehen hat. Wahrscheinlich braucht man als Fan seiner Filme eine gewisse Aufgeschlossenheit und ein Auge für die „Schönheit“, die darin verborgen sind.
Vor den Schauspielern kann man nur den Hut ziehen. Wer sich bei solchen Szenen filmen lässt, verdient meinen höchsten Respekt. Allen voran natürlich Dorian Piquart, der mit dieser Rolle in die Vollen geht und sozusagen fast alles mit sich machen lässt, was dramaturgisch notwendig war. Aber auch Curd Berger und Thomas Goersch können sich sehen lassen. Beide haben eine „normale“ Rolle inne, die sie sehr gut meistern.
„Carcinoma“ wirkt enorm lange nach, verursacht auch nach Tagen noch ein extrem unangenehmes Gefühl, wie es übrigens „Cannibal“ sogar noch nach Jahren bei mir verursacht, wenn ich daran denke. Das ist es auch, was Doras Filme ausmachen: Provokant, schockierend und tabulos. Und zwischen den Bildern steckt das Leben, wie wir es alle kennen, mit all seinen Schönheiten und Grausamkeiten.
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Fazit: Ein typischer Marian Dora, der schockiert, aber dennoch nachdenklich macht und eine morbide Faszination ausstrahlt.
© 2017 Wolfgang Brunner