Interview mit dem Regisseur Slavko Spionjak und seinem Team

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v.l.n.r.: Slavko Spionjak, Rita Fichtl-Spionjak, Slavica Spionjak
© Slavko Spionjak, Rita Fichtl-Spionjak, Slavica Spionjak

 

Slavko Spionjak, Jahrgang 1961, ist Regisseur, Drehbuchautor, Musiker, Ehemann und Vater. In den letzten zwanzig Jahren hat er zusammen mit seiner Frau Rita Fichtl-Spionjak und seiner Schwester Slavica Spionjak 10 Kurzfilme und 3 Spielfilme produziert und inszeniert. Sein Kurzfilm „Zwischen den Linien“ und der letzte Spielfilm „Caedes – Die Lichtung des Todes“ heimsten zahlreiche, weltweite Nominierungen und Awards auf Filmfestivals ein.

Film-Besprechungen freut sich, dem freundlichen Kroaten, der in Bayern
ansässig ist, ein paar Fragen zu stellen.

 

1. Eine Frage, die mich bei jedem Regisseur brennend interessiert: Wer sind Eure Vorbilder?

Slavko: Da gibt es viele die ich klasse finde. Besonders mag ich: Stanley Kubrik, Robert Zemeckis, Steven Spielberg.

Rita: Ich hätt da noch einen. J.J.Abrams.

Slavica: Spielberg, J.J Abrams und dann zwei „durchgeknallte“ wie Lars von Trier und Rodrigez (z.B. From Dusk Till Dawn).

 

2. Welches Projekt wäre bei finanzieller Unabhängigkeit Euer größter Traum?

Slavko: Ein Sci-Fi 3-Teiler.

Slavica: Ich bin auch ein „Serienjunkie“. Es wäre eine große Herausforderung, eine Mysterie Serie wie „Lost“ oder „The Walking Dead“ (beides meine Lieblingsserien) zu realisieren … oder Caedes Teil 2. Ideen wären da.

3. Euer Filme wirken sehr professionell. Rita (Deine Frau) und Slavica (Deine Schwester) sind immer daran beteiligt. Habt ihr diese Begeisterung für Filme schon immer geteilt oder wie kommt dieses „Familienteam“ zustande?


Slavko: Wir sind schon immer Erzähler gewesen. Menschen zu unterhalten ist unser Ding. Filmfreaks waren wir schon immer.

Rita: Früher hatten wir zusammen die Band UE, jetzt drehen wir Filme. Zusammen etwas auf die Beine gestellt haben wir also schon immer.

Slavica: Das ist ein göttlicher Zufall, denke ich, dass mein Bruder und ich gleiche Leidenschaften haben und dann kam Rita dazu, die genau so tickt. Und das unsere Filme professionell wirken, wollten wir immer haben.

 

4. Euer Kurzfilm „Zwischen den Linien“ und „Caedes – Die Lichtung des Todes“ kommen sowohl beim deutschen wie auch internationalen Publikum gut an und wird auf vielen Festivals aufgeführt. Habt Ihr beim Dreh mit so einem Erfolg gerechnet?


Slavko: Wenn an dem Projekt gearbeitet wird, dann ist immer die Hoffnung da, dass die Leute das anspricht, an das man so lange und hart gearbeitet hat. Über den Erfolg freuen wir uns unglaublich.


Slavica: Ich beschreibe es mal so: Das Drehen ist wie ein Rausch. Die Ernüchterung kommt während der Postproduktion, aber auch Zweifel. Wird die Geschichte den Menschen so gut gefallen, wie einem selbst? Wird die Botschaft gut rüberkommen? Werden sich die Zuschauer gut unterhalten? Während jeder Premiere verlasse ich den Vorführraum und warte aufgeregt ab, wie die Reaktionen sein werden. Über die Filmfestival Preise, die ja schon einige sind, ist meine Freude unglaublich und unbeschreiblich.

 

5. Was dürfen wir von Euch als nächstes erwarten? Ist es noch geheim oder könnt Ihr uns ein paar Worte zu Euren neuen Projekt verraten?

Slavko: Wir haben sehr viele Geschichten, die wir gern umsetzten wollen …Ich glaube, da genügt das ganze Leben nicht, um das alles fertig zu stellen :o)

Rita: Wir arbeiten oft an mehreren Projekten gleichzeitig.

Slavica: Ich bin Kroatin und wie man weiß, sind wir seeeehr abergläubisch. Also, wenn alles zu 100% unter Dach und Fach steht, werden wir es verraten.

 

6. Großproduktionen oder Independent-Film? Was sagt Euch persönlich mehr zu?

Slavko: Alles, was geil ist. Geld ist keine Garantie, um gute Unterhaltung zu produzieren. Da freut es mich natürlich jedes mal, wenn ich einen Low-Budget Film sehe, der gut funktioniert.

Slavica: Ein guter Film ist gut, egal wie viel er gekostet hat. Genau so ist es bei nicht so guten Filmen. Unsere Filme sind für mich Großproduktionen. Wir haben ein Team das GROßartig ist. Wir arbeiten mit Menschen die GROßartig sind.

 

7. Was sind Eure absoluten Lieblingsfilme? Verratet Ihr uns auch, warum das so ist?

Slavko: Contact von Robert Zemeckis. Weil mich Religion und Wissenschaft sehr interessiert und da prallen die beiden Dinge sehr gut aufeinander. Es ist auch sehr interessant zuzuschauen, wie die Gläubigen mit aller Macht Gott beweisen wollen … anders herum versuchen die Wissenschaftler zu zeigen, dass es ihn doch nicht gibt. Was letztendlich absolut egal ist, da es für unsere Beziehungen (eigentlich) nicht relevant ist, ob es einen Gott gibt oder nicht.

Rita: „Der letzte Mohikaner“. Regie, Schauspieler, Kamera, Musik – einfach der Wahnsinn.

Slavica: Man merkt, wir sind Geschwister: Religion, oder besser gesagt Glaube und Wissenschaft, sind für mich sehr wichtig und meiner Meinung nach die größten Rätsel der Menschheit. Ich lache auch gern bei einer Komödie (für mich das schwierigste überhaupt, Menschen zum Lachen zu bringen) oder ich lass mich gern in eine Fantasywelt entführen, ob Märchen oder Horror … Mein Spruch: Es ist wichtig, dass ich den Film aus dem Kino mitnehme und ihn nicht dort lasse und sofort vergesse. Meine Lieblingsfilme sind: From Dusk Till Dawn, Alle 3 Teile „Herr der Ringe“, Minority Report, Star Trek Filme, bei denen J.J. Abrams Regisseur war, Star Wars (Episoden 4, 5 und 6), Unheimliche Begegnung der dritten Art, Don Camillo und Peppone (die alte Filme), Constantin … Ich glaube das reicht, ha ha ha …

 

8. Gab es ein bestimmtes Erlebnis, durch das Ihr Filmemacher wurdet? Möchtet Ihr ein wenig über Euren Werdegang erzählen?

Slavko: Wir haben ein Ventil gesucht, um unsere Erlebnisse und Fantasien an die Leute zu bringen. Da wir alle auch Musiker sind, ist Film und Musik genau das Richtige.

Rita: Wir haben mal ein Musikvideo zu dem UE Lied „Soul Power“gedreht und einen Preis gewonnen. Das war wohl das erste mal vor und hinter der Kamera für uns.

Slavica: Als ich Kind war (damals, in Ex-Jugoslawien) da gab es fantastische Geschichtenerzähler (meinen Großvater und einige Onkels). Wir saßen stundenlang (verschiedene Generationen) beisammen und hörten zu. Und das „Kopfkino“ arbeitete auf vollen Touren. Die haben es unglaublich bunt und lebendig erzählt. Die Möglichkeit zu haben, selbst erdachte Geschichten im Film zu erzählen, ist natürlich der Wahnsinn.

 

9. Welche Meinung habt Ihr zur FSK (Freiwillige Selbstkontrolle)?

Slavko: Sehr gespalten. Da teilweise Filme ab 12 im Kino laufen, die ich ab 18 gemacht hätte, und Filme ab 18, die ich ab 12 gemacht hätte. Anscheinend hängt das immer von der Tagesform der FSK- Leute ab :o) Schade ist nur, dass das manche Produktionen zerstören kann.

Slavica: FSK find ich als einen guten Gedanke. Nur, es läuft nicht immer fair und korrekt ab, finde ich.

 

10. Was sind die fünf wichtigsten Dinge in Eurem Leben?

Slavko: Familie, Gesundheit, Film, Musik, Sport …. Ohne Frieden und Liebe zu erwähnen, denn das ist sowieso klar.

Slavica: An erster Stelle ist Familie, Freunde, Gesundheit und Frieden, dann kommen sofort danach Film, Musik und Bücher

 

Ich bedanke mich ganz herzlich für die interessanten Antworten und freue mich schon jetzt auf Euren neuen Film.

Slavica: Vielen Dank auch an Dich für das nette Interview und an die tollen Kritiken für „Zwischen den Linien“ und „Caedes“.

Infos über „Zwischen den Linien“ und „Caedes – Die Lichtung des Todes“ bekommt man, wenn man auf die Filmtitel klickt.

© 2015 Wolfgang Brunner / Slavko Spionjak, Rita Fichtl-Spionjak, Slavica Spionjak

 

Interview mit dem Regisseur Benjamin Bechtold

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© Benjamin Bechtold

Benjamin Bechtold, Jahrgang 1982, wurde in Gießen geboren. Schon mit achtzehn Jahren begann er Drehbücher zu schreiben und widmete sich ganz dem Film. Zehn Jahre später, 2010, gründete er das Kreativ-Label „Fearling Entertainment“ für Drehbuch- und Kurzfilmproduktionen.
Über Fearling Entertainment entstanden Kurzfilme wie etwa „Lovely Wolf“ oder „Dämonisch“, die für viele Filmpreise auf internationalen Festivals nominiert wurden.
Film-Besprechungen freut sich auf die Antworten des kreativen Regisseurs.

1. Deine Filme überzeugen durch ungewöhnliche Plots. Wie, wann und wo kommen diese Ideen zu Dir?

Mir schießen ständig Ideen durch den Kopf. Das sind oft nur einzelne Bilder oder Situationen. Wenn sich genug angesammelt hat, setze ich mich hin und fange an zu basteln. Eine gute Geschichte setzt sich ja immer aus einer Vielzahl von Ideen zusammen. Wenn mich eine Story so richtig packt, ist es ein bisschen so, als öffne man die Büchse der Pandora! Ich lasse mich dann von der Stimmung verschlingen und tauche voll ein. In solchen Phasen ist es nicht immer leicht mit mir. Aber nur auf diese Weise kann man eine bewegende Geschichte erzählen. Sonst kratzt man nur an der Oberfläche.

2. Wie macht man sich auf die Suche nach geeigneten Schauspielern und anderen Leuten für das Team?

Das richtige Team zu finden ist immer eine aufwendige Angelegenheit – gerade in Zeiten, in denen das Geld knapp ist. Bei Schauspielern bieten sich Castings an. Im Laufe der letzten Jahre ist bereits ein sehr umfangreiches Netzwerk talentierter Leute um mich herum entstanden, mit denen ich regelmäßig in Kontakt stehe. Man kann nicht bei jedem Projekt zusammenarbeiten, denn es muss immer für das jeweilige Projekt passen. Fest steht: Ein guter Film hängt sehr von einem zuverlässigen und guten Team vor und hinter der Kamera ab. Denn gerade bei den aufwendigen Kurzfilmprojekten hängt jeder Tag und jede Minute am seidenen Faden.

3. Welches Erlebnis führte dazu, Regisseur und Drehbuchautor zu werden?

Ich hatte schon immer eine kreative Ader.  Als Kind habe ich mit Freunden Hörspiele auf einem tragbaren Kassettenrekorder aufgenommen. Als Teenager schrieb ich dann Kurzgeschichten, Gedichte und einen 120 seitigen Roman. Bei einer Party im Jahr 2001 meinte dann ein Kumpel nach ein paar Bierchen: „Du schreibst doch Geschichten – und wir mögen beide Filme! Schreib doch mal ein Drehbuch! Dann drehen wir einen Film!“ Er rechnete allerdings nicht damit, dass ich mich schon am nächsten Tag hinsetzen würde, um ein Skript zu verfassen. Wir liehen uns ein paar Scheinwerfer und eine S-VHS Kamera beim Offenen Kanal Gießen und filmten wild drauf los. Nach einem Jahr war ein 86-minütiger Film fertig und das Ergebnis war – sehr peinlich! Glücklicherweise existieren nur noch wenige Kopien von diesem Desaster! Von da an hatte ich jedenfalls Blut geleckt und wollte herausfinden, wie es richtig geht.

4. Hast Du schon einmal daran gedacht, einen Roman und kein Drehbuch zu einer Deiner Geschichten zu schreiben?

Vor den Drehbüchern habe ich viel Prosa geschrieben. Meine ersten Drehbücher waren auch noch zu prosa-lastig für ein funktionierendes Skript. Ich musste mir die ausufernde und „blumige“ Sprache erst einmal abgewöhnen, um zu dem bildbezogenen und formaleren Schreibstil eines Drehbuchs zu kommen. Das wäre nun wahrscheinlich umgekehrt die Schwierigkeit, wenn ich mich wieder auf einen Roman einlassen würde. Aber das müsste man mal auf einen Versuch ankommen lassen!

5. Dein Traumprojekt wäre …?

Immer das, an dem ich gerade arbeite. Ich habe mir bislang den Luxus gegönnt, genau die Projekte zu machen, die ich auch unbedingt machen wollte. Ansonsten würde mich reizen einige meiner abendfüllenden Skripte umzusetzen. Da wäre „VAMPIRE’S SHADOW“, für das ich 2008 für den SEHSÜCHTE DREHBUCHPREIS, Berlin und den HESSISCHEN DREHBUCHPREIS, Frankfurt a.M. nominiert war, mein Favorit. Es ist eine sehr intensive und bildgewaltige Story über einen Autor, der zwischen Wahn und Realität schwankt. Eine Mischung aus „Mulholland Drive“ und „Interview mit einem Vampir“.

6. Wie sieht es mit einem Langfilm von Benjamin Bechtold aus?

Zurzeit arbeite ich mit JAKALE Film aus Kassel an einem sehr spannenden Langfilmprojekt mit dem Titel „NO HATE“, zu dem ich das Skript geschrieben habe. Regie führt Jakob Gisik, von dem die Idee für dieses Projekt stammt. Bei den Dreharbeiten werde ich Jakob auch hinter der Kamera unterstützen. Ansonsten steht fest, dass ich für ein eigenes Langfilmprojekt bereit bin. Ich muss nur noch den Sack mit Geld finden. Dann kann’s sofort losgehen!

7. Welche Art von Filmen schaust Du Dir in Deiner Freizeit an?

Fast alles! Ich hatte schon immer ein breites, genreübergreifendes Interesse an Filmen, was sich auch in meinen eigenen Arbeiten widerspiegelt. Es darf gerne das kleine Arthaus-Drama wie „Nach der Hochzeit“ oder „Broken Circle“ sein, genauso aber Horrorschocker wie „Martyrs“ oder „Eden Lake“. Aber auch Blockbusterkino im Stil von „X-Men“ und Co. Ich liebe den schwarzen Humor von dänischen Komödien, wie „Dänische Delikatessen“ oder „Adams Äpfel“. Figuren wie Freddy Krüger, Terminator und Alien haben meine Kindheit und Jugend geprägt. Unzählige Ereignisse meines Lebens verbinde ich mit Filmen.

8. Printbuch oder ebook? CD oder MP3? DVD/BluRay oder Streaming?

Ebooks und Streaming sind nicht mein Fall. Lieber etwas, das man in die Hand nehmen, drehen und wenden und in den Schrank stellen kann. Für mich gehört ein gutes Artwork, ein schönes Booklet etc. immer dazu. Da bin ich irgendwie altmodisch. Ich sammel den Kram unheimlich gerne, hab meine ganze Bude voll mit CDs und DVDs in allen möglichen Editionen. Mach das mal mit Streams! Ich mag diesen schnellen Konsum nicht, bei dem man sich zehn Clips hintereinander reinzieht und beim Dritten schon vergessen hat, worum es im Ersten ging.

9. Michael Ende sagte einmal, eine Geschichte dauert so lange, wie sie eben dauert. Gilt das Deiner Meinung nach auch für Filme?

Diese Aussage passt natürlich zu dem Autor von „Die unendliche Geschichte! 😉 Aber ich stimme ihm zu. Ein guter Film muss in meinen Augen keine feste Norm erfüllen. Das gilt für die Länge genauso, wie für komplexe Erzählstrukturen. Da gibt es unzählige Beispiel, wie „Memento“, „Mulholland Drive“, „Dogville“, „Mr. Nobody“, „The Fountain“… Viele großartige Filme, die ich sehr schätze, machen es dem Zuschauer in vielen Punkten überhaupt nicht recht. Sie verlangen, dass man sich auf sie einlässt und nicht zwischendurch ne Runde döst oder Nüsschen holt. Wenn man dran bleibt, bekommt man ein unglaubliches und beeindruckendes Filmerlebnis geboten, das noch lange in einem nachbebt. Leider ist die Bezeichnung „guter Film“ nicht immer gleichzusetzen mit „erfolgreicher Film“. Je mehr du dem Zuschauer abverlangst, umso mehr schalten irgendwann ab. Sehr schade! Andererseits kann man der Muddi, die beim Bügeln ihr „Großstadtrevier“ schauen möchte, auch nicht vorschreiben „Fight Club“ einzulegen. Da würde ihr wahrscheinlich das Eisen aus der Hand fallen!

10. Wo siehst Du Dich in zehn Jahren? Was ist Dein angestrebtes Ziel?

Da bin ich hoffentlich 43 Jahre alt. Mich treibt das Gefühl an, nie richtig angekommen zu sein! Ich glaube nicht, dass sich das in den nächsten zehn Jahren ändern wird.

11. Das Wichtigste in Deinem Leben? Nenne fünf Dinge?

Mein Leben, meine Lieben, meine Gesundheit, meine Kreativität und mein Hund.

Ich bedanke mich bei Dir für Deine interessanten Antworten und hoffe, noch vieles von Dir zu sehen bekommen. Deine Arbeiten überzeugen mich immer wieder. Alles Gute für die Zukunft von Film-Besprechungen.

Danke auch für das nette Interview!

© 2015 Benjamin Bechtold / Wolfgang Brunner

Interview mit dem Regisseur Ralf Kemper

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Ralf Kemper ist Musiker, Sänger, Gitarrist, Komponist, Regisseur und Cutter. Bis 2007 war er Mitglied der Band „Die Schnitter“, die über 500 Konzerte in Deutschland und der Schweiz aufführten, und wandte sich nach dieser Zeit dem Filmen zu. Kemper arbeitete von Super 8 über MiniDV bis hin zum heutigen 4K Video mit fast allem, was im Videobereich möglich ist. Auf Spielfilme spezialisiert produzierte er bislang 6 Langfilme und einige Kurzfilme als Produzent, Regisseur, Kameramann und Cutter. Seit 2004 veranstaltet Kemper das älteste Trashfilm-Festival Europas „Der phantastische Trashfilm“, das 2016 bereits zum elften Mal stattfindet. Film-Besprechungen freut sich auf ein Interview mit dem vieltalentierten Künstler.

1. Dein Kurzfilm „Alptraumfieber“ ist ein sehr atmosphärischer Film, der auch die Stilmittel des Found Footage Genres nutzt. Magst Du persönlich Found Footage?

Ich mag Found Footage ganz gern. In letzter Zeit ertappe ich mich allerdings immer wieder dabei, wie ich „Ach nein, nicht schon wieder…“ bei Filmen des Genres sage (zuletzt bei „Katakomben“). Dennoch nutze ich dieses Stilmittel immer wieder für eigene Projekte. „Alptraumfieber“ (https://vimeo.com/137847304) konnte für mich nur funktionieren, wenn ich Found Footage einbaue. Eigentlich war es mir bei der Produktion wichtig, auf die Gefahren hinzudeuten, die bei Verabredungen über das Internet entstehen. Wo Du nie weißt, wer hinter einem Usernamen steht. Und genau dafür war Found Footage in diesem Fall herrlich geeignet. Meine Found Footage Lieblingsfilme sind übrigens „REC“ und „Blair Witch Project“.

2. Wie kam es eigentlich genau dazu, dass Du den Weg eingeschlagen hast, Filme zu inszenieren und produzieren?

Den Weg hat mir letztendlich die Technik geebnet. Da ich in den 70` igern aufgewachsen bin, war Film immer gegenwärtig. Immerhin war das die Hochzeit der Super 8 Filmerei und auch bei uns zu Hause wurde viel gefilmt. Meine erste Super 8 Kamera bekam ich mit 14 und bin sofort mit meinen Freunden in den Kasseler Bergpark Wilhelmshöhe, um einen Vampirfilm zu drehen. Filmschnipsel davon habe ich heute noch. Ich habe damals viele, viele Meter Film mit Super 8 gedreht. Für mein Projekt „Toxic Lullaby“ konnte ich davon profitieren. Da gibt es Szenen, die mit meiner guten alten S8 Kamera gedreht wurden.
Aber zurück zu meinem Weg. Nach der Super 8 Zeit kam die VHS Zeit. Da habe ich dann lieber Musik gemacht und meine Liebe zum Film hatte bis 1999 Pause.
Als die Digitalkameras dann auf den Markt kamen und Schnittsysteme erschwinglich wurden hat das in mir die Leidenschaft zum Film wiedererweckt. In 2000 habe ich mit einem Freund (der bei meinem ersten Vampirfilm ein Opfer spielte) die erste digitale Produktion „Ein Weihnachtslied“ realisiert. Ein Found Footage Film über eine Gruppe Zivilisten, die einen Bunker wegen einer Zombieepidemie herrichten sollen. Die digitalen Möglichkeiten des Filmschneidens haben mich sofort in den Bann gezogen. Musste ich bei Super 8 noch mit Schere und Kleber arbeiten, wo das verfügbare Material immer kürzer wurde, konnte ich digital 100 mal die gleiche Stelle bearbeiten ohne den Verlust eines einzigen Bildes.
Das ist nach wie vor das fantastische am Filmemachen; der Filmschnitt. Beim Schnitt kann ich sogar die Story noch beeinflussen. Immer vorausgesetzt, dass ich genügend Material zur Verfügung habe, kann ich Geschichten aus verschiedenen Blickwinkeln erzählen. Das macht mir am Filmemachen am meisten Spaß. Die aktuelle Version von „Alptraumfieber“ ist beispielsweise die vierte Schnittversion.

3. Du hast E-Gitarre in der Kasseler Band „Die Schnitter“ gespielt und auch gesungen. Hat Musik immer noch eine wichtige Bedeutung für Dich und welche?

Ich spiele immer zwischen den Produktionsphasen Gitarre oder Schlagzeug. Das entspannt. Die Musik selbst ist sehr wichtig bei dem Entstehungsprozess meiner Projekte. Da gibt es zum Beispiel einen Song der Band „Mad Monks“, mit denen ich 2004 auf der Bühne stand. Er hat mich beim Schreiben von „Überfall der Mörderrucksäcke“ stark inspiriert und wurde dann auch zur musikalischen Untermahlung der Titel Credits. Musik beeinflusst das Bild. Ich bevorzuge handgemachte Gitarrenmusik. Das gefällt mir in Filmen, die ich sehe, und das gefällt mir noch mehr in Filmen, die ich mache. Dabei arbeite ich bei meinen Projekten am liebsten mit befreundeten, regionalen Musikern zusammen.

4. Gab es schon einmal einen Punkt, an dem Du dachtest, Du würdest ein Projekt nicht „stemmen“?

Ich würde sagen mehrmals schon beinahe. „Toxic Lullaby“ (https://vimeo.com/ondemand/toxiclullabyeloise) war eine Gratwanderung von dem, was wir machen wollten und machen konnten. In der Vorproduktion lief alles nach Plan, viele Departments waren besetzt. Als es dann an die Dreharbeiten ging, sind einige Leute leider überfordert gewesen und abgesprungen. Also mussten wenige viel stemmen. Es hat dennoch funktioniert und Mut gemacht für zukünftige Produktionen.
Mit diesem Hintergrund bin ich in die Produktion von „Damned On Earth“ gegangen. Wir wollten alles besser machen, aber es lief ähnlich ab wie bei Toxic und die Produktion gestaltete sich von Monat zu Monat schwieriger. Wir mussten so viele Szenen aus dem Script streichen, beziehungsweise umschreiben, weil die Umsetzung einfach nicht möglich war. Das Ganze zog sich sehr lange hin und die Postproduktion dauerte über ein Jahr. Da gab es viele Momente, an denen ich aufgeben wollte. Der Film ist dann trotzalledem fertig geworden. Nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber so ist das eben.

5. John Carpenter oder Steven Spielberg? Warum?

Ganz klar John Carpenter, weil er seine Ideen mit wesentlich weniger Budget umsetzt als Spielberg.

6. Könntest Du Dir vorstellen, einmal ein anderes Genre als Horror zu bedienen? Wenn ja, für welches Genre würdest Du Dich entscheiden?

Science Fiction fasziniert mich. Und zwar alles, was in den Weiten des Weltraums spielt. Das kommt sicher daher, dass ich mit Kirk, Spock und der USS Enterprise aufgewachsen bin. Ich habe sogar ein SciFi Drehbuch in der Schublade. Allerdings wäre eine Produktion wesentlich teurer als meine bisherigen Produktionen und so warte ich da lieber auf bessere Tage, bevor tolle Ideen mal wieder budgetbedingt aus dem Script gestrichen werden müssen.

7. Welches literarische Werk würdest Du am liebsten verfilmen? Oder sind Literaturverfilmungen gar nicht Dein Fall?

Ich bin nicht so der Fan von Literaturverfilmungen. Ich lese sehr viel und bin meist enttäuscht, wenn ich dann eine Verfilmung sehe. Aber es gibt in der Tat ein Buch, welches ich gern verfilmen würde. „Fast tot“ von Ralph Hasselberger. Das beste Zombiebuch, das ich bisher gelesen habe. Mit tollen Charakteren, realistischen Szenarien und einer Portion schwarzem Humor, der gerade noch passend ist. Das einzige Problem, was einer Verfilmung im Wege steht, ist die Ansiedlung der Handlung in Marburg und Gießen und dass die Story den Ausbruch der Seuche beschreibt. Eine Zombiefilmproduktion in den besagten Städten wird doch eher sehr schwer umzusetzen sein und würde wahrscheinlich nicht zwingend gefördert werden. Da ich mit dem Autor schon oft gearbeitet habe, würde die Zusammenarbeit bei einer Verfilmung seines Buches sicher fruchten, aber wir müssten ein wirklich großes Budget zusammentragen.

8. Auch wenn „Damned On Earth“ noch relativ neu ist, kannst Du schon etwas über Deinen nächsten geplanten Film erzählen?

Ich arbeite derzeit an 4 Ideen, die zum Teil auch schon in Drehbüchern ganz gut vorgeformt sind. Wie oben schon erwähnt, gibt es ein Drehbuch aus dem Science Fiction Comedy Bereich. Und kein Geheimnis ist, dass es ein fertiges Drehbuch zu einer Fortsetzung von „Toxic Lullaby“ gibt. Ich schreibe grade an einer Found Footage Geschichte, die nur über eine Webcam erzählt wird, und an einem Projekt, das fest in der Nordhessischen Region angesiedelt ist, wo es im weitesten Sinne um Hexen geht.
Was, oder ob überhaupt etwas davon ein potentielles Projekt werden wird, ist natürlich ungewiss. Ich hoffe, ich kann dies Jahr noch in eine Vorproduktionsphase gehen … ich bin selbst gespannt welches Projekt es werden wird.

9. Wie siehst Du die Zukunft des deutschen Films?

Ich glaube, dass sich da in Zukunft einiges tun wird. Durch mein Festival „Der phantastische Trashfilm“ (tff.spontitotalfilm.com) sehe ich die Werke vieler Filmemacher. Da bei dem Festival der Focus auf „phantastischer Film“ liegt, laufen da nicht nur „schlechte“ Filme. Ganz im Gegenteil: Die Digitaltechnik erlaubt talentierten Filmemachern ihr Potenzial zu zeigen, ohne das sie große Produzenten im Rücken haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es einige gibt, von denen wir in Zukunft mehr sehen werden. Dazu kommt, dass Filmemacher ihre Filme online On Demand, abseits der großen Anbieter, verkaufen oder verleihen können. Da geht das Geld direkt an die Filmemacher und nicht an Labels und Studios (meine letzte Produktion „Damned On Earth“ kann man zum Beispiel hier finden https://vimeo.com/ondemand/damnedonearth).
Natürlich werden die großen Studios gegensteuern und weiterhin versuchen, den Markt mit ihren Produkten zu steuern. Aber früher oder später werden die Konsumenten Lust auf neue Ideen und Produktionen bekommen. Und dann kommt die Stunde der Indifilmer

10. Verrätst Du uns Deinen größten beruflichen Wunsch / Traum?

Mein Wunsch ist das der Low- und Nobudget Filmbereich mehr Beachtung findet. Allein schon die Tatsache, dass ein Film nicht auf einer Scheibe veröffentlicht wird und nur online angeboten, macht ihn für 90% der Onlineportale, Magazine und Blogs so uninteressant, dass der Film nicht einmal eine Erwähnung erfährt. Deshalb, man möge mir es verzeihen, habe ich die Links zu meinen Filmen on Demand direkt in das Interview eingebaut. Ich musste die bittere Erfahrung machen, dass kaum auf die Veröffentlichungen meiner Filme on Demand reagiert wurde. Bei den VÖ`s über DVD sah das noch ganz anders aus. Und da liegt die bittere Ironie des Ganzen. An den DVD´s verdienen meist andere.

11. Die fünf wichtigsten Dinge in Deinem Leben sind …?

Meine Familie
Freiheit
Musik
Film
Trash

Film-Besprechungen bedankt sich bei Dir für die interessanten Antworten und wünscht, dass sich all Deine Träume erfüllen. Viel Erfolg bei den nächsten Projekten.

© 2015 Ralf Kemper / Wolfgang Brunner